Maskenpflicht im ÖPNV: Warum die meisten Bundesländer daran festhalten

Drei Bundesländer kippen die Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), eine große Mehrheit der Landesregierungen hält vorerst an der Regelung fest. Warum? Der stern hat nachgefragt.

“Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, das zu machen”, sagt Daniel Günther. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (CDU) vertritt damit zwar keine exklusive Meinung, aber auch keine, hinter der sich alle versammeln können.

Die Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Schleswig-Holstein läuft aus, ab Neujahr muss in Bussen und Bahnen keine medizinische Maske mehr getragen werden. Das Land wolle den Weg Richtung Normalität Stück für Stück weitergehen, so Günther am Dienstag. Ebenso Bayern und Sachsen-Anhalt, wo die Regelung schon gefallen ist.

Und im Rest der Republik? Wird an der Maskenpflicht im ÖPNV vorerst festgehalten, wie eine stern-Umfrage ergibt. Dabei führen die Länder zum Teil unterschiedliche Begründungen ins Feld – und üben mitunter Kritik am Durcheinander.

Baden-Württemberg

Das Bundesland hält vorerst an der Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske fest. “Die entsprechende Corona-Verordnung gilt bis zum 31. Januar 2023. Eine Änderung ist derzeit nicht vorgesehen”, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration mit. Die Verordnung könne bei einer Veränderung der Einschätzung zu den “notwendigen Schutzmaßnahmen” aber jederzeit angepasst werden, das Land verfolge bei Lockerungen ein stufenweises Vorgehen. “Die Maske ist ein einfaches, maßvolles und wirkungsvolles Instrument”, heißt es aus Stuttgart. “Dieser Eingriff in die individuelle Freiheit ist minimal.” Hinzu komme, dass viele Personengruppen es sich nicht aussuchen könnten, ob sie den ÖPNV nutzen oder nicht. “Sie sind darauf angewiesen – darunter auch viele vulnerable Menschen.”

Bayern

Nach Sachsen-Anhalt war Bayern das zweite Bundesland, in dem die Maskenpflicht im ÖPNV gefallen ist. Es wird jedoch weiterhin das Tragen einer Maske empfohlen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte das Ende der Pflicht zuvor in Aussicht gestellt solange “die Zahlen halbwegs stabil bleiben und es keine neuen Mutationen gibt”. Vorher war bereits die Isolationspflicht bei einer Corona-Infektion gefallen.

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Berlin

Auch die Bundeshauptstadt will vorerst an der Maskenpflicht festhalten. Ein Sprecher der Senatskanzlei verweist auf das Statement von Berlins Erster Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die am Dienstag eine Verlängerung der bestehenden Infektionsschutzverordnung bis Mitte Januar 2023 ankündigte. “Das bedeutet, wir werden auch nicht wie in anderen Bundesländern vorgesehen jetzt zu diesem Zeitpunkt eine Änderung bei der Maskenpflicht im ÖPNV vornehmen”, sagte sie. Die Verordnung gilt nach Angaben von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) nun bis zum 17. Januar. Dann werde der Senat über eventuelle Änderungen erneut beraten.

Brandenburg

Auch Brandenburg wird voraussichtlich an der Maskenpflicht im ÖPNV festhalten. “Das Kabinett wird sich am Dienstag mit der Verordnung befassen und sie inhaltlich voraussichtlich unverändert beschließen”, teilt ein Sprecher der Landesregierung mit. “Damit bliebe die Maskenpflicht im ÖPNV vorerst erhalten.” Zuletzt verwies das brandenburgische Gesundheitsministerium auf eine “weiterhin dynamisch” verlaufende Corona-Lage in dem Land, wie die “Berliner Zeitung” berichtete. 

Bremen

Die Hansestadt blickt bei möglichen Lockerungen insbesondere aufs Nachbarland, ist der Zwei-Städte-Staat gewissermaßen von Niedersachsen eingeschlossen. “Das Bundesland Bremen hat etwa 140.000 Ein- und 60.000 Auspendler”, teilt Senatssprecher Christian Dohle mit. “Angesichts dessen ist vollkommen klar: Der Verzicht auf die Maskenpflicht kann nur im Einvernehmen mit Niedersachsen erfolgen.”

Hamburg

In Hamburg gilt weiterhin die Maskenpflicht im ÖPNV. “Aus unserer Sicht besteht zurzeit keine Veranlassung zur Änderung der geltenden Rechtslage”, teilt eine Sprecherin der Sozialbehörde mit. “Mit Änderungen rechnen wir ab dem Frühjahr.” Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) erklärte auf Anfrage des NDR, die Fahrgäste ab Januar – wenn in Schleswig-Holstein die Regelung fällt – wieder mit Durchsagen darauf hinzuweisen, wenn die Landesgrenzen erreicht sind. Kontrolleure würden dazu aufgefordert, nach Augenmaß wie in den vergangen drei Jahren zu handeln. 

