München: Tipps für die Zeit in Quarantäne – München

Die Erkenntnis traf Rebecca Müller (Name geändert) wie ein Schlag. Als sie gegen 4 Uhr morgens schweißgebadet aus einer Art Fiebertraum erwachte, war ihr sofort klar: Das ist Corona. Kurz zuvor war sie aus dem Urlaub in Italien nach München zurückgekehrt, nun fühlte sie sich plötzlich krank. “Ich muss sofort einen Test machen”, schoss es ihr noch im Bett durch den Kopf, wie sie heute erzählt. Der erste Selbsttest nach dem Aufstehen zeigte dann nur einen Strich: negativ. Auch ein professioneller Schnelltest am Nachmittag konnte das Virus nicht erkennen – obwohl nun auch Halskratzen, Kopfschmerzen und ein trockener Husten einsetzten.

War es doch nur eine normale Erkältung? Die Symptome verschlimmerten sich in den nächsten Tagen, ihre Verabredungen sagte sie ab. Schließlich ein dritter Test – diesmal war er positiv. Ein PCR-Test gab Klarheit: Rebecca Müller hatte sich trotz zweifacher Impfung mit dem Coronavirus infiziert. Das Jahr begann für sie in Isolation.

“Die Quarantäne traf mich völlig unvorbereitet”, sagt die 27-Jährige. Ihren Hausarzt konnte sie nicht erreichen, weil die Praxis Ferien machte, Lebensmittelvorräte hatte sie nicht eingekauft und nun stand auch noch ein Wochenende bevor. “Zum Glück konnte mich mein Freund mit Einkäufen aus dem Supermarkt und der Apotheke versorgen. Ich weiß nicht, wie ich die Quarantänezeit sonst überstanden hätte.”

Quarantäne – und jetzt? Vor dieser Frage werden in den kommenden Wochen immer mehr Menschen in München stehen. Mit der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante nimmt auch die Zahl der Menschen zu, die sich in häusliche Isolierung begeben müssen, wie das im Behördendeutsch heißt. Worauf sollte man in dieser Zeit achten und welches Wissen hilft, die Zeit besser durchzustehen?

(Foto: imago; Collage SZ)

Mit einem Arzt sprechen

Wer positiv auf das Coronavirus getestet wurde und Krankheitssymptome hat, sollte seinen Hausarzt anrufen, rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ist die Praxis nicht erreichbar, können sich Betroffene unter der Telefonnummer 116117 jederzeit an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. In Notfällen sollten Patienten nicht zögern, die Notrufnummer 112 zu wählen.

Zu Hause bleiben

“Sie sind Corona-positiv. Gehen Sie in Quarantäne bis 14 Tage nach Test!” Diese karge SMS vom Münchner Gesundheitsamt ploppte einen Tag nach dem positiven PCR-Testergebnis auf Rebecca Müllers Handy auf. “Während dieser Zeit darf die Wohnung nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes verlassen werden”, informierte die Behörde unter einem weiterführenden Link. Selbst der Gang zum Briefkasten ist demnach tabu. Ihre Wohnung hatte Müller da schon länger nicht verlassen, weil sie niemanden anstecken wollte und sich sowieso zu schwach fühlte, wie sie sagt. Mittlerweile ist die Quarantänezeit auf zehn Tage verkürzt worden. Wer keine Symptome hat, kann sich schon nach sieben Tagen freitesten.

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Wer kauft ein?

Wer mit einer Infektion zu Hause festsitzt, hat in München mehrere Möglichkeiten, sich mit dem Nötigsten versorgen zu lassen. Man kann wie Rebecca Müller den Partner oder Freunde aktivieren – nach der Änderung der Quarantäneregeln müssen geboosterte Kontaktpersonen nun grundsätzlich nicht mehr in Quarantäne, was die Unterstützung von Infizierten leichter macht. Wer dennoch niemanden im Umfeld findet, kann einen der vielen Lieferdienste in Anspruch nehmen, die sich in einer Großstadt wie München tummeln. Unternehmen wie Gorillas, Rewe oder Amazon Fresh liefern innerhalb kurzer Zeit Lebensmittel, die man sonst im Supermarkt um die Ecke bekommt. Die meisten Dienste lassen sich online bequem per PayPal bezahlen, so ist eine kontaktlose Lieferung möglich. Doch aufgepasst: Manche Pizzaboten nehmen nur Bargeld an, weshalb es nicht verkehrt ist, immer ein paar Scheine vorrätig zu haben.

