René Benko: Würden Sie diesem Mann Ihr Geld anvertrauen? – Wirtschaft

“Das Schöne ist, dass alle was wollen”, sagt René Benko in die Kamera des ORF, sein Bart ist leicht verzogen vom Schmunzeln. Es ist das Jahr 2019, Benko hat es geschafft: Hier ist er der Star. Seine Frau, Model Nathalie Benko, grinst neben ihm, um die beiden ist es laut, Prominente Österreichs drängen sich im Hintergrund. Benko fügt an: “Das war früher umgekehrt. Früher musste ich noch viel Energie aufwenden. Das geht jetzt alles leichter.”

Im Jahr 2019 ist Benko der Wunderwuzzi, dem gelingt, wovon andere nur träumen. Mit dem kleineren Karstadt hat er den großen Kaufhof übernommen und schmiedet nun in Deutschland den einen großen Warenhauskonzern: Galeria. Auch dafür lässt er sich in seinem Wiener Hotel Park Hyatt feiern. Noch ist keine Pandemie, noch keine Zinswende, die seinem Immobilien-Imperium zusetzen könnte, noch kursiert kein Bestechungsverdacht – zumindest ist gerade keiner akut -, noch hat er auch keinen Ärger mit der österreichischen Finanzaufsicht und auch nicht mit der WKStA, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, in Wien.

Gerne da, wo etwas los ist: René Benko, hier mit seiner Frau Nathalie beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel.

(Foto: Patrick Steiner/imago images/GEPA pictures)

Knapp drei Jahre später ist die Lage ganz anders. Zwar wollen immer noch viele etwas von Benko, diesmal wollen sie aber vor allem erfahren, wie der 45-Jährige seine Geschäfte macht: Geht er dabei über die Grenzen des Legalen hinaus oder reizt er “nur” die Grenzen des Machbaren aus, bisweilen über die Maßen? Vielleicht nicht rechtlich, aber moralisch?

Auch aus deutscher Sicht ist das gerade höchst relevant. Denn Benkos Firma pumpt den deutschen Steuerzahler aktuell zum dritten Mal um Millionen an. Es gehört schon Selbstbewusstsein dazu, einerseits mit einem verschachtelten Firmenkonstrukt, der Signa Holding, einen Bilanzgewinn von 2,3 Milliarden Euro einzustreichen. Und trotzdem wieder Geld vom Staat für die deutschen Kaufhäuser zu fordern. Wenn Benko damit durchkommt, summiert sich die Staatshilfe für Galeria auf 900 Millionen Euro. Nimmt man noch die gut 50 Millionen Euro “Überbrückungshilfe” für coronabedingte Umsatzeinbrüche dazu und auch das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit, dann könnte die Stütze alles in allem auf mehr als eine Milliarde Euro hochschnellen – in zwei Jahren.

Aus deutscher Sicht lautete die Frage also: Würden Sie diesem Mann (noch einmal) Ihr Geld anvertrauen?

Die bisher geflossenen Millionen zumindest scheinen mehr oder weniger verpufft zu sein. Ende 2021 schrieb Galeria tiefrote Zahlen, diesmal minus 622 Millionen Euro. Und heute steht die Kette offenbar wieder vor dem Aus, und Benko ruft wieder nach Geld, im Moment noch nicht persönlich, die Lobbyarbeit hat ein Team von Unterhändlern übernommen.

Die Gewerkschaft sagt: “Eigentum verpflichtet.”

Wer ist der Mann, dem der Steuerzahler schon wieder unter die Arme greifen soll? Benkos Image in der Bundesregierung soll, man kann das so zusammenfassen, miserabel sein. Er gilt offenbar als jemand, dem man nicht voll vertrauen kann, der Vereinbarungen allenfalls mangelhaft umsetzt und den Beweis schuldig geblieben ist, dass er Galeria mit den bisher gewährten Staatshilfen von 680 Millionen Euro tatsächlich nachhaltig stabilisiert hat. Auch die Gewerkschaft Verdi ist skeptisch: “Eigentum verpflichtet”, sagt Stefanie Nutzenberger, Mitglied des Bundesvorstands. “Die Frage ist: Können wir Herrn Benko und seine Vorstellungen zum Warenhaus der Zukunft ernst nehmen, oder war das in den letzten Jahren nur Wortgetöse zum Kauf der Unternehmen samt der vorhandenen Immobilien?”

