Das Jahr 2024 in Sachsen-Anhalt beginnt mit bangen Blicken auf Pegelstände: Nach Angaben des Landesbetriebs für Hochwasserschutz bewegt sich der Hochwasserscheitel auf der Elbe immer weiter elbabwärts. An der Helme an der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen sei der Pegelstand zwar leicht gesunken, dort herrsche aber weiter Hochwassergefahr. Zudem wird befürchtet, dass sich die Lage in den kommenden Tagen wegen den angekündigten Regens wieder verschlechtern könnte. Der Überblick.
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Innenministerin Tamara Zieschang und Landrat André Schröder wollen gemeinsam das Hochwassergebiet im Landkreis Mansfeld-Südharz besuchen. Wie der Landkreis am Montagabend mitteilte, wollen die CDU-Politiker am Dienstagnachmittag die Einsatzleitung im Abschnitt Sangerhausen treffen und danach den Katastrophenschutzstab.
Während die Hochwasserlage in Teilen von Sachsen-Anhalt auch zu Beginn des neuen Jahres angespannt bleibt, warnt die Polizei Schaulustige erneut vor den Gefahren im Hochwassergebiet. Den Beamten zufolge hatten bei Lostau im Jerichower Land mehrere Personen versucht, mit einem Kinderschlauchboot im überfluteten Gebiet zu paddeln. Bei der Aktion wurde keiner der Beteiligten verletzt.
Polizei warnt Schaulustige vor Hochwasser
Gerade bei steigenden Pegelständen seien solche Aktionen aber lebensgefährlich. Die Strömungen im Flutgebiet können extrem stark und nicht zu sehen sein. Deshalb sei das Betreten oder Befahren überschwemmter Gebiete untersagt.
Trotz stagnierender Pegelstände ist auch die Lage im Landkreis Mansfeld-Südharz weiter angespannt. Der Kreis hatte am Sonnabend den Katastrophenfall festgestellt.
Katastrophenfall in Mansfeld-Südharz, Bürgertelefon geschaltet
Landrat André Schröder (CDU) sagte am Sonnabend, mit Ausrufen des Katastrophenfalls sei der Landkreis nun selbst für die Koordination der Abwehrmaßnahmen gegen das Hochwasser zuständig. “Wir wollen die Menschen nicht beunruhigen, sondern örtliche Einsatzkräfte entlasten”, sagte Schröder im MDR. “Die lange Dauer des Einsatzes, anhaltend hohe Wasserstände an der Helme sowie steigende Grundwasserspiegel haben zu der Entscheidung geführt. Das große Engagement vor Ort und eingehende Hilfsangebote müssen gut miteinander verzahnt und koordiniert werden. Der Landkreis will alle seine Möglichkeiten nutzen, um die Schäden auf etwa einem Drittel der Landkreisfläche, verteilt auf vier Städte und Gemeinden, so gering wie möglich zu halten.”
Das große Engagement vor Ort und eingehende Hilfsangebote müssen gut miteinander verzahnt und koordiniert werden.
André Schröder, Landrat des Landkreises Mansfeld-Südharz
Für die Helme gilt Alarmstufe 4. Am Pegel Bennungen war am Montagmittag ein Höchstwert von 2,42 Meter ausgegeben worden. Die Marke für Alarmstufe 4 liegt bei 2,00 Metern. In der Nacht zum Sonntag sicherten rund 130 Einsatzkräfte entlang des Flusses Helme einen stark durchnässten Deich mit Tausenden Sandsäcken. Die Deiche würden engmaschig kontrolliert, hieß es in der Mitteilung des Kreises. Bereits am Samstag dankte Landrat Schröder den Helferinnen und Helfern vor Ort.
An der Helme an der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen ist nach Angaben des Landesbetriebs für Hochwasserschutz der Pegelstand zwar leicht gesunken, dort herrsche aber weiter Hochwassergefahr. Zudem wird befürchtet, dass sich die Lage in den kommenden Tagen durch den angekündigten Dauerregen wieder verschlechtern könnte.
