Liveblog: ++ Tausende Deutsche noch im Nahen Osten ++


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Stand: 27.10.2023 15:31 Uhr

Im Nahen Osten befinden sich trotz des Krieges laut Auswärtigem Amt noch einige Tausend Deutsche. Das Rote Kreuz hat einen Hilfskonvoi mit mehreren Lkw und einem OP-Team in den Gazastreifen gebracht. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen ist seit Kriegsbeginn nach Darstellung des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 7.326 angestiegen. Darunter sollen 3.038 Kinder und Jugendliche sowie 1792 Frauen sein, wie das Ministerium mitteilte. 18.967 Palästinenser wurden den Angaben nach verletzt. Gestern hatte die Behörde noch von insgesamt 7.028 Todesopfern gesprochen. Die Zahlen des Ministeriums lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich für humanitäre Zwecke für eine Waffenruhe im Konflikt zwischen der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas und Israel ausgesprochen. Eine “humanitäre Waffenruhe” sei derzeit angebracht, um für den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu sorgen, sagte er zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Diese Forderung geht darüber hinaus, was die EU-Staats- und Regierungschefs in ihrer gemeinsamen Erklärung gefordert hatten.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant hat sich zu der weithin erwarteten israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen geäußert. Diese werde lang und mühselig, sagte er. Die Bodenoffensive werde darauf abzielen, ein ausgedehntes Netzwerk aus Tunneln zu zerstören, das von der Hamas genutzt wird. Galant sagte, bei der erwarteten Bodenoffensive werde eine große Zahl von Soldaten zum Einsatz kommen. Die Offensive werde von Luftangriffen begleitet werden und “lange Zeit” in Anspruch nehmen. Gefolgt werde dies von einer Phase mit Kämpfen in geringerer Intensität, in der Israel “Widerstandsnester” zerstören werde.

Der frühere Fußball-Weltmeister Mesut Özil hat sich erneut klar mit Palästina solidarisiert. Der 34-Jährige teilte bei Instagram sowie auf der Plattform X, vormals Twitter, ein Video aus dem Fanblock vom Champions-League-Spiel zwischen Celtic Glasgow und Atlético Madrid (2:2) vom Mittwoch. Auf den rund 70-sekündigen Aufnahmen ist zu sehen, wie viele Anhänger der Schotten auf den Tribünen mit Palästina-Flaggen den Fußball-Klassiker “You’ll never walk alone” singen.  Dazu schrieb Özil: “Menschen in Palästina – ihr werdet nie alleine gehen. Respekt an die Fans von @CelticFC.” Dazu postete er selbst Herzen und die Flagge Palästinas. Die Vereinsführung von Celtic hatte sich von politischen Bekundungen der Fans distanziert.

Wegen ihrer Haltung zum Gaza-Krieg steigt der Druck auf die Führung der britischen Oppositionspartei Labour – trotz haushohen Vorsprungs in den Umfragen. Zahlreiche Mitglieder, aber auch einige Abgeordnete der traditionell pro-palästinensischen Partei fordern, dass Oppositionsführer Keir Starmer die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen verurteilen und für eine Waffenruhe eintreten solle. Zuletzt waren mehrere Labour-Gemeinderäte zurückgetreten. Sie werfen dem Parteichef vor, in einem Interview Verständnis dafür gezeigt zu haben, dass Israel Wasser und Elektrizität im Gazastreifen abgestellt hatte.

Starmer spricht sich bisher für “humanitäre Pausen” aus, betont aber Israels Recht auf Selbstverteidigung. Nun schlossen sich der schottische Labour-Chef Anas Sarwar sowie der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan Forderungen nach einer Waffenruhe an. “Eine umfassende militärische Eskalation würde die humanitäre Katastrophe nur vertiefen”, sagte Khan, der erste muslimische Bürgermeister der britischen Hauptstadt. Zwar habe Israel ein Recht auf Selbstverteidigung. Aber Khan betonte: “Kein Staat, inklusive Israel, hat das Recht, internationales Recht zu brechen.”

Die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten Kinder im Gazastreifen ist nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums auf mehr als 3.000 gestiegen. Insgesamt seien 7.326 Menschen getötet worden, unter ihnen 3.038 Kinder, teilte das von der Miliz geleitete Ministerium mit. Die Zahl der Verletzten wurde mit knapp 19.000 angegeben.

Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Nach öffentlich geäußerten Zweifeln von US-Präsident Joe Biden an den palästinensischen Opferzahlen hatte die Hamas am Donnerstag eine Liste mit Namen und Identitätsnummern von fast 6.747 Menschen veröffentlicht, die nach ihren Angaben bei israelischen Angriffen getötet wurden. Die Identität von 281 weiteren Opfern werde noch geprüft, hieß es. Ein hochrangiger UN-Vertreter erklärte zuletzt, dass die Zahlen der Hamas in früheren Konflikten mit Israel “nicht angezweifelt” wurden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Beim Einschlag einer Rakete in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv sind Helfern zufolge drei Menschen verletzt worden. Ein etwa 20-jähriger Mann wurde in ein Krankenhaus gebracht, teilte der Rettungsdienst Magen David Adom mit. Zwei weitere Menschen seien leicht verletzt worden. Der militärische Arm der Hamas im Gazastreifen erklärte, die Raketen auf Tel Aviv abgefeuert zu haben.

Das Rote Kreuz hat einen kleinen Hilfskonvoi in den Gazastreifen gebracht. Wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mitteilte, gelangten zehn seiner Mitarbeiter, darunter ein OP-Team, zusammen mit sechs Lastwagen mit medizinischen Hilfsgütern und Wasserreinigungstabletten in das Küstengebiet. Die medizinischen Hilfsgüter reichten aus, um zwischen 1000 und 5000 Menschen zu behandeln, erklärte das IKRK. Mit den Wasserreinigungstabletten könnten 50.000 Liter Wasser aufbereitet werden.

“Diese wichtige humanitäre Hilfe ist eine kleine Dosis der Erleichterung, aber es ist nicht genug”, sagte IKRK-Regionaldirektor Fabrizio Carboni. “Unser chirurgisches Team und die medizinischen Güter werden dabei helfen, den extremen Druck auf die Ärzte und Krankenschwestern in Gaza zu lindern. Aber sicherer, dauerhafter Zugang für humanitäre Hilfe wird dringend benötigt”, sagte er. “Diese humanitäre Katastrophe verschlimmert sich stündlich.”

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat sich erneut für die Palästinenser stark gemacht. “Gerechtigkeit für Palästina”, stand auf einem Schild, das die 20-Jährige bei ihrem freitäglichen Klimaprotest vor dem schwedischen Parlament in Stockholm in den Händen hielt. Wie ein von Thunberg in den sozialen Netzwerken geteiltes Bild zeigte, hielten mehrere ihrer Mitstreiter ebenfalls Schilder mit Solidaritätsbekundungen in die Höhe.

Im Nahen Osten befinden sich trotz des Kriegs noch immer einige Tausend deutsche Staatsbürger. Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind derzeit etwa 2700 Deutsche in Israel. Im Nachbarland Libanon, wo die Bundesrepublik ihre Staatsbürger ausdrücklich zur Ausreise aufgerufen hat, sind es demnach knapp 1100.

Im Gazastreifen geht das Berliner Ministerium von einer “niedrigen dreistelligen” Personenzahl aus. Insgesamt sollen es in den Palästinensergebieten etwa 490 Menschen sein. Gezählt werden dabei aber ausschließlich jene Bundesbürger, die sich freiwillig auf einer Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts eingetragen haben.

Die EU schickt im Rahmen ihrer humanitären Luftbrücke für Bedürftige im Gazastreifen sechs weitere Flugzeuge mit Hilfsgütern. Von Kopenhagen aus startete eine Transportmaschine mit 51 Tonnen Medikamenten, Klinikbedarf und Schulmaterialien des UN-Kinderhilfswerks UNICEF nach Ägypten, wie die EU-Kommission mitteilte. Die EU finanziert die Flüge und koordiniert die Maßnahmen über ihren Krisenreaktionsmechanismus. Mit den Lieferungen will die EU auf die sich verschlechternde humanitäre Lage im Gazastreifen antworten. Die übrigen Flüge sollen in den kommenden zwei Wochen durchgeführt werden.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, warnt vor gezielten Angriffen auf Jüdinnen und Juden. Haldenwang sagte dem “Spiegel”, seit dem Überfall der Hamas auf Israel habe es in Deutschland bereits rund 1.800 Straftaten in diesem Zusammenhang gegeben. “Ich befürchte, dass uns diese neue Welle des Antisemitismus noch länger beschäftigen wird”, sagte er.

