Putin droht mit „noch härterer Antwort“

Das Wichtigste zu den schweren Angriffen auf Kiew und andere Städte:

  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft Russland Angriffe auf die Zivilbevölkerung und Energieanlagen vor.
  • Eine Reihe von Explosionen hat in Kiew und weiteren Gebieten erhebliche Schäden verursacht.
  • Teile des deutschen Konsulats in Kiew sind offenbar getroffen.
  • Russlands Präsident Putin droht, dass es eine „starke“ Antwort für den Fall weiterer ukrainischer Angriffe geben werde.
  • Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sichert Ukraine Hilfe bei Luftabwehr zu

Montag, 10. Oktober

Nach Raketenangriffen: Russland sieht „Ziel erreicht“

Das russische Verteidigungsministerium hat die massiven Raketenangriffe auf Kiew und andere ukrainische Großstädte als Erfolg bezeichnet. „Das Ziel des Schlags wurde erreicht. Alle benannten Ziele wurden getroffen“, erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Montag.

Russland hatte mehr als 80 Raketen auf Kiew und andere Städte in der Ukraine gefeuert. Die Angriffe am Montagmorgen töteten mindestens elf Menschen landesweit, mindestens 64 wurden verletzt, wie der ukrainische Zivilschutz mitteilte. Allein in Kiew kamen nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko fünf Menschen ums Leben, 52 wurden verletzt. Viele Menschen waren gerade auf dem Weg zu Arbeit.

Vor allem Objekte der Energieinfrastruktur seien getroffen worden, hieß es. Weil die Raketen teilweise auch den Luftraum der zwischen der Ukraine und Rumänien gelegenen Ex-Sowjetrepublik Moldau überflogen haben, hat das moldauische Außenministerium den russischen Botschafter einbestellt.

Von der Leyen: Putins Russland steht für Brutalität und Terror

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich entsetzt über die jüngsten russischen Angriffe auf zahlreiche Städte in der Ukraine gezeigt. „Putins Russland hat der Welt erneut gezeigt, wofür es steht: Brutalität und Terror“, schrieb die deutsche Politikerin am Montag auf Twitter. Sie wisse, dass die Ukrainer stark bleiben würden, ergänzte sie. Zudem bekräftigte von der Leyen, dass man der Ukraine so lange zur Seite stehen werde, wie dies nötig sei. „Mit allen Mitteln, die wir haben.“ Zudem drückte sie in einer Videobotschaft, die in Narwa in Estland nahe der russischen Grenze aufgezeichnet wurde, ihr Mitgefühl für die Opfer der Angriffe aus.

Baerbock: „Tun alles für schnelle Stärkung der ukrainischen Luftabwehr“

Nach den russischen Raketenangriffen auf ukrainische Großstädte hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Kiew schnelle Hilfe bei der Luftverteidigung versprochen. „Wir tun alles, um die ukrainische Luftverteidigung schnell zu verstärken“, schrieb die Grünen-Politikerin am Montag auf Twitter. Sie sprach mit Blick auf das russische Raketenfeuer von Menschen in Todesangst im Kiewer Morgenverkehr und einem Einschlagskrater neben einem Spielplatz und sagte: „Es ist niederträchtig und durch nichts zu rechtfertigen, dass Putin Großstädte und Zivilisten mit Raketen beschießt.“

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte zuvor ihre vor eineinhalb Wochen in Odessa gemachte Ankündigung bekräftigt: „In den nächsten Tagen steht das erste von vier hochmodernen Iris-T SLM Luftverteidigungssystemen zum wirksamen Schutz für die Menschen in der Ukraine bereit.“

Melnyk: „Terror-Staat Russland muss eliminiert werden“

Der von Selenskyj abberufene deutsche Diplomat Andrij Melnyk schrieb auf Twitter neben einem Appell an den Bundeskanzler Olaf Scholz – die Ukraine warte noch auf eine Reaktion Deutschlands – auch persönliche Worte. Der Lieblingsspielplatz seiner Tochter liege nach russischen Angriffen in Trümmern. Zuvor hatte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, eine Aufnahme aus Kiew geteilt und ihr bedauern über die Angriffe ausgedrückt. Zudem hieß es in dem Tweet: „Dieser Terror-Staat Russland muss eliminiert werden.“

Luftalarm in Kiew nach mehr als fünfeinhalb Stunden aufgehoben

Nach russischen Raketenangriffen ist der Luftalarm in der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach mehr als fünfeinhalb Stunden aufgehoben worden. Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur im Zentrum der Metropole berichtete am Montag, dass Menschen die Keller verließen und auf den Straßen wieder Fußgänger zu sehen seien.

Nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko wurde der Verkehr auf allen U-Bahn-Linien der Hauptstadt vorerst wieder aufgenommen. Er rief die Bewohner aber zur Vorsicht auf. „Fahren Sie heute nicht ohne Not in die Stadt“, teilte er bei Telegram mit. „Ich erinnere Sie auch daran, dass U-Bahn-Stationen auch als Schutzräume funktionieren.“

Klitschko zufolge ist die Stromversorgung nach den Angriffen teilweise auf Industriekunden und einen Teil der Haushalte in Kiew beschränkt. „Die Energieversorger unternehmen zusammen mit den Rettungsdiensten alles, um den normalen Betrieb des Stromnetzes so schnell wie möglich wiederherzustellen.“

Ukrainischen Medien zufolge soll der Luftalarm mit 5 Stunden und 37 Minuten der längste seit Kriegsbeginn am 24. Februar gewesen sein.

In den nächsten Tagen: Ukraine soll hochmodernes deutsches Luftabwehrsystem erhalten

Die Ukraine soll in Kürze das erste hochmoderne Luftverteidigungssystem aus Deutschland bekommen. Der jüngste Raketenbeschuss auf Kiew und andere Städte mache deutlich, „wie wichtig die schnelle Lieferung“ dieser Abwehrwaffen sei, erklärte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Montag. „Russlands Angriffe mit Raketen und Drohnen terrorisieren vor allem die Zivilbevölkerung.“ Das erste von insgesamt vier zugesagten Exemplaren des Luftverteidigungssystems Iris-T SLM werde nun „in den nächsten Tagen“ bereit gestellt.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte sich aber noch nicht auf einen konkreten Liefertermin festlegen. Hier sei das Ministerium „sehr zurückhaltend“, weil Waffenlieferungen auch auf dem Weg in die Ukraine abgefangen und zerstört werden könnten, sagte er. Zudem müsse noch Personal aus der Ukraine an dem System ausgebildet werden. Dieses solle „in den allernächsten Tagen und Wochen“ geschult werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das System schon Anfang Juni zugesichert. Es kann zur Abwehr von anfliegenden Raketen in einer Höhe bis zu 20 Kilometern und in einer Entfernung von bis 40 Kilometern eingesetzt werden. Scholz zufolge ist es mit dem Abwehrsystem möglich, „eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen“ zu schützen. Die Bundeswehr verfügt nicht über dieses System, Iris-T SLM wird vom deutschen Hersteller Diehl geliefert.

Putin droht mit härterer Antwort auf weiterer ukrainischer Angriffe

Für den Fall weiterer ukrainischer Angriffe auf Russland hat der russische Präsident Wladimir Putin mit einer harten Reaktion gedroht. „Wenn die Versuche terroristischer Anschläge auf unser Gebiet fortgesetzt werden, werden die Antworten Russland heftig ausfallen und in ihrem Ausmaß dem Niveau der Bedrohungen entsprechen“, sagte Putin am Montag zum Beginn der vom Fernsehen übertragenen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates. Am Samstag war die Kertsch-Brücke zur von Russland annektierten Halbinsel Krim durch eine Bombenexplosion schwer beschädigt worden.

Lukaschenko will gemeinsame Truppen mit Russland aufstellen

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat angekündigt, gemeinsam mit Russland Streitkräfte aus seinem Land in die Ukraine zu schicken. Damit würde Belarus mit in den Krieg eintreten. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP am Montag.

Selenskyj: „Wir haben es mit Terroristen zu tun“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, bei seinen Raketenangriffen auf Kiew und andere ukrainische Großstädte auf die Zivilbevölkerung und Energieanlagen zu zielen. „Wir haben es mit Terroristen zu tun“, teilte Selenskyj am Montag bei Telegram mit. „Sie wollen Panik und Chaos, sie wollen unser Energieversorgungssystem zerstören.“

Dutzende Raketen und iranische Drohnen seien auf Energieanlagen im ganzen Land abgefeuert worden, darunter auch auf Gebiete in der Westukraine, schrieb Selenskyj weiter. Das zweite Ziel seien Menschen. „Sie haben speziell eine solche Uhrzeit und solche Ziele gewählt, um so viel Schaden wie möglich anzurichten.“ Selenskyj rief die Zivilbevölkerung in seinem Land auf, in den Luftschutzräumen zu bleiben und sich an die Sicherheitsregeln zu halten.

Polizei: Fünf Tote, Zwölf Verletzte

Bei den Angriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew sind nach Angaben der Polizei mindestens fünf Menschen getötet und zwölf weitere verletzt worden. „Im Augenblick sind fünf Tote und zwölf Verletzte bekannt“, erklärte die Polizei im Online-Netzwerk Facebook. Der Großteil der Angriffe habe das Stadtzentrum Kiews getroffen.

Zuvor hatte der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, der Ukraine Vergeltung für die Explosion auf der für Russland strategisch wichtigen Krim-Brücke am Samstag angedroht. Kremlchef Wladimir Putin hatte am Sonntag von einem „Terroranschlag“ auf die Brücke gesprochen und – wie Medien in Kiew – den ukrainischen Geheimdienst SBU verantwortlich gemacht. Bestätigt hatte der SBU eine Beteiligung aber nicht.