Der Krisenstab des Landkreises Mansfeld-Südharz halte weiterhin die eingeleiteten Maßnahmen aufrecht. Am Samstagabend wurden nach Angaben des Bürgermeisters der Gemeinde Südharz, Peter Kohl, vorsorglich Sammelstellen in zwei Turnhallen eingerichtet.
Bürgertelefon für Mansfeld-Südharz eingerichtetDer Landkreis Mansfeld-Südharz hat im Zusammenhang mit der Feststellung des Katastrophenfalls ein Bürgertelefon geschaltet: 03464 – 535 1960 sowie per E-Mail unter [email protected].
Die Kreisverwaltung wies darauf hin, dass Deiche und Deichanlagen nicht betreten werden dürfen. Auch die Dammkrone des Stausees Kelbra sei für Fußgänger und Radfahrer gesperrt.
Sandsäcke für Oberröblingen, Evakuierung nicht ausgeschlossen
Auch bleibt die Situation in Sangerhausens Stadtteil Oberröblingen weiterhin angespannt: Wie die Stadt Sangerhausen am Sonnabend mitteilte, ist für den Ortsteil “leider keine Entspannung in Sicht”. Bürgerinnen und Bürger seien gebeten, die Lage aufmerksam zu beobachten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine Evakuierung notwendig werde, teilte die Stadt mit und rief die Menschen auf, sich für diesen Fall vorzubereiten.
Zur Erklärung sagte Sangerhausens Stadtwehrleiter Arno Kalina am Sonnabend im MDR, die Ortslage Oberröblingen liege wie in einem Kessel und drohe deshalb vollzulaufen. “Wir versuchen, durch massiven Pumpeneinsatz den Kessel leerzupumpen”, sagte Kalina. Zudem müsse der Wall erhöht werden, “um die Ortslage zu retten”. Am Sonnabend wurden deshalb 100.000 zusätzliche Sandsäcke an der Deichkrone aufgestellt. Hier liegt laut Landkreis am Sonntag ein Schwerpunkt des Einsatzes.
Die B85 zwischen Kelbra und Berga ist mittlerweile gesperrt worden, da die Straße als Deich-Wallung genutzt werden soll, um das Wasser im Zaum zu halten. Auch im Burgenlandkreis wird der Helme-Pegel laut Kreis genau beobachtet, weil sie ein Zufluss zur Unstrut ist und diese weiter mit Wasser versorgt.
Bahnstrecke zwischen Sangerhausen und Artern gesperrt
Aufgrund der Hochwasserlage wurde die Bahnstrecke zwischen Oberröblingen und Artern auf unbestimmte Zeit gesperrt, wie der Landkreis am Montagmittag mitteilte. Grund für die Sperrung sei der Einsatz eines Zwei-Wege-Baggers am Bahndamm bei Oberröblingen, um dort den Deich zu sichern. Einen Schienenersatzverkehr gibt es zwischen Sangerhausen in Sachsen-Anhalt und Artern in Thüringen.
Auch die Kreisstraße zwischen Wallhausen und Brücken musste am Montagvormittag wegen Überflutung voll gesperrt werden. Eine Umleitung ist vor Ort ausgeschildert.
Einschränkung in Abwasserentsorgung – mobile Toiletten
Von dem tagelangen Hochwasser und dem dadurch gestiegenen Grundwasserspiegel ist inzwischen auch die Abwasserentsorgung in der Hochwasser-Region betroffen. Grund ist der steigende Grundwasserspiegel. Dem Wasserverband Südharz zufolge werden die Einwohner in Thürungen, Martinsrieth und Niederröblingen aufgefordert, dem Abwasser nichts mehr zuzuführen. Der Wasserverband organisiert derzeit mobile Toiletten. Die Trinkwasserversorgung ist gewährleistet.