Wer umstrittene Dienste wie Gorillas nicht unterstützen und sich darüber hinaus gesund ernähren will, kann online zum Beispiel eine Ökokiste mit frischem Biogemüse nach Hause ordern. Unkomplizierte Hilfe bei Besorgungen versprechen auch das Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de, die Digitalplattform quarantaenehelden.org oder der Verein “Münchner Freiwillige”.

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Nicht hamstern, aber vorsorgen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, schon vor einer möglichen Quarantäne “eine Bestandsaufnahme der Vorräte zuhause und einen Speiseplan” zu machen und bei Bedarf haltbare Lebensmittel einzukaufen. Gerade mit Blick auf die sich aufbauende Omikron-Welle kann es nicht schaden, beim nächsten Supermarktbesuch die Reserven an Mehl, Nudeln, Reis, Kartoffeln, haltbarer Milch und Müsli aufzufüllen. Neben frischen Äpfeln und Möhren dürfen auch tiefgefrorenes Obst und Gemüse im Korb landen. “Tiefkühlobst- und -gemüse kann über längere Zeiträume gelagert werden und hat oft einen mit frischen Lebensmitteln vergleichbaren Nährwert”, schreibt die WHO. Auch den Bestand an Hygieneartikeln wie Toilettenpapier kann man bei der Gelegenheit überprüfen. Aber Vorsicht vor Hamsterreflexen.

Was kommt auf den Tisch?

Hätte ihr Freund sie nicht mit Essen versorgt, wäre sie nach dem Ausbruch der Krankheit wohl gezwungen gewesen, sich von Pizza, Burgern oder anderen Gerichten vom Lieferservice zu ernähren, sagt Rebecca Müller. Erst an Tag vier habe sie sich fit genug gefühlt, um wenigstens kleinere Speisen wieder selbst zuzubereiten. Müllers Grundnahrungsmittel während der Infektion war ohnehin vor allem flüssig: Tee. Und weil es ganz schön fad werden kann, tagein, tagaus dieselbe Sorte zu trinken, rät Müller, sich einen bunten Mix an fruchtigen Tees und Kräutermischungen anzulegen, die immerhin etwas Abwechslung in den eintönigen Quarantänealltag bringen. Wer sich gesund genug fühlt, kann die Zwangspause auch nutzen, um in der Küche endlich mal all die Rezepte auszuprobieren, für die sonst die Zeit fehlt.

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Das bisschen Haushalt

Wer sich zehn Tage nur in der Wohnung aufhält, produziert überraschend viel Müll, Wäsche, schmutziges Geschirr und Staub. Im besten Fall gibt es gesunde Mitbewohner, die hier und da mal staubsaugen, abspülen und den Müll rausbringen. Wer alleine lebt, kann auf eines der oben beschriebenen Helfernetzwerke im Internet zurückgreifen oder freundlich bei Nachbarn oder im Freundeskreis nachfragen. Wenigstens der Biomüll sollte regelmäßig entsorgt werden, um üble Gerüche zu vermeiden.