Hessen

Aus Sicht des Ministeriums für Soziales und Integration besteht “derzeit kein Anlass zu einer Regeländerung”, teilt ein Sprecher mit. Nicht zuletzt, weil die Maskenpflicht bundesgesetzlich auch im Fernverkehr gelte. Im ÖPNV kämen täglich viele Menschen zusammen, auch vulnerable Gruppen, die auf die Nutzung von Bus und Bahn angewiesen sein. “Die Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, ist ein verhältnismäßig geringer Grundrechteingriff”, biete aber “erwiesenermaßen einen sehr guten Schutz”.

Ein Kriterium für eine mögliche Aufhebung sei dem Sprecher zufolge die Belastung der Kliniken mit Covid-Patient:innen. “Hier ist aktuell wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen”, heißt es. Allerdings sieht man auch die Bundesregierung in der Pflicht: “Ein konkreter Anlass, die Maskenpflicht im ÖPNV auch für Hessen zu überprüfen, könnte im Sinne der Einheitlichkeit sein”, so ein Sprecher, “dass die Bundesregierung die gesetzliche Maskenpflicht im Fernverkehr aufhebt, was derzeit seitens des Bundesministeriums für Gesundheit strikt abgelehnt wird.”

Mecklenburg-Vorpommern

Sowohl die Maskenpflicht im ÖPNV als auch die Isolationspflicht für Corona-Infizierte bleibt in Mecklenburg-Vorpommern vorerst erhalten, wie der Landtag in Schwerin vergangene Woche entschieden hat. Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) rechne mit einer Corona-Winterwelle, zudem sei die Lage in den Krankenhäusern wegen des Anstiegs von Atemwegserkrankungen zunehmend angespannt. Das sei nicht der Zeitpunkt für Lockerungen, so Drese. 

Niedersachsen

“In Niedersachsen ist derzeit nicht geplant, an der geltenden Maskenpflicht im ÖPNV etwas zu ändern”, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung mit. Ebenso halte man es wie bei Debatte um die Aufhebung der Isolationspflicht für Corona-Infizierte “nicht für klug, die wenigen geltenden Basisschutzmaßnahmen mitten im dritten Pandemiewinter aufzugeben.” Die Pandemie sei noch nicht vorbei, die Zahlen seien zuletzt wieder gestiegen. “Dennoch kann auch diese letzte Maßnahme guten Gewissens fallen gelassen werden”, so die Sprecherin, “wenn wir diesen dritten Pandemie-Winter ohne eine COVID-bedingte Überlastung unseres Gesundheitssystems überstanden haben.” Ob es dann “im Februar oder im März” so weit sein könnte, werde Niedersachsen von der Infektionslage abhängig machen.

Nordrhein-Westfalen

Auch in Nordrhein-Westfalen wird betont, dass die Maskenpflicht “einen nur geringfügigen Eingriff in die Freiheitsrechte des einzelnen” darstelle, aber ein “wesentliches Schutzinstrument” sei, um auch vulnerable Gruppen zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Unter dem Eindruck steigender Infektionszahlen, der in den Krankenhäusern zu behandelnden Patienten und einem Anstieg der Virenlast im Abwassermonitoring halte man die Maßnahme daher “weiterhin für angemessen”. Nach Auffassung der Landesregierung wäre es den Bürgern nur “schwer zu vermitteln, warum sie in den Zügen des Fernverkehrs eine Maske tragen müssen, während das im ÖPNV nicht der Fall ist”, fügt ein Sprecher des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales hinzu. Auch hier wartet man offenkundig auf eine Reaktion der Bundespolitik. “Die Vergangenheit hat gezeigt, dass nachvollziehbare Regelungen dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger diese auch einhalten.”

Rheinland-Pfalz

“Rheinland-Pfalz hält an weiter der Maskenpflicht im ÖPNV fest”, teilt ein Sprecher des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit mit. Wann eine andere Entscheidung getroffen werden könnte, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Aber so viel: “Anders als bei Besuchen in der Gastronomie oder in Kultureinrichtungen gibt es Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind und für die es keine freiwillige Entscheidung ist, sich unter eine größere Menschenmenge zu begeben.” Deshalb bleibe der Schutz hier weiterhin bestehen.