Deutsches Konsulat in Kiew offenbar getroffen 

Die Visastelle des deutschen Konsulats in Kiew soll laut Berichten bei dem Angriff getroffen worden sein. Der ehemalige Vorsitzende der Böll-Stiftung in Kiew, Sergej Sumlenny, teilte am Montag auf Twitter mehrere Bilder, die das beschädigte Gebäude zeigen sollen. Zudem fragte er nach einer Reaktion von Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Außenministerin Annalena Baerbock und schieb: „Wollen Sie vielleicht ein paar Leopard-Panzer schicken, um die Lage vor Ort zu checken?“

Moskau drohte mehrmals, Kiew ins Visier zu nehmen

Die SBU-Zentrale liegt im Stadtzentrum in Kiew. Die Machtzentrale in Moskau hatte wiederholt gedroht, Kommandostellen in der ukrainischen Hauptstadt ins Visier zu nehmen, wenn der Beschuss russischen Gebiets nicht aufhöre. Kiew ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits mehrfach von russischen Raketen getroffen worden. Es war der schwerste Vorfall dieser Art und der erste Angriff auf die Stadt seit Monaten.

„Eine der Raketen ist beim Gruschewski-Denkmal in der Wolodymyr-Straße heruntergekommen. Die Rettungskräfte sind an der Arbeit“, teilte der Berater des Innenministeriums, Anton Geraschtschenko, mit. Die Wolodymyr-Straße liegt direkt im Zentrum Kiews.

Medwedew: „Darauf warten die Bürger Russlands“

Medwedew hatte am Sonntag gesagt: „Alle Berichte und Schlussfolgerungen sind gemacht. Russlands Antwort auf dieses Verbrechen kann nur die direkte Vernichtung der Terroristen sein.“ Er äußerte sich in einem Interview der kremlnahen Journalistin Nadana Friedrichson. „Darauf warten die Bürger Russlands“, meinte er vor einer geplanten Sitzung des Sicherheitsrats an diesem Montag, die Putin leiten wird.

Am Samstagmorgen hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Dabei wurde rund siebeneinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das für Russland strategisch und symbolisch wichtige Bauwerk schwer beschädigt. Offiziellen Angaben aus Moskau zufolge starben drei Menschen.

Präsident Selenskyj beschreibt Lage auf Telegram

Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb am Montag auf seinem Telegram-Kanal, dass es eine Reihe von Explosionen in verschiedenen Regionen gegeben hätte.

Diese Schäden seien laut Selenskyj zu beklagen

  • Kiew und Oblast Kiew
    ▪ Sowohl Objekte des Bezirks Shevchenkiv als auch Solomyan sind von dem Angriff betroffen.
    ▪ Mehrere Angriffe auf kritische Infrastruktureinrichtungen der Hauptstadt.
    ▪ Fußgänger- und Fahrradbrücke am Volodymyr Uzvoz.
    ▪ Überreste von Raketen, die in Wohngebäude gefallen sind.
  • Region Lwiw
    ▪ Schäden in Energieinfrastrukturanlagen der Region Lwiw.
    ▪ Strom- und Mobilfunkausfälle im Stadtgebiet.
  • Gebiet Charkiw
    ▪ Angriff auf ein Energieinfrastrukturobjekt.
  • Gebietsweise Stromausfälle und keine Wasserversorgung.
  • Oblast Schytomyr
    ▪ Angriff auf ein Energieinfrastrukturobjekt: Gebietsweise Stromausfälle.
  • Gebiet Dnipropetrowsk
    ▪ Massiver Raketenangriff auf die Region. Besonders betroffen sind kritische Infrastruktureinrichtungen und Wohngebäude: Es gibt Tote und Verletzte.
  • Gebiet Ternopil, Gebiet Transkarpatien, Gebiet Iwano-Frankiwsk, Gebiet Chmelnyzkyj, Gebiet Sumy, Gebiet Odessa, Gebiet Poltawa
    ▪ Massenangriff mit Raketen. Luftverteidigung aktiv.

Nach Angaben von Präsident Selenskyj bleibe die Gefahr von Raketenangriffen bestehen.

Aufnahmen zeigen Rauchsäulen und Zerstörung

Aufnahmen in den sozialen Netzwerken zeigen schwarze Rauchwolken über der Hauptstadt der Ukraine. Die Nachrichtenagentur BNO twitterte ein Video, das zwei Rauchsäulen zeigt. Der Korrespondent der BBC, Paul Adams, spricht von „mindestens zwei großen Explosionen“. Weiter sei Kiew das erste Mal binnen Monaten getroffen wurden. Es handele sich um eine „signifikante Eskalation“.

Weitere Videos auf Twitter sollen das Zentrum von Kiew zeigen. Dort habe sich mindestens eine Explosion ereignet.

Der Nutzer Ruslan Skokliev hat ein Bild hochgeladen, welches angeblich am Montagmorgen aufgenommen wurde. Es zeigt brennende Autowracks. Weiter berichtet er von einem Raketenangriff. Menschen seien ums Leben gekommen und es gebe Verletzte. 


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