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Was in die Heimapotheke gehört

Zu einem quarantänefesten Zuhause gehört auch eine medizinische Grundausstattung. Was kommt rein in die Heimapotheke? “Bei einer häuslichen Quarantäne wegen einer Covid-Infektion sollten Schmerz-, Husten- und fiebersenkende Mittel im häuslichen Arzneimittelvorrat vorhanden sein”, teilt Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbandes mit. Bei der Auswahl der Medikamente gebe es Unterschiede. “Nicht jeder Wirkstoff ist für jeden Patienten gleich geeignet. Im Vorfeld ist unbedingt eine ausführliche Beratung in der Apotheke zu empfehlen, welcher Wirkstoff für den jeweiligen Patienten ratsam ist”, so Metz. Auch Desinfektionsmittel, Masken, Einmalhandschuhe und ein Fieberthermometer sollten zur Ausstattung jedes Apothekenkoffers gehören.

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Chaosfreie Quarantäne mit Kind

Die Quarantäne kann vor allem für Familien mit Kindern eine große Herausforderung sein. Während der Corona-Pandemie hat der Bund deshalb einen zusätzlichen Anspruch auf Kinderkrankentage für berufstätige Eltern geschaffen, damit sie den Nachwuchs im Falle einer Infektion, Quarantäne oder Schulschließung zu Hause betreuen können. Jedem Elternteil stehen laut Bundesfamilienministerium 30 Kinderkrankentage pro Kind unter zwölf Jahren zur Verfügung, Alleinerziehende mit mehreren Kindern dürfen bis zu 130 Arbeitstage frei nehmen. Beantragt wird das Kinderkrankengeld direkt bei der Krankenkasse. Die Leistung kann allerdings nur genehmigt werden, wenn keine andere Person im Haushalt das Kind beaufsichtigen kann.

Was tun, damit zu Hause kein Chaos ausbricht? Psychologen raten Familien in Quarantäne dazu, mit den Kindern eine feste Tagesstruktur einzuplanen. “Legen Sie Zeiten fest, wann sie aufstehen, spielen, lernen, essen, nach draußen und schlafen gehen”, empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Es sei sinnvoll, den Nachwuchs in die Haushaltsarbeit einzubinden, gemeinsam zu kochen, die Wohnung aufzuräumen oder im Garten zu arbeiten. Zum Zeitvertreib lohne es sich auch, “fast Vergessenes aus der Garage” zu holen, zum Beispiel die Tischtennisplatte, den Kicker, Bastelmaterialien oder Spiele. Gerade Bewegung ist sehr wichtig, sie kann (nicht nur) in der Enge einer Quarantäne befreiend wirken. “Als ich mich langsam besser fühlte, habe ich mit einfachen Yoga-Übungen im Wohnzimmer angefangen und mich allmählich gesteigert”, sagt etwa Rebecca Müller. “Das hat gut getan.” Manch einer soll vor lauter Langeweile sogar eine Slackline durch die Wohnung gespannt haben, und darauf durch das Wohnzimmer balanciert sein.

Schnell eine Bibliothekskarte besorgen

Serien schauen, Videochats mit Freunden, Bücher lesen, ein Fotoalbum beginnen, Tagebuch schreiben – wie man die Zeit in Quarantäne verbringt, hängt natürlich von den Vorlieben und der Motivation des oder der Einzelnen ab. Die Möglichkeiten – analog wie digital – sind unerschöpflich. Warum nicht eine neue Sprache kennenlernen, fragt Klaus Dreyer, Pressesprecher der Münchner Stadtbibliothek am Telefon. Die Einrichtung veranstaltet regelmäßig virtuelle Sprachcafés, in denen die Teilnehmenden sich online treffen und kostenlos miteinander Türkisch, Spanisch oder Chinesisch sprechen können. Oder man widmet sich endlich mal dem spannenden Roman, den man schon seit Ewigkeiten lesen will. “Ich würde allen Medien-Interessierten raten, sich noch in gesundem Zustand eine Bibliothekskarte zu besorgen, weil man mit dieser alles ausleihen kann. Geht ganz einfach, allerdings muss man in eine Bibliothek kommen”, so Dreyer. Für einen Zugang zum digitalen Angebot könne man sich auch von zu Hause anmelden.