Kurz vor der Mündung der Helme in die Unstrut im thüringischen Mönchpfiffel-Nikolausrieth war am Donnerstagabend der Deich geöffnet worden, um Hochwasser in Felder ablaufen zu lassen und die etwa 30 Häuser des Ortes zu schützen. Nach Angaben des Landratsamtes des Kyffhäuserkreises soll der Deichdurchbruch am Sonntag vertieft werden, damit mehr Wasser aus dem Fluss auf landwirtschaftliche Flächen fließen kann.
Regen erhöht die Pegelstände
Durch die Regenfälle zum Beginn des Wochenendes waren die Pegelstände einiger Flüsse in Sachsen-Anhalt wieder angestiegen. Die schauerartigen Niederschläge seien stärker ausgefallen als zunächst prognostiziert, teilte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) am Samstag mit. Weil die Böden bereits gesättigt seien, habe dies in einigen Bereichen zwischenzeitlich zu ansteigenden Wasserständen geführt. So sei etwa an der Dumme in der Altmark der Richtwert der Alarmstufe 2 zunächst überschritten worden, in der Nacht zum Sonntag dann wieder auf Stufe 1 gesunken.
Ab Dienstag erwartet der Deutsche Wetterdienst für die kommenden Tage ergiebige Dauerregen im Oberharz. Infolge des Dauerregens könne es an Bächen und kleineren Flüssen zu Hochwasser kommen, teilte der DWD mit. Die Unwetterwarnung gilt demnach von der Nacht zu Dienstag bis Donnerstag.
Hochwasser-Scheitel wird erwartet
Nach Angaben des Landesbetriebs für Hochwasserschutz (LHW) bewegte sich der Hochwasserscheitel auf der Elbe am Montag weiter in Richtung Tangermünde, wo die zweite von vier Alarmstufen erreicht wurde. Am Pegel Barby und weiter elbaufwärts bei Wittenberg sanken die Wasserstände an Neujahr bereits wieder.
Pretziener Wehr entlastet Magdeburg
In Magdeburg steigt der Pegelstand der Elbe nur noch langsam an. Am Montag lag der Messwert an der Strombrücke am Vormittag bei 5,12 Meter. Der Höchststand werde erst am Montag oder am Dienstag mit Werten um 5,20 Meter in der Landeshauptstadt erwartet, wie die Hochwasservorhersagezentrale mitteilte. Eingerechnet ist hier bereits die Entlastung durch das Öffnen des Pretziener Wehrs am vergangenen Donnerstag. Seitdem wird ein Teil des Elbe-Hochwassers um Schönebeck und Magdeburg durch ein 21 Kilometer langes Umflutgebiet umgeleitet. Das hat den Daten zufolge den Anstieg der Hochwasser-Werte flussabwärts etwas abflachen lassen.
Auch wenn für Magdeburg keine Alarmstufe 3 zu erwarten ist, wurde laut Mitteilung der Stadt sicherheitshalber die mobile Hochwasserschutz-Wand im Herrenkrug direkt an der Elbe aufgebaut.
Am Pegel Barby bleibt es bis auf Weiteres bei Alarmstufe 2. Dort wurde am Montagmorgen ein Wasserstand von 5,79 Metern gemessen. Laut Vorhersage sollen auch hier die Werte im Laufe des Tages langsam um wenige Zentimeter sinken.
Elbe-Höchststand in der Altmark bis Neujahr
In Tangermünde wird der Hochwasser-Scheitel der Elbe zwischen Neujahr und dem 3. Januar erwartet, mit einer Höhe von 6,15 Metern – gute zwei Meter unter dem Hochwasser-Wert von 2013.
Wie der NDR berichtet, ist auch die Baustelle der A14-Nordverlängerung zwischen Osterburg und Wittenberge vom Hochwasser betroffen. Sie war demnach am Mittwoch überspült worden und steht unter Wasser.
