Rhodos, Mallorca und Co: Sind die Hitze-Brennpunkte noch Urlaubsziele?

Tourismusindustrie
Hitze und Brände: Bleiben Rhodos, Mallorca und Co. attraktive Urlaubsziele?

Touristen wie Einheimische mussten auf Rhodos vor Waldbränden die Flucht ergreifen – mit langfristigen Folgen für den Tourismus?

© Lefteris Damianidis/InTime News/AP / DPA

Die große Hitze und Waldbrände im Mittelmeerraum betreffen beliebte Urlaubsregionen. Der Tourismusexperte Alexander Dingeldey erklärt, wie Reiseveranstalter und Hotels mit dem Klimawandel umgehen – und wie sie auf Ereignisse wie die Waldbrände auf Rhodos reagieren.

Von Victoria Robertz

Herr Dingeldey, in vielen touristischen Regionen in Südeuropa herrscht seit Tagen eine schwere Hitzewelle, tausende Feriengäste mussten die griechische Insel Rhodos wegen eines Waldbrands verlassen. Was bedeutet das für die Tourismusindustrie?
Die einzelnen Ereignisse sind dramatisch und richten teils große Schäden an. Aber Waldbrände und heißes Wetter hat es auch vor dem Klimawandel gegeben. Der einzige Unterschied ist, dass sie jetzt häufiger auftreten. Ein Gast, der mit einem Reiseveranstalter unterwegs ist, ist in so einem Fall abgesichert. Die Veranstalter setzen eine Rettungskette in Gang und kümmern sich um alles.

Die Veranstalter sind also auf so ein Ereignis vorbereitet?
Ja, Notfallpläne für Schadenereignisse gibt es schon lange. Die Unternehmen wären fahrlässig, wenn sie sie nicht hätten, weil natürlich Risiken bestehen. Eine gute Risikoplanung ist die Pflicht eines Reiseveranstalters, der Kunde hat gesetzlichen Anspruch darauf. Auch wenn ein Urlaub etwas Schönes ist, gehört es dazu, Negatives von vornherein zu vermeiden oder sonst einen Notfallplan in der Schublade zu haben.

Wie sieht so ein Notfallplan konkret aus?
Zunächst geht es um die Kommunikation. Alle Gäste in einem Zielgebiet müssen über eine Handynummer erreichbar sein, damit sie bei einem Schadensereignis kontaktiert werden können. Das funktioniert meistens nur noch über das Mobilfunknetz. Und dann wird situativ gehandelt bis zu Evakuierungen. Bei den Reaktionszeiten können wir noch schneller werden, aber insgesamt befinden wir uns auf einem sehr hohen Niveau, das wir unbedingt halten sollten.

Die große Hitze dürfte in Zukunft nichts Ungewöhnliches mehr sein. Sollten die Reiseveranstalter jetzt im Vorhinein mehr auf damit verbundene Risiken hinweisen?
Im Rahmen der Informationspflicht müssen sie ein Klimadiagramm der Destinationen zeigen. Aber ich sehe hier eine Hol- und eine Bringschuld. Als Gast kann ich mich selber vorher informieren und es empfiehlt sich immer eine Beratung im Reisebüro. Die kennen die Situation vor Ort.

Inwiefern können sich touristische Ziele für den Sommer verändern, wenn Hitzewellen im Mittelmeerraum häufiger auftreten?
Manche Destinationen im Süden können weniger attraktiv werden. Nach anderen sehr heißen Ziele wie beispielsweise Dubai und Ägypten gibt es aber auch im Sommer eine touristische Nachfrage. Südliche Länder, auch der Mittelmeerraum, sind generell sehr gut an Hitze gewöhnt und tun viel für den Hitzeschutz.

Was zum Beispiel?
Bei Hotelanlagen wird mit mehr Grün gearbeitet, sei es eine Dachbegrünung oder ein Garten, der ein besseres Mikroklima für die Gäste schafft. Es gibt bauliche Veränderungen am Strand, mehr Sonnenschirme und Schattenabdeckungen. Um in trockenen Regionen den Bedarf an Trinkwasser zu decken, wird in Wasserspeicher und Meerwasserentsalzungsanlagen investiert. Schließlich hat die spanische Siesta auch ihren Sinn, dass ich Aktivitäten in den Früh- und Abendstunden ausübe und nicht mittags eine Radtour mache. Und dann ist natürlich die Frage, wo und wie man klimatisiert.

Klimaanlagen sind nicht unbedingt nachhaltig und können sogar zur Hitze in der Umgebung beitragen.
Das ist ein wichtiger Punkt und tatsächlich sind Energieversorgung und Energieeffizienz auch bei den Veranstaltern und Hoteliers gerade ein großes Thema. In einigen Hotels ist zum Beispiel die Klimaanlage mit den Pools gekoppelt, um Energie zu sparen. Mit der Abwärme der Klimaanlagen wird dann wenn nötig der Pool beheizt oder das Brauchwasser erwärmt. Und die südlichen Länder haben natürlich den Vorteil, dass sie Sonnenenergie nutzen und die Hotels sich damit teilweise selbst versorgen können.

Noch wird ein Waldbrand laut Verbraucherzentrale als “außergewöhnlicher Umstand” betrachtet, deshalb kann kostenlos umgebucht oder storniert werden. Große Hitze allein ist kein Grund für eine kostenfreie Stornierung. Könnten sich die Stornierungsbedingungen in Zukunft ändern?
Die Bedingungen sind eigentlich klar: Alles, was außergewöhnlich ist, ist ein Stornierungsgrund. Was nicht außergewöhnlich ist, beispielsweise dass es im Süden heiß ist, sollte ich wissen. Wenn es brennt oder es eine andere Gefahr für Leib und Leben gibt, kann natürlich storniert werden.

Ist bei den Veranstaltern wirklich angekommen, dass Situationen wie in diesem Jahr bald keine Ausnahme mehr sein könnten?
Das Klima- und Umweltbewusstsein ist schon seit 20 Jahren vorhanden und es ist auch schon viel passiert, zum Beispiel was Vermeidung von Müll und Nahrungsmittelverschwendung angeht und saubere Meere. Ich kann nur in einer ordentlichen Natur einen schönen Urlaub verbringen. Die Veranstalter würden mit der Zerstörung der Natur also ihr Geschäftsmodell zerstören.

Rhodos, Mallorca und Co. bleiben also attraktiv für den Sommerurlaub?
Unser Sommer ist relativ lang und nur weil es wärmer wird, haben wir nicht automatisch ein stabiles Wetter in Europa. Das größte Pfund der Mittelmeerregion ist ihr relativ stabiles, warmes und trockenes Wetter. Damit können diese Destinationen auch in der nahen Zukunft punkten. Vielleicht werden die Hitzemonate weniger attraktiv und die Zeiten der Hochsaison verändern sich ein bisschen. Dass sich die Veranstalter auf eine Verschiebung gen Norden vorbereiten, ist momentan nicht spürbar.

Die größten deutschen Reiseveranstalter Tui und DER Touristik holen momentan nur Gäste ab Rhodos ab und fliegen keine neuen hin. Wie groß ist der Schaden, der den Veranstaltern wegen der aktuellen Situation entsteht?
Das ist schwierig zu sagen, weil betroffene Gäste nicht unbedingt stornieren, sondern an einen anderen Urlaubsort oder einen späteren Zeitpunkt umbuchen. Der Schaden der Reiseveranstalter ist also deutlich geringer als der vor Ort, wo die Hoteliers Brandschäden und Einnahmeausfälle haben. Auch der Imageschaden ist für die Region größer als für die Veranstalter.

Werden nächstes Jahr weniger Menschen auf Rhodos Urlaub machen?
Egal bei welchem Schadenereignis merken wir, dass Menschen zu 90 Prozent nach ihrem Gefühl entscheiden. Sie möchten einen sorgenfreien Urlaub und lassen zu, dass ihr Gefühl ihnen einen Streich spielt. Nächstes Jahr nach Rhodos zu fahren, wäre relativ sicher, weil die Waldbrandgefahr dann deutlich geringer sein wird. Aber nach solchen Ereignissen braucht es in der Regel zwei Jahre, bis die Vergesslichkeit der deutschen Urlauber einsetzt. Kurzfristig beeinflusst der Brand jetzt also die Entscheidung, langfristig eher nein.

Hinweis: Dieses Interview erschien zuerst bei Capital.de.

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