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Im Notfall Ansprechpartner haben

Die Tage in Isolation können mürbe machen. Unangenehme Gedanken schwappen ins Bewusstsein, im Internet finden sich Tausende Artikel über die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion, und irgendwann fällt einem trotz aller Ablenkung die Decke auf den Kopf. “Ich wusste irgendwann nicht mehr, welcher Wochentag gerade war”, sagt Rebecca Müller. “Ich konnte ja nicht einmal spazieren gehen.” Ab und zu setzte sie sich mit Mantel und Decke raus auf ihren Stadtbalkon, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Dennoch, sagt Müller heute, sei die Quarantäne für sie keine große Belastung gewesen.

Es gibt jedoch Fälle, in denen die Einsamkeit zur psychischen Belastung werden kann, weil die Krankheit auf viele andere Probleme trifft und den Betroffenen in eine persönliche Krise stürzt. In solchen Situationen kann es helfen, jemanden zu haben, der zuhört. Wer sich einsam oder überfordert fühlt, kann zum Beispiel die kostenlose Nummer der Telefonseelsorge 0800/1110111 anrufen und mit ehrenamtlichen Experten anonym über seine Sorgen sprechen. Speziell für ältere Menschen hat der Münchner Verein Retla zu Beginn der Corona-Krise eine Initiative namens “Telefon-Engel” gestartet, bei der sich durch die Pandemie eingeschränkte Seniorinnen und Senioren melden und mit Freiwilligen über alles sprechen können, was sie bewegt. Die Nummer lautet 089/18910026.

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Wer geht mit Waldi Gassi?

Rund 40 000 Hunde gibt es in München, die Zahl der Tiere ist seit Beginn der Corona-Krise stark gestiegen. Doch was passiert mit Waldi, wenn sein Herrchen plötzlich nicht mehr vor die Tür darf – muss dann auch das Haustier zu Hause bleiben? Natürlich nicht, weiß Evelyne Menges, Rechtsanwältin, Stadträtin und Gründerin der Tierrettung München. “Die meisten Hundehalter sind so gut vernetzt, dass sie viele andere kennen, die im Fall der Quarantäne mit ihrem Hund Gassi gehen würden”, sagt Menges. Selbst wer niemanden kennt, findet Hilfe: Menges’ Verein hat schon im Frühjahr 2020 einen Helferkreis gebildet, in dem sich Hundehalter organisieren, die einen fremden Hunden spazieren führen würden. Mehr als 500 Hundebesitzer im ganzen Stadtgebiet habe sie in ihrem Register, sagt Menges. Wer in Quarantäne stecke und dringend Hilfe brauche, könne eine Mail an [email protected] schicken, die Tierrettung würde dann eine ortsnahe Hilfe vermitteln. Bislang gebe es allerdings “erstaunlich wenig Bedarf”, sagt Menges.

Sie selbst hat nach Ausbruch der Pandemie übrigens noch eine andere Vorkehrung für den Fall der Fälle getroffen und im Internet eine mobile Hundetoilette für ihre Terrasse bestellt: eine Plastikwanne mit Rollrasen. Die habe ihrem Königspudel allerdings so gut gefallen, dass er sie bei schönem Wetter als Sonnenliege zweckentfremdet hat.

Quarantäne ist kein Sonderurlaub

Apropos Sonne: Es soll ja Leute geben, die beim Gedanken an die Quarantäne Urlaubsgefühle bekommen. Doch Vorsicht: Wer die Quarantäne mit einer Art Sonderurlaub in den eigenen vier Wänden verwechselt, liegt falsch. Nur wer vom Arzt krankgeschrieben ist oder seiner Tätigkeit von zu Hause aus nicht nachgehen kann, muss nicht arbeiten. Symptomfreie Infizierte, die unter dem Vorwand der Quarantäne ihre Arbeit verweigern, müssen mit einer Abmahnung oder gar einer Kündigung rechnen, warnen Arbeitsrechtler. Wer fit ist und vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten kann, ist also nicht nur zu Hause gefangen, sondern in gewisser Weise auch: im Büro. Gewiss kein erstrebenswerter Zustand.

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