Alarmstufen an Ohre, Mulde, Unstrut und Weißer Elster
Am Pegel Wolmirstedt gilt für die Ohre weiterhin Alarmstufe 3. Hier lag der Wasserstand am Montagvormittag bei 2,48 Meter. Laut Hochwasservorhersagezentrale (LHW) fällt er zwar – allerdings nur gering, sodass die Warnstufe erhalten bleibt. Der Wolmirstedter Pegel verzeichnet seit Ende November Hochwasser.
An der Mulde bei Dessau-Roßlau fällt der Pegelstand ebenfalls weiter – am Sonntagvormittag auf 4,03 Meter. Damit gilt hier aktuell Alarmstufe 1.
An der Weißen Elster am Pegel Oberthau lag der Wasserstand am Sonntagvormittag bei 2,66 Meter. Damit fällt der Pegel hier und an den Nebenflüssen weiter langsam und fast überall unter die Grenze für Alarmstufe 3.
An der Unstrut am Pegel Wangen ist der Wasserstand indes mit 4,47 Meter am Montagvormittag fallend und damit nun unterhalb der Alarmstufe 3.
Alarmstufen an Saale und Bode
Hohe Wasserstände werden weiterhin an den Pegeln der Saale verzeichnet, auch wenn dort der Hochwasser-Scheitel bereits durch ist und bei Barby in die Elbe mündet. An den Unterpegeln Naumburg-Grochlitz und Calbe gilt nur noch Alarmstufe 1.
Auch die Bode führt weiterhin viel Wasser. An den Pegeln Wegeleben, Hatmersleben und Staßfurt gilt mit Stand Sonntagmittag Alarmstufe 2.
Die Hochwasserzentrale Sachsen-Anhalt warnt in einem vierstufigen System vor Überschwemmungen. Ab Stufe 2 richten die Kommunen einen Kontrolldienst ein, Hindernisse werden beseitigt. Ab Stufe 3 gibt es einen ständigen Wachdienst. Zudem werden erste Schritte zur Deich-Sicherung und -verteidigung ergriffen. Bei Stufe 4 droht Gefahr für die Allgemeinheit und die Wirtschaft. Aktive Abwehrmaßnahmen werden ergriffen, Evakuierungen sind möglich.
Fähren wegen des Hochwassers außer Betrieb
Die Saale-Fähre in Brachwitz im Saalekreis kann derzeit wegen Hochwassers nicht fahren. Auch die Elbe-Fähre Aken ist außer Betrieb. Der Verkehr der Elbe-Fähre Ferchland-Grieben ist am ersten Weihnachtsfeiertag eingestellt worden. Dies bleibt wegen der Hochwasser-Lage “bis auf Weiteres” so, heißt es bei der Nahverkehrsgesellschaft Jerichower Land. Die Elbe-Fähre Rogätz ist bis einschließlich Neujahr ohnehin wegen Betriebsferien nicht im Einsatz. Die Elbe-Fähren Barby und Breitenhagen sind mindestens bis zum 7. Januar nicht in Betrieb. Gleiches gilt für die Saale-Fähre Groß Rosenburg.
Weiterhin im Einsatz ist die Elbe-Fähre Sandau. Sie wurde auf Motor-Betrieb umgestellt und ist bis zu einem Wasserstand von 6,60 Metern fahrbar. Am Samstagmorgen wurde ein Stand von 5,93 Metern erreicht.
Die Saale-Fähre Wettin hat den Betrieb wieder aufgenommen.
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dpa, MDR (Luca Deutschländer, Leonard Schubert, Kalina Bunk, Julia Heundorf, Annekathrin Queck, André Plaul, Daniel George, Anne Gehn-Zeller, Felix Fahnert, Johanna Daher, Lucas Riemer, Manuel Mohr) | Erstmals veröffentlicht am 22. Dezember 2023
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 31. Dezember 2023 | 17:00 Uhr
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