Saarland

Bis zum 13. Januar 2023 hält das Saarland an der aktuellen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fest, die auch eine Maskenpflicht im ÖPNV vorsieht. “Dann wird eine Neubewertung der Infektionslage erfolgen, im Rahmen derer über die Verlängerung der Maskenpflicht im ÖPNV entschieden wird”, teilt eine Sprecherin der Staatskanzlei mit. Erst wenn es zu einem “stabil niedrigem Infektionsgeschehen mit der Tendenz zu sinkenden Erkrankungs-Zahlen bei geringer Krankheitslast” und wenigen Krankenhauseinweisungen wegen Corona komme, “kann darüber diskutiert werden, die Maskenpflicht im ÖPNV aufzuheben”. Es gelte insbesondere eine Überlastung der Patientenversorgung vorzubeugen. “Hier stellen Masken eine wenig einschneidende Schutzmaßnahme dar, die sehr effektiv ist.”

Sachsen

Sachsen wird im Dezember an der Maskenpflicht im ÖPNV festhalten, im Januar allerdings die Lage neu beraten und bewerten. Eine Sprecherin des Staatsministeriums verweist auf Äußerungen von Staatsministerin Petra Köpping (SPD) von vergangener Woche, wonach Sachsen nach wie vor die geringste Impfquote im Bundesvergleich aufweise und ein Anstieg der Infektionszahlen zu befürchten sei. Schon jetzt sei der Krankenstand hoch, sagte Köpping, man wolle “die Arbeitsfähigkeit in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufrecht erhalten”. 

Auch Köpping monierte ein unterschiedliches Vorgehen der Bundesländer. “Gerade bei der Maskenpflicht im ÖPNV als auch bei der Isolationspflicht wäre ein relativ einheitliches Vorgehen der Bundesländer notwendig gewesen”, sagte sie. Das sei leider nicht gelungen. “Erste Länder haben bereits Masken- und Isolationspflicht aufgehoben. Das ist zum Beispiel mit Blick auf dann unterschiedliche Regelungen im Fern- und Nahverkehr nicht gut.”

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt ist das erste Bundesland, in dem die Maskenpflicht im ÖPNV entfallen ist. Die Landesregierung hatte ihre Entscheidung mit einer anhaltend stabilen Infektionslage begründet. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) führte die hohe Impfquote im Sachsen-Anhalt an: 74 Prozent der Bevölkerung seien grundimmunisiert. Bei Menschen, die älter als 60 Jahre sind, seien es sogar 90 Prozent. Zudem liege der Anteil an Corona-Infizierten in Krankenhäusern derzeit bei unter drei Prozent. Andere Krankheitsbilder und Viren seien deutlich dominanter.

Schleswig-Holstein

Nach Sachsen-Anhalt und Bayern will auch Schleswig-Holstein die Maskenpflicht im ÖPNV aufheben. Die Landesregierung verständigte sich darauf, dass ab Neujahr in Bussen und Bahnen keine medizinische Maske mehr getragen werden muss. “Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, das zu machen”, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), das Land wolle den Weg Richtung Normalität Stück für Stück weitergehen. Auch die Expertenrunde im Landtag habe dazu geraten, die Maskenpflicht auslaufen zu lassen – trotz der angespannten Lage in den Krankenhäusern, sagte er. Die Regierung setze fortan auf mehr Eigenverantwortung, gegenseitige Rücksicht und gesunden Menschenverstand als wichtigstes Mittel gegen Corona. 

Thüringen

Wann die Maskenpflicht im ÖPNV aufgehoben wird? “Dazu ist keine konkrete Aussage möglich”, antwortet eine Sprecherin des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit. Gefragt nach den Voraussetzungen, die für den Wegfall erfüllt sein müssten, verweist man hier auf die Gesundheitsministerkonferenz Anfang Dezember: Dort hätte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und RKI-Präsident Lothar Weiler auf die weiterhin bestehende Gefahr eines ansteigenden Infektionsgeschehens und die Belastung des Gesundheitssystems hingewiesen. Das Gesundheitssystem sei “stark” belastet, auch durch weitere Atemwegs- und Erkältungskrankheiten, so die Sprecherin. “Solange sich keine stabile Lage abzeichnet, sind die Voraussetzungen für die Abschaffung der Maskenpflicht nicht gegeben.” 

Auch Thüringen bemängelt, dass erste Bundesländer ihr eigenes Süppchen kochen. “Die Erfahrungen aus den vergangenen Pandemiejahren haben gezeigt, dass Regeln immer dann am besten funktioniert haben, wenn sie bundeseinheitlich umgesetzt wurden”, so die Sprecherin. “Insofern bedauern wir sehr, dass in der Gesundheitsministerkonferenz Anfang Dezember keine Einigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise erzielt werden konnte.”

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