Münchner Bands beim Outreach Festival in Schwaz – München

Eines der ungewöhnlichsten Jazz-Festivals Europas findet in Schwaz statt, gerade einmal 118 Autokilometer von München entfernt, also näher als Regensburg oder Nürnberg. Der Trompeter Franz Hackl gründete – sozusagen von New York aus, wo er seinen Hauptwohnsitz hat – das “Outreach Festival” vor über 30 Jahren in seiner Tiroler Heimatstadt, der “Silberstadt”, die im 15. Jahrhundert die zweitgrößte des Habsburgerreichs war. Und er führt es – seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Bassisten Clemens Rofner – in einem interdisziplinären, genreübergreifenden und ganzheitlichen Geist.

Dazu gehört neben dem dreitägigen Konzertblock im exzellenten Konzertsaal des SZentrum die “Outreach-Lahnbach Academy”, ein großangelegtes mehrwöchiges Unterrichtsprogramm mit internationalem Lehrkörper für alle Altersgruppen und Levels, das im restlichen Jahr auch online zur Verfügung steht. Stets gibt es auch einen “artist in residence” aus der bildenden Kunst, diesmal der Tiroler Konzeptkünstler Ernst Caramelle, der lange in Karlsruhe, an der Frankfurter Städelschule und in New York lehrte. Auch die lokale Umgebung und das Gastronomische werden ins Rahmenprogramm einbezogen.

Seit langem stehen die Konzerte außerdem unter einem Motto. “Icons Of Unorthodoxy: Unified By Diversity – Unexpected Kindness” lautet es heuer, vielleicht etwas überfrachtet. Doch darum soll es gehen: Um eine Reise in die Welt der Unorthodoxie und der musikalischen Vielfalt. Um empathische Rebellion gegen vereinfachte, falsche Botschaften. Denn, so Hackl: “Der Versuch, in die Masse zu passen, ist ein Potenzial-Vernichter.”

Welche Potenziale der Jazz-Spirit freisetzen kann, demonstrieren auch heuer wieder bestens die Konzerte in einer Anordnung, die sich während Corona aus der Not ergeben, aber als innovatives Format bewährt hat: Die Tiroler Szene wird um 18 Uhr bei Schaufensterkonzerten in der Trompetenmanufaktur von Hackl und seinem Vater präsentiert, bevor es ab 20 Uhr gegenüber auf der anderen Inn-Seite im SZentrum international zur Sache geht. Die drei Ensembles jedes Abends stehen dabei gleichzeitig auf der Bühne und spielen abwechselnd drei kurze Sets, was überraschende Bögen und neue musikalische Bezüge ergibt.

Die britische Trompeterin Laura Jurd ist der heimliche Star in Schwaz.

(Foto: Oliver Hochkeppel)

Natürlich ist die vitale österreichische Szene präsent, mit Anja Om Plus, dem Debütprojekt der Wiener Sängerin Anja Obermeier, mit dem nagelneuen Sketchbook Quartet des Holzbläsers Leonhard Skorupa und mit dem inzwischen bereits kultisch verehrten Wiener Jazzrock-Trio Edi Nulz. Schon beim Quartett des Posaunisten, Labelbetreibers und Inntöne-Veranstalters Paul Zauner – einst ein Kommilitone von Hackl – kommen aber die amerikanischen Verbindungen ins Spiel. Stargast ist da die Schlagzeug-Ikone Victor Jones, der einst Bandmitglied von Stan Getz, James Moody oder Michel Petrucciani war.

Noch stärker wird die Stimme des Jazz-Mutterlands beim traditionellen Auftritt von Hackls Outreach Orchestra, in dem unter anderem seine New Yorker Freunde John Clark, Dave Taylor und Gene Pritsker sitzen. Und der seit Jahrzehnten in New York lebende Schweizer Komponist, Saxophonist und Flötist Daniel Schnyder wird mit dem Worlds Beyond Orchestra sein Werk “The Jazz Symphony” uraufführen.

Auch einen europäischen Rising Star hat das Festival anzubieten. Die Londoner Trompeterin Laura Jurd, bekannt durch ihre Band Dinosaur und das Duo mit ihrem Mann Elliot Galvin (gerade beim Münchner Jazz Sommer zu sehen), stellt ihr neues Big Friendly Quartet vor.

Jazz-Festival: Werden sicher auch in Österreich viel Spaß haben: Luca Zambito (zweiter von links) und sein Quartett.

Werden sicher auch in Österreich viel Spaß haben: Luca Zambito (zweiter von links) und sein Quartett.

(Foto: Christin Büttner)

Doch auch die Münchner Szene ist so stark vertreten wie nie. Da ist zum einen LBT, das Leo Betzl Trio, dessen Mitglieder, neben Betzl der Bassist Maximilian Hirning und der Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber, lange zum Stammpersonal der Jazzrausch Bigband gehörten. Und das wie diese durch das kühne Konzept der akustischen Adaption von Techno-Musik großen Erfolg hat. Damit, genauer mit dem Programm des gerade auf Vinyl erschienenen neuen Albums “House”, werden sie nun auch Schwaz rocken.

Aus dieser Generation – und bis heute in der Jazzrausch Bigband spielend – stammt auch der Saxofonist Moritz Stahl, der hier freilich die bereits Nachdrängenden begleitet. Nämlich im Quartett des Pianisten Luca Zambito, der wie Bassist Nils Kugelmann und Schlagzeuger Valentin Renner gerade zu den Shooting Stars der deutschen Szene gehört. Ob man also zur Unterstützung der eigenen Leute zum Outreach fährt oder wegen der aufregenden anderen Angebote, den kurzen Trip ist es so oder so wert.

31. Outreach Festival, Do. bis Sa., 3. bis 5. August, SZentrum Schwaz, www.outreachmusic.org

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