Den Anstieg des Antisemitismus wertete er als “Zäsur”. Der Judenhass auf deutschen Straßen erinnere “an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte”. Es gebe zudem “Alarmsignale, dass sich die Situation weiter zuspitzen könnte”. So seien manche Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden mit einem Davidstern “regelrecht markiert” worden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich hinter die von der EU geforderten Feuerpausen zur Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza gestellt. “Gerade auch für unsere israelischen Freunde ist völlig klar: Das Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza darf nicht überhandnehmen”, sagte er bei seinem Antrittsbesuch in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. “Wir müssen dafür Sorge tragen gemeinsam, dass die humanitären Grundsätze gewahrt bleiben – bei uneingeschränktem Selbstverteidigungsrecht der Israelis.”

Es sei die Hamas, “die Zivilisten und zivile Einrichtungen als Schutzschilde nutzt, sich dahinter versteckt und damit militärisches Agieren auch deutlich erschwert”, sagte Pistorius. “Gleichzeitig muss es darum gehen, dass die Energieversorgung, Nahrungsmittel- und Wasserversorgung gewährleistet bleiben.”

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, fordert einen Bruch des deutschen Zweiges von “Fridays for Future” mit der gleichnamigen internationalen Klimabewegung rund um Greta Thunberg. “Ich erwarte von Luisa Neubauer und ‘Fridays for Future Deutschland’ eine wirkliche Abkoppelung, eine Namensänderung der Organisation und den Abbruch jeglicher Kontakte zu ‘Fridays for Future International'”, sagte Schuster der “Bild”. Nötig seien nicht nur “fadenscheinige Erklärungen”, sondern echte Konsequenzen. Hintergrund sind gegen Israel gerichtete Posts auf dem Instagram-Account der internationalen Bewegung.

Russland verteidigt seine Gespräche mit einer Delegation der Hamas in Moskau. Der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, sagte, Russland halte es für notwendig, mit allen Seiten im israelisch-palästinensischen Konflikt in Kontakt zu bleiben. Die Delegation habe sich mit Vertretern des russischen Außenministeriums getroffen, aber keine Kontakte mit dem Kreml gehabt. Israel hatte Russland aufgefordert, die Hamas-Delegation auszuweisen, und die Einladung als bedauerlich bezeichnet.

Im ägyptischen Ort Taba ist nahe der Grenze zu Israel eine Drohne niedergegangen. Sechs Menschen seien verletzt worden, sagte ein Sprecher der ägyptischen Armee. Eine “anonyme gelenkte Drohne” sei am Morgen in Nähe des Krankenhauses von Taba niedergegangen. “Der Vorfall wird von einem Sonderausschuss der betroffenen Behörden untersucht”, teilte der Sprecher mit. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News hatte vorher dagegen von einer Rakete berichtet und eine mögliche Reaktion nicht ausgeschlossen.

Israels Armee erklärte, die Drohne sei aus der “Nähe des Roten Meers” gekommen. Israelische Kampfjets seien schnell in die Gegend beordert worden, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Israel werde mit Ägypten und den USA an einer “verstärkten Verteidigung gegen Bedrohungen aus Nähe des Roten Meers” arbeiten. Der Verdacht richtete sich gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen, die vom Iran unterstützt werden.

Die israelischen Bodentruppen seien mit Unterstützung von Jets und Panzern bis ins Zentrum Gazas vorgedrungen, hätten dort nach eigenen Angaben militärische Ziele attackiert und sich dann wieder aus dem Gebiet zurückgezogen, berichtet ARD-Korrespondentin Hanna Resch. Das sei ein Vorgehen, das man vielleicht noch öfters sehen werde. Was genau vor Ort passiere, wisse man nicht, weil man das nicht überprüfen könne.

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben in den vergangenen 24 Stunden mehr als 250 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Darunter seien Tunnel der Hamas sowie operative Hauptquartiere und Raketenabschussrampen, teilte die Armee mit. “Dutzende” Hamas-Mitglieder seien getroffen worden.

Den Angaben nach soll auch ein ranghoher Hamas-Befehlshaber getötet worden sein. Der Kommandeur Madhat Mubaschar sei an mehreren Sprengstoff- und Scharfschützenangriffen auf israelische Zivilisten und Soldaten beteiligt gewesen, hieß es in der Mitteilung des Militärs. Zudem sei in der Nacht