Die Hausdurchsuchungen daheim in Österreich und ähnliche juristische Ärgernisse reichen zwar allein für eine Ablehnung des jüngsten Kreditantrags nicht aus, denn auch für Benko gilt die Unschuldsvermutung. Es ist aber Wasser auf die Mühlen all derer im Regierungsapparat, die ohnehin Zweifel an Benkos Seriosität, seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit haben.

René Benko: Bedrohliche Lage: Eine Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof in Köln. Der Warenhauskonzern ruft erneut nach Staatshilfe.

Bedrohliche Lage: Eine Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof in Köln. Der Warenhauskonzern ruft erneut nach Staatshilfe.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Dass die beteiligten Ministerien den Antrag dennoch nicht einfach rigoros ablehnen, sondern weiter prüfen und sondieren, hat damit zu tun, dass der Leumund des Kreditnehmers zwar ein wichtiges, aber nicht das einzige Entscheidungskriterium ist. Ebenso bedeutend ist etwa die Frage, ob der Kaufhauskonzern in seiner jetzigen Form eine Überlebensperspektive hat, was im Fall einer neuen Insolvenz mit den Beschäftigten passieren würde und welche Folgen eine mögliche Schließung von Kaufhäusern für die betroffenen Innenstädte hätte. Hinzu kommt die Unklarheit darüber, ob die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme bei Galeria nun der Pandemie und der Kaufzurückhaltung infolge der hohen Inflationsrate geschuldet oder doch vor allem struktureller Natur sind.

Ist das Geschäftsmodell Warenhaus am Ende?

Es stellt sich also die Frage, ob es tatsächlich so ist, dass Galeria derzeit vor allem leidet, weil allein die gestiegenen Strompreise Mehrkosten von 150 Millionen Euro verursacht haben. Sie machen den größten Teil der aktuellen Forderung von bis zu 250 Millionen Euro aus. Und ob auch noch der Lockdown-ähnliche Zustand Anfang des Jahres zur Misere beigetragen hat, als die Menschen nur mit Maske einkaufen konnten. Und ob dafür eine Hilfe von 50 bis 100 Millionen gerechtfertigt ist. Oder ob einfach das Geschäftsmodell Warenhaus am Ende ist.

Um jedoch überhaupt eine Chance auf nochmalige Hilfen zu haben, wird Benko einen erheblichen Teil der Finanzlücke mit eigenen Mitteln schließen müssen. Bisher hat der Unternehmer dem Vernehmen nach nur eine Eigenbeteiligung von 15 Prozent angeboten, die aus Sicht der Regierung viel zu gering ist. Hier müsse Benko nachbessern, heißt es, weil sich sonst die Frage stelle, warum der Steuerzahler einspringen solle, wenn sich der Eigentümer selbst kaum engagiere. So oder so: Mit einer Entscheidung bereits in den nächsten Tagen ist aus Regierungssicht derzeit nicht zu rechnen. Da mag Benko noch so sehr auf eine Genehmigung noch in der ersten Novemberhälfte drängen.

Benkos Verhandlungsgeschick ist allerdings nicht zu unterschätzen. So ist er zu dem geworden, der er heute ist: ein umstrittener, aber auch gern gesehener Investor. Wie das Kommunen spalten kann, sieht man in diesen Tagen in Stuttgart. Auch dort plant die Stadt einen Immobiliendeal mit Benko. Signa will ein Kaufhaus abreißen und dort nicht – wie vorgeschrieben – auch Wohnungen bauen, sondern ein neues Büro- und Ladenhaus. Hauptmieter soll ausgerechnet die Bundesbank sein. Die Wohnungen will Benko anderswo bauen. Ursprünglich wollte die Stadt ein Vorkaufsrecht auf das Grundstück geltend machen. Aber Benkos Team brachte eine Mehrheit im Ratsgremium – und vor allem den Oberbürgermeister – hinter sich. Und, siehe da, es klappte. Hannes Rockenbauch, Chef des Linksbündnisses im Stuttgarter Gemeinderat, ist darüber wenig erfreut. Am Ende gewinne so ein Immobilienspekulant OB Nopper als exklusiven und persönlichen Vorkämpfer, klagt er.

