Sicherheitskonferenz: Scholz spricht zur Ukraine-Krise – Politik

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht keine Entspannung im Ukraine-Konflikt. “In Europa droht wieder ein Krieg. Und das Risiko ist alles andere als gebannt”, sagte Scholz am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Hinter diese Entwicklung fielen in der öffentlichen Debatte globale Herausforderungen wie die Corona-Pandemie und der Kampf gegen den Klimawandel zurück. Auch diese bedürften aber dringend einer Antwort. Scholz sprach in München vier Tage nachdem er in Moskau mit Präsident Wladimir Putin über Wege zu einer Entschärfung des Konflikts gesprochen hatte.

Er warnte Russland erneut vor den Konsequenzen eines Angriffs auf die Ukraine: “Jede weitere Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wird hohe Kosten haben für Russland – politisch, ökonomisch und geostrategisch.” Der Kanzler zeigte sich weiter bereit zur Diplomatie mit Russland. “So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein – das ist der Anspruch”, sagt er. Russland habe die Frage einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zum “casus belli” erhoben. “Das ist paradox: Denn hierzu steht gar keine Entscheidung an.”

Deutschland werde Nato-Partner gegen Angriffe verteidigen, sagte Scholz. “Deutschland steht zur Garantie des Artikels 5 – ohne Wenn und Aber”, sagte er mit Hinweis auf den entsprechenden Nato-Artikel. Die Bundesrepublik übe “praktische Solidarität”, etwa durch eine größere Präsenz der Bundeswehr im Baltikum oder die Hilfe für die Luftraumüberwachung der Nato im Südosten Europas. Hintergrund der Bemerkungen ist auch die Kritik an fehlenden Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine. Diese Absage bekräftigte Scholz am Samstag. Er verwies auf die Vorgaben zur Rüstungsexportkontrolle, die beachtet würden. Zugleich sei es nicht so, dass die Ukraine nicht an Waffen gekommen sei. Scholz wies darauf hin, dass Deutschland der größte Geber finanzieller Hilfen für die Ukraine sei und diese auch fortsetzen werde.(19.02.2022)

Stoltenberg wirft Russland Täuschungsmanöver vor

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat auf der Sicherheitskonferenz in München von “gefährlichen Zeiten für Europa” gesprochen. Er bezog das zunächst auf den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Es bestehe nach wie vor ein hohes Risiko, dass es zu einem bewaffneten Konflikt komme. “Wir sehen noch keine Zeichen für einen echten Abzug”, sagt er. “Im Gegenteil: Die Truppenkonzentration wird fortgeführt.”

Stoltenberg warf Russland Täuschungsmanöver vor: “Es sieht so aus, als würde Russland alles dafür tun, um einen Vorwand für eine Invasion zu erzeugen”, sagte er. Man sei transparent über diese Taktik gewesen, weil man hoffe, Russland dadurch eine Invasion in der Ukraine zu erschweren. Am Morgen hatten die von Russland kontrollierten Separatisten in der Ostukraine zur Generalmobilmachung aufgerufen. In der Nacht war es in Donezk und Luhansk zu Explosionen gekommen. Die Separatisten und Russland werfen der Ukraine vor, einen Angriff auf ihre Gebiete zu planen – und wollen so mögliches eigenes militärisches Vorgehen rechtfertigen.

Es sei aber noch nicht zu spät für Russland, den Kurs der Eskalation zu ändern. Er rufe Russland auf, seinen Worten Taten folgen zu lassen, sagte Stoltenberg. Präsident Wladimir Putin und andere Regierungsvertreter stellen in Abrede, dass Russland eine Invasion in der Ukraine plane. Ein erster wichtiger Schritt zu einer friedlichen Lösung sei es nun, Truppen von der Grenze abzuziehen. Die Nato sei bereit, in einen Dialog über sinnvolle gegenseitige Schritte einzutreten, wie die Sicherheit aller Seiten verbessert werden könne, Risiken reduziert und die militärische Transparenz erhöht werden könne. Dazu gehörten auch Gespräche über Rüstungskontrolle bei Raketensystemen und auch Atomwaffen.

