OB Josef kritisiert Roger-Waters-Konzert in der Festhalle scharf

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Von: Sebastian Richter, Thomas Stillbauer, Niklas Hecht

Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen. Nach einem Konzert in Berlin ermittelt die Polizei gegen ihn. Am Sonntag tritt er in Frankfurt auf.

+++ 20.19 Uhr: Der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sagte: „Judenhass ist überall in dieser Stadt zu verurteilen. Dass er sich ausgerechnet an diesem Ort, der Festhalle, wiederholt, ist unerträglich.“ Salomon Korn, der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde, habe einmal gesagt, Frankfurt sei die beste Stadt für Juden, zitierte Josef. „Unsere Zusage ist: So soll es auch in Zukunft sein“, sagte der OB unter dem Jubel der Menschenmenge. Er versprach auch dem ukrainischen Generalkonsul Vadim Kostjuk Unterstützung: „Die Mehrheit in unserer Stadt ist auf der Seite der Ukraine.“ Kostjuk bedankte sich für die Solidarität. Er bezeichnete Roger Waters als „Putinversteher und Ukrainehasser“. 

Zuvor hatte Salomon Korn verkündet: „Wir lassen uns nicht unterkriegen. Wenn Roger Waters spricht, sind wir lauter.“ Auch wenn der Musiker auftreten dürfe, sei er doch der Verlierer: „Er wurde enttarnt als israelhassender Antisemit.“ Antisemitismus sei keine Meinung und keine Kunst, sagte Korn. Er verlas Grüße von Waters’ Ex-Bandkollege David Gilmour und seiner Frau Polly Samson: Sie wünschten, sie wären in Frankfurt, um ebenfalls gegen Waters zu demonstrieren. „Leider bist du antisemitisch bis in deinen verfaulten Kern“, zitierte Korn eine Botschaft der beiden an Waters. Und an den Musiker in der Festhalle gerichtet sagte Korn: „Wish you were not here.“ Ich wünschte, du wärst nicht hier – ein abgewandeltes Pink-Floyd-Zitat.  

Hessischer Antisemitismusbeauftragte Becker: „Es ist ein schlimmer Tag für unser Land“

Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker betonte: „Es ist ein schlimmer Tag für unser Land“, so wie es zuvor etwa in Berlin und München ebenfalls schlimme Tage durch Auftritte von Waters gewesen seien. „Wenn es möglich ist, dass ein solcher Künstler hier auftritt, dann haben wir Lücken in unserem Recht“, sagte Becker. Es sei „eine Schande, dass heute die Würde von Jüdinnen und Juden mit Füßen getreten wird“.     

Der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde, Julian-Chaim Soussan, sagte: „Schweigen bedeutet Zustimmung.“ Es sei gut, dass so viele Menschen gekommen seien, um „dem Hass entgegenzutreten“. Er sprach gemeinsam mit dem katholischen Stadtdekan Johannes zu Eltz und dem evangelischen Prodekan Holger Kamlah von der Bühne im Außenbereich vor der Festhalle.   

Auf der anderen Seite des Messeturms, vor dem Eingang zur Festhalle, sammelten sich unterdessen die Fans des britischen Musikers. „Kritik an Israels Besatzungs- und Landraubpolitik ist kein Antisemitismus“ hatte ein Mann auf sein Schild geschrieben. Ein anderer Fan sagte auf die Frage, ob er ruhigen Gewissens ins Konzert gehe: „Selbstverständlich – ich habe mein halbes Leben auf diese Chance gewartet.“ Und zu den Vorwürfen gegen Waters: „Er ist doch kein Judenhasser. Er kritisiert Politik, und das ist doch wohl noch erlaubt.“

Mike Josef (SPD), Oberbürgermeister von Frankfurt, spricht auf der Veranstaltung „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“. Die Jüdische Gemeinde demonstriert unter dem Motto „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“ gemeinsam mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen das gleichzeitig stattfindende Konzert des Musikers Roger Waters in der Frankfurter Festhalle. Waters wird eine antisemitische Haltung vorgeworfen. © Andreas Arnold/dpa

„We don’t need your education”: Hunderte demonstrieren vor Roger-Waters-Konzert

+++ 17.42 Uhr: Mehrere Hundert Menschen haben am Sonntagnachmittag auf dem Platz vor der Frankfurter Festhalle gegen den Auftritt des Musikers Roger Waters protestiert. Mit Israel-Flaggen und Schildern brachten sie ihre Meinung zum Ausdruck: „Israel, wir sind an deiner Seite“ stand darauf und „Roger Waters, we don’t need your education“ in Anspielung auf das Lied von Pink Floyd, Waters’ früherer Band, „Another Brick In The Wall“. Darin heißt es: „We don’t need no education“.

„Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“ war das Motto der Protestveranstaltung, zu der die Frankfurter Jüdische Gemeinde und weitere Organisationen eingeladen hatten. „Wir wollen heute ein Zeichen setzen“, sagte Micky Fuhrmann von der Jüdischen Gemeinde. Waters habe bewusst und vorsätzlich NS-Symbolik verwendet und unter anderem das Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank unter dem NS-Terror mit dem Los einer jungen Palästinenserin verglichen, die im Westjordanland zu Tode gekommen war. Dies sei eine Entwürdigung der Opfer, sagte Fuhrmann.

Dass Waters in der Festhalle auftrete, an dem Ort, an dem im November 1938 Tausende Juden zusammengetrieben und deportiert worden waren, sei „für Frankfurt absolut inakzeptabel“, sagte sie unter dem Beifall der Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Hunderte demonstrieren vor Roger-Waters-Konzert in Frankfurt

Dieter Wesp vom Fritz-Bauer-Institut beschrieb, was sich an jenem 9. November 1938 und in den Tagen danach in Frankfurt zugetragen hatte, wie ab 5 Uhr morgens Synagogen brannten, ab 6 Uhr Geschäfte und Wohnungen von Frankfurter Juden überfallen wurden, wie sich entsetzliche Grausamkeiten daran anschlossen. „Die Stadt muss prüfen, was hier veranstaltet werden kann“, sagte Wesp, „Antisemitismus in der Festhalle gehört nicht dazu.“

Anschließend trugen Schülerinnen, Schüler und junge Erwachsene die Namen der damals aus der Festhalle deportieren jüdischen Männer vor. Jennifer Marställer, die Direktorin der Jüdischen Gemeinde, las aus den Erinnerungen des Rechtsanwalts Julius Meyer über die Geschehnisse in der Festhalle 1938.

Das Motto „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“ gelte nicht nur an diesem 28. Mai, sondern „auch an jedem anderen Tag“, sagte Micky Fuhrmann unter dem Beifall der Versammelten. Später sollten die Frankfurter Stadtdekane und Rabbiner den religiösen Teil der Veranstaltung leiten, ehe politische Reden vorgesehen waren.

Währenddessen lief vor dem Eingang der Festhalle eine Kundgebung der Befürworter des Konzerts. „Welcome to Germany“ stand dort auf Spruchbändern für den britischen Musiker zu lesen und „Thank you, Roger“.

Ein Mann mit Kippa und einer israelischen Flagge in Regenbogenfarben nimmt an der Demonstration unter dem Motto „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“ der Jüdischen Gemeinde und eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses gegen das gleichzeitig stattfindende Konzert des Musikers Roger Waters in der Frankfurter Festhalle teil. Waters wird eine antisemitische Haltung vorgeworfen.
Ein Mann mit Kippa und einer israelischen Flagge in Regenbogenfarben nimmt an der Demonstration unter dem Motto „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“ der Jüdischen Gemeinde und eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses gegen das gleichzeitig stattfindende Konzert des Musikers Roger Waters in der Frankfurter Festhalle teil. Waters wird eine antisemitische Haltung vorgeworfen. © Andreas Arnold/dpa

Umstrittenes Roger-Waters-Konzert in Frankfurt: Prominenz bei Kundgebung erwartet

Update vom Sonntag, 28. Mai, 13.41 Uhr: Am heutigen Abend gibt Pink Floyd-Mitbegründer Roger Waters das umstrittene Konzert in der Frankfurter Festhalle. Dass gerade die Festhalle für den Auftritt von Waters ausgesucht wurde, sorgt für weitere Kritik: Denn die Festhalle war 1938 zentraler Ort für die Deportation tausender Jüdinnen und Juden aus Frankfurt. Während die FDP versucht, den Auftritt noch in letzter Sekunde zu verhindern, formieren sich in Frankfurt breite Bündnisse zum Protest gegen den Musiker.

Um 16 Uhr findet eine Gedenkzeremonie statt, bei der die von der Festhalle deportierten Juden der Reichspogromnacht von Schülerinnen und Schülern und jungen Erwachsenen verlesen werden. Zwei Stunden später, also pünktlich zum Konzerteinlass um 18 Uhr startet die Kundgebung „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“. Dabei sprechen der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), der hessische Landesbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitsmus, Uwe Becker, der Vorstandsvorsitzende der jüdischen Gemeinde, Salomon Korn, sowie der ukrainische Generalkonsul Vadim Kostiuk. Das Konzert selbst soll gegen 20 Uhr beginnen.

Frankfurter FDP will Roger-Waters-Konzert stoppen – Kundgebung angekündigt

Update vom Samstag, 27. Mai, 20.28 Uhr: Die Lage vor dem umstrittenen Konzert des Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters am Sonntag (28. Mai) in der Frankfurter Festhalle spitzt sich weiter zu. Nachdem zuletzt bekannt geworden war, dass die Berliner Polizei wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den Musiker ermittelt, forderte nun die Frankfurter FDP die Polizei und das städtische Ordnungsamt dazu auf, den Auftritt von Waters doch noch zu stoppen. In einem öffentlichen Schreiben bezeichneten die Freien Demokraten das geplante Konzert des Pink-Floyd-Mitbegründers als eine „unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit“.