Das Feilschen liegt Benko

Feilschen um Sonderkonditionen, das ist sein Ding, das macht einen Deal für ihn erst richtig attraktiv. Und die Politik spielt oft mit. So hat er das immer gehandhabt, so ist er aufgestiegen aus den “einfachen Verhältnissen”, die gern zitiert werden. Der Vater Beamter, die Mutter Erzieherin. Die Schule, das war für den Innsbrucker nicht wirklich, was ihn interessierte. Er kaufte, statt Matura (Abitur) zu machen, Dachböden, sanierte und verkaufte sie. Mit 20 hatte er die erste Schilling-Million beisammen.

Bald kaufte er das Kaufhaus Tyrol in seiner Heimatstadt, erwarb mit Partnern das KaDeWe, Selfridges, das Chrysler Building und andere Prachtbauten. Heute ist er für viele Medien wahlweise “Kaufhauskönig”, “Österreichs heimlicher Kanzler” oder “Selfmade-Millionär”. Geschäftlich wie privat umgibt er sich gern mit Menschen, die im Rampenlicht stehen, wie dem Unternehmensberater Roland Berger, Hans Peter Haselsteiner, dem Gründer des Baukonzerns Strabag und einem der führenden Industriellen in Österreich, aber auch mit DJ Ötzi und dem Fußballer David Alaba. Neulich wurde er mal in einem Frankfurter Restaurant auf der Terrasse gesichtet. Rings um ihn viele Leute, auch Ingrid Hengster, Deutschland-Chefin der britischen Großbank Barclays, und er zeigte offenbar auf seinem Notebook eine Präsentation. Benko und die Banker, das war bisher eine meist vorteilhafte Beziehung, für ihn.

Doch auch da knirscht es. Nach fetten Jahren scheinen einige Investoren nun verschreckt zu sein. Vor wenigen Tagen verloren die Anleihen einer Signa-Tochter so sehr an Wert, dass es so wirkte, als stellten sich die Investoren auf einen Zahlungsausfall des Wertpapiers ein. Zuvor hatten Beamte der WKStA in Wien die Räume der Signa-Holding durchsucht. Der Grund: Verdacht auf Bestechung bei Benko beziehungsweise Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch beim früheren Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, damals einer der engsten Vertrauten von Kanzler Kurz. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Wertpapiere schon vor der Durchsuchung nachgegeben hatten. Das Ganze wirkt wie ein Krisensignal. Eines, das von der unsichereren Lage am Immobilienmarkt genährt wird, Benkos Kerngeschäft.

So stellten die Anleger Benko ein paar unbequeme Fragen, als er zwei Tage nach der Hausdurchsuchung über seine Berliner Projektentwicklungen informierte. Benko war aus Wien zugeschaltet, während die Investoren in Berlin durch seine Objekte geführt wurden. Wie fast immer gelang es Benko, Eindruck zu machen auf seine Gesprächspartner. “Er sagt ja immer, er habe noch nie danebengelegen, das hat er auch wieder gesagt: I never lost any single penny on any single investment“, sagt ein Investor, der namentlich nicht genannt werden will. “Er ist ein richtig guter Verkäufer.”

Benko-Bewunderer beschreiben ihn als einen, den man nachts um drei wecken kann und der dann aus dem Stehgreif die Quadratmeterpreise an einer bestimmten Stelle in einer x-beliebigen Großstadt in Europa auf den Cent genau nennen kann. “Ich habe selten jemanden kennengelernt, der sich so im Detail auskennt. Der arbeitet Tag und Nacht”, sagt etwa der Hotelier Christian Harisch. Es kann aber auch vorkommen, dass Benko, wenn es opportun ist, mangelnde Detailkenntnis vorgibt.