Der Nato-Generalsekretär wies aber auch auf eine neue Entwicklung hin, die einen grundlegenden Wandel in den internationalen Beziehungen bedeute: Neben Russland habe erstmals auch China die Nato aufgefordert, keine neuen Mitglieder aufzunehmen. Er wies dies zurück. Souveräne Staaten hätten das Recht, selbst über ihre Bündniswünsche zu entscheiden. Das könne nicht autoritären Staaten überlassen werden. Man dürfe nicht zulassen, dass autoritäre Staaten versuchten, ihren Nachbarn ihren Willen aufzuzwingen oder Einflusssphären zu errichten. In der Nato gebe es keine Mitglieder erster Klasse in Westeuropa und zweiter Klasse in Osteuropa, sondern die Nato sei geeint in der Entschlossenheit, jedes ihrer Mitglieder zu verteidigen. (Paul-Anton Krüger, 19.02.2022)

Von der Leyen: Gasversorgung Europas ist sicher

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz klargestellt, dass die Gasversorgung Europas in diesem Winter sichergestellt sei, selbst wenn Russland die Versorgung unterbreche. “Heute kann ich Ihnen mitteilen, dass – selbst bei einer völligen Unterbrechung der Gasversorgung durch Russland – wir diesen Winter auf der sicheren Seite sind”, sagte sie am Samstag.

Die EU habe ihre Hausaufgaben seit der russischen Invasion der Krim im Jahr 2014 gemacht und Terminals sowie Pipelines für verflüssigtes Erdgas, auch LNG genannt, aufgebaut. Die USA seien bereit, Europa LNG zu liefern, auch andere Länder wie Japan hätten zugesagt, von ihnen bereits gekaufte Gaslieferungen bereitzustellen und die entsprechenden Tankschiffe entsprechend nach Europa umzulenken. Auch die Ukraine könne im Falle eines Krieges von Mitteleuropa aus versorgt werden.

Zugleich machte von der Leyen dem russischen Gaskonzern Gazprom schwere Vorwürfe. “Gazprom versucht bewusst, so wenig wie möglich zu speichern und zu liefern, während die Preise und die Nachfrage in die Höhe schnellen”, sagte sie. Das sei kein normales unternehmerisches Verhalten des Staatskonzerns. Daran knüpft sich die Sorge, Russland könnte versuchen. Europa von der die Gasversorgung, sollte die EU mit scharfen Sanktionen auf einen möglichen Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine reagieren.

Die Bundesregierung bescheinigt Russland zwar bisher, alle vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das gilt aber nur für langfristige Kontrakte, die den kleineren Teil des Gasbedarfs decken. Der größere Teil wird normalerweise über kurzfristige Verträge an Gasbörsen gedeckt – und dort stellt Russland derzeit sehr wenig Gas zum Verkauf.

Die Gasspeicher in Deutschland, die zu Teilen ebenfalls an den russischen Gaskonzern Gazprom verkauft worden sind, sind auf dem niedrigsten Füllstand zu dieser Jahreszeit seit mindestens zehn Jahren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dies in dieser Woche ebenfalls scharf kritisiert. “Dass Deutschland, die Bundesregierung, die öffentliche Hand im Grunde überhaupt keine Möglichkeiten hat, die Versorgungssicherheit im Gas-Bereich zu gewährleisten, ist ein inakzeptabler Zustand”, sagte Habeck am Montag in Schwerin. (Paul-Anton Krüger, 19.02.2022)

  • Gasversorgung: Kalter Krieg (SZ Plus)

Zweiter Tag der Sicherheitskonferenz beginnt

Am zweiten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz wird Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Rede seine außenpolitische Agenda vorstellen. Außerdem werden US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beim weltweit wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik auftreten.

US-Vizepräsidentin Harris will nach Angaben eines US-Regierungsvertreters mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammentreffen. Harris wolle in einer Rede auf der Konferenz auch klar machen, dass die USA weiter offen für Gespräche mit Russland seien, “selbst zu dieser späten Stunde” in dem Konflikt.

Der massive russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine wird das zentrale Thema der Konferenz sein. Darüber wollen am Rande der Veranstaltung auch die Außenminister der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte beraten. Deutschland hat den Vorsitz in dieser Gruppe der Sieben (G7), der außerdem die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Japan angehören.

Im Westen wird befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in sein Nachbarland in Erwägung zieht und sogar eine Ausweitung des Konflikts auf Nato-Staaten drohen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei den Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Russland dementiert Angriffsplanungen.

Gespräche mit Vertretern Russlands stehen bei der Sicherheitskonferenz nicht auf der Tagesordnung. Das Land ist zum ersten Mal seit 1991 nicht mit einer offiziellen Delegation in München vertreten.