Vertreter aus Politik, Religion und Zivilgesellschaft wollen am Pfingstsonntag ab 16 Uhr derweil mit einer Gedenkveranstaltung und Kundgebung gegen den Auftritt von Waters in Frankfurt demonstrieren. Das Bündnis, dem sich auch der Frankfurter Magistrat angeschlossen habe, wolle ein starkes Zeichen gegen Judenhass setzen und für ein Frankfurt ohne Hass und Hetze werben, teilten die Veranstalter zuvor mit. Zu der Kundgebung werden der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), der hessische Antisemitismusbeauftragte, Uwe Becker (CDU), sowie der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Salomon Korn, und der ukrainische Generalkonsul Vadim Kostiuk erwartet.

Nach Berlin-Konzert ermittelt Polizei gegen Roger Waters – Sonntag tritt er in Frankfurt auf

Erstmeldung vom Samstag, 27. Mai, 12.01 Uhr: Berlin – Das umstrittene Konzert von Roger Waters in Frankfurt steht an diesem Sonntag an. Waters wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen. Trotz Klagen und Beschwerden wird der Pink-Floyd-Mitbegründer auftreten, ein Gericht wies die Vorwürfe unter Berufung auf die Kunstfreiheit ab.

Der Auftritt von Waters wurde auch beim Paulskirchenfest diskutiert. Ebenso wirft der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker dem Musiker eine Relativierung des Holocausts vor und fordert Auflagen für das Konzert. In Frankfurt begleiten große Proteste das Konzert, das Teil seiner „This is not a Drill“-Tournee ist.

Vor Konzert in Frankfurt: Ermittlungen gegen Roger Waters

Vorangegangene Konzerte dieser Tour haben bereits für Aufsehen gesorgt. Wegen des Verdachts der Volksverhetzung hat die Berliner Polizei am Donnerstag (25. Mai) Ermittlungen gegen Roger Waters aufgenommen. Hintergrund sei die Bühnenbekleidung des Musikers, sagte ein Sprecher am Freitag. Konkret gehe es um seine Konzerte am 17. und 18. Mai in der Mercedes-Benz Arena in Berlin. Die Polizei habe die Ermittlungen nach Hinweisen aus der Bevölkerung aufgenommen.

Auf Videos in den sozialen Medien ist Waters in einem langen schwarzen Mantel mit Schulterklappen und einer roten Armbinde zu sehen, auf der ein weißer Kreis mit einem Symbol abgebildet ist. Zwei in Schwarz gekleidete Männer überreichen ihm das Imitat einer Schusswaffe, mit dem er anschließend um sich schießt. „Diese Zusammenstellung der Bekleidung sah einer SS-Uniform sehr ähnlich“, sagte der Sprecher. Bei dem Symbol habe es sich allerdings nicht um ein Hakenkreuz gehandelt.

Roger Waters bei einem Konzert der „This is not a Drill“-Tournee. Am Sonntag kommt der Pink-Floyd-Mitgründer nach Frankfurt.
Roger Waters bei einem Konzert der „This is not a Drill“-Tournee. Am Sonntag kommt der Pink-Floyd-Mitgründer nach Frankfurt. © Angelika Warmuth/dpa

Anfangsverdacht wegen Volksverhetzung

„Der Anfangsverdacht liegt vor, da die Kleidung dazu geeignet ist, die Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu verletzen, den Nationalismus zu verherrlichen und den öffentlichen Frieden damit zu stören“, sagte der Behördensprecher.

Es ist nicht das erste Mal, dass Waters mit einer solchen Bekleidung in Erscheinung trat. In einem vor acht Jahren hochgeladenen Musikvideo trägt Rogers einen identisch aussehenden Mantel mit Schulterklappen und Binde. Das Musikstück, zu dem Waters den Mantel damals wie heute trug, heißt „In the Flesh“ und ist Teil der Rockoper „The Wall“. Waters hat stets betont, „The Wall“ sei ein Statement gegen Krieg und Faschismus. Der Protagonist Pink, im Film gespielt von Bob Geldof, hält sich an dieser Stelle der Handlung unter Drogen für einen faschistischen Anführer.

Antisemitismusvorwürfe begleiten Waters seit einiger Zeit

Waters wird unter anderem für seine Nähe zur BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) kritisiert, die zum umfassenden Boykott des Staates Israel aufruft. Bei Konzerten ließ der Sänger zudem Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Bei seinen bisherigen Deutschland-Konzerten gab es das Schwein noch immer – aber ohne den Davidstern.

Waters wies zuletzt über sein Management Vorwürfe von sich, antisemitisch zu sein, und gab an, Antisemitismus wie alle Formen von Rassismus zu verurteilen. „Meine allgemein bekannten Ansichten beziehen sich ausschließlich auf die Politik und die Handlungen der israelischen Regierung und nicht auf die Menschen in Israel“, sagte er demnach. (spr/nhe/dpa)

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