Anruf bei einem, der schon mit Benko am Tisch saß bei so einem Gala-Abend. Er bleibt lieber anonym, weil er mit Benko möglicherweise bald Geschäfte macht. “Es ist gar nicht so einfach, diese Branche zu verstehen”, sagt er. Um da erfolgreich zu sein, brauche es Charaktereigenschaften, “die vielleicht von außen schwer nachvollziehbar sind”. Verhandlungshärte, Charme, beides wird Benko bekanntermaßen nachgesagt, auch Schnelligkeit im Kopf. Wenn andere noch überlegen, würde er längst kaufen, das erzählt Benko gern. Aber zum Bestehen in der Immobilienbranche gehöre eben auch – da ist sie wieder – eine gewisse Unverfrorenheit.

So einer hat natürlich auch Neider und Feinde. Manchmal vernetzen sie sich, sammeln Informationen und verteilen sie, bisweilen auch falsche. Andere pappen Aufkleber an Laternenpfahle und Briefkästen mit dem Benko-Konterfei und zwei Wörtern: “Benko-City”. Und ist er in Städten wie Wien, Berlin und München nicht in der Tat ein Stück weit systemrelevant? Wächst die Abhängigkeit nicht mit jedem Staatskredit? Was, wenn das “Herz der Innenstädte”, als das sich Galeria inszeniert, aufhört zu schlagen? Drohen dann massenweise Arbeitslose und verödete Innenstädte? Alain Thierstein, Professor für Raumentwicklung an der TU München, sieht “kein systemisches Risiko”. Es gebe immer auch andere Investoren. “Städte machen sich damit nicht abhängig”, sagt er.

Andererseits: Benko hätte schon auch die Emotionen auf seiner Seite, und wohl auch die Gewerkschaften und die politisch Verantwortlichen, müsste er mal mit Kahlschlag drohen. Was dabei leicht übersehen werden könnte, ist, dass es immer auch um Benkos Kasse geht. Seiner Signa-Gruppe gehören viele Galeria-Kaufhäuser, und der Karstadt-Kaufhof-Warenhauskonzern zahlt für die Nutzung dieser Immobilien schöne Mieten an Signa.

Wahrheit und Lüge, Rede und Gegenrede, Glamour und Missgunst, auch das gehört zum Leben des René Benko. Bemerkenswert ist das, weil die eigentliche Währung in der Immobilienbranche nicht das Geld ist, sondern Vertrauen. Und das kann schnell weg sein. “All das funktioniert natürlich nur, solange alle immer weitermachen”, sagt ein Branchenkenner. Und solange billiges Geld ohne Ende da ist, wie zuletzt in der Niedrigzinsphase. Benkos Imperium gehört zu den Profiteuren dieser Ära: Doch spätestens seit Corona sind die Mieten unter Druck. Und jetzt steigen auch noch die Zinsen. Die Frage ist daher: Was passiert, wenn die Immobilienpreise eher fallen als steigen und zugleich in den kommenden Jahren die günstigen Kredite aus den vergangenen Jahren auslaufen und Signa Milliarden umschulden muss? Geht Benkos Geschäftsmodell dann noch auf?

Die österreichischen Finanzaufseher sollen besorgt sein, Benko könnte sich zu einem Klumpenrisiko für österreichische Banken ausgewachsen haben. Vor allem die Raiffeisen-Banken, so heißt es aus Finanzkreisen, habe ihre internen Limits für Kredite an Benko überschritten. “Höhere Zinsen müssen nun mit entsprechend höheren zukünftigen Cashflows abgedeckt werden, was nicht einfacher wird, wenn gleichzeitig wichtige Mieter straucheln”, sagt der Innsbrucker Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch. Mieter wie Galeria. Kommt die dritte Staatshilfe, sorgen die deutschen Steuerzahler insofern auch dafür, dass die Mieten an Signa weiter fließen, die Gewinne weiter sprudeln, das Finanzkonstrukt Benkos weiter funktioniert und die nächste Gala-Party gesichert ist.


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