An der Konferenz in München, die unter strengen Corona-Auflagen stattfindet, nehmen etwa 30 Staats- und Regierungschefs und rund 80 Minister teil. Für die neue Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP ist es die erste Gelegenheit, ihre Außenpolitik umfassend vorzustellen. Außenministerin Annalena Baerbock, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Entwicklungsministerin Svenja Schulze waren bereits am Freitag in München aufgetreten.

Blinken “zutiefst besorgt” über Russlands Weg in Ukraine-Krise

Die US-Regierung sieht weiter eine hohe Gefahr einer militärischen Eskalation durch Russland in der Ukraine-Krise. US-Außenminister Antony Blinken sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, auch wenn die US-Regierung mit ihren Partnern alles Denkbare für eine diplomatische Lösung tue, sei man “zutiefst besorgt, dass dies nicht der Weg ist, den Russland eingeschlagen hat”. Alles, was derzeit zu beobachten sei, sei “Teil eines Szenarios, das bereits im Gange ist: nämlich falsche Provokationen zu schaffen, dann auf diese Provokationen reagieren zu müssen und schließlich eine neue Aggression gegen die Ukraine zu begehen”. Die US-Regierung warnt seit Längerem davor, Moskau könne künstlich einen Vorwand inszenieren, um einen Angriff auf die Ukraine öffentlich zu rechtfertigen.

Blinken betonte, die größte Stärke der westlichen Partner in der Krise sei ihre Zusammenarbeit und Solidarität. Er glaube, der russische Präsident Wladimir Putin sei “etwas überrascht” darüber, wie eng die Nato-Staaten und die Europäische Union in der Krise zusammenstünden. “Solange wir diese Solidarität aufrechterhalten, werden wir so oder so – egal welchen Weg Präsident Putin wählt – bereit sein zu reagieren”, sagte der US-Außenminister. (18.02.2022)

Guterres: Robuster Kampf gegen Terror in Sahelregion nötig

Der weitere Kampf gegen islamistische Terrorgruppen in der Sahelregion kann nach Einschätzung von UN-Generalsekretär António Guterres nur mit robusteren Truppen gewonnen werden. Ehrlicherweise müsse man sagen, dass die gegenwärtig verfügbaren Sicherheitsmechanismen nicht fähig seien, mit den terroristischen Gruppen fertig zu werden, sagte Guterres auf der Sicherheitskonferenz. Dass diese Gruppen nun auch die Küstenregionen erreichen könnten, werde möglicherweise Folgen bis nach Europa haben.

“Wir brauchen robuste Truppen. Aber dazu: Dies kann nicht mit Friedenssicherung getan werden. Dazu ist Friedenserzwingung nötig und Anti-Terror-Kampf.” Es bedürfe starker Partner wie bei früheren Einsätzen auf dem Balkan. “In diesem Fall die Afrikanische Union mit einem klaren Mandat, das nun nicht existiert”, so Guterres. Er verwies dabei auf Kapitel 7 der UN-Charta (“Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen”) sowie die Notwendigkeit einer garantierten Finanzierung für diese Truppen. (18.02.2022)

Baerbock nennt Konflikt um Ukraine “eine Russland-Krise”

Vor dem Hintergrund der massiven Spannungen in der Ukraine-Krise startet an diesem Freitag die Münchner Sicherheitskonferenz. Zu den prominentesten Rednern in den nächsten drei Tagen werden Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Vizepräsidentin Kamala Harris und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij zählen. Russland ist zum ersten Mal seit 1991 nicht mit einer offiziellen Delegation vertreten.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in ihrer Rede Russland zu einem umgehenden Abzug seiner Truppen von den Grenzen der Ukraine aufgefordert. Erste Signale dahingehend seien ein “Hoffnungsschimmer”, nun seien aber auch Taten nötig, sagte die Grünen-Politikerin. Es drohe Krieg mitten in Europa. “Russland spricht mit seinem Truppenaufmarsch eine absolut inakzeptable Drohung aus”, sagte sie. Diese Krise sei keine Ukraine-Krise. “Sie ist eine Russland-Krise.”

An dem weltweit wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik nehmen etwa 30 Staats- und Regierungschefs teil, außerdem mehr als 80 Minister. Die Veranstaltung im Luxushotel Bayerischer Hof findet unter strengen Corona-Auflagen statt. Statt der sonst mehr als 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind diesmal nur 600 zugelassen. Sie alle müssen geimpft sein und täglich einen PCR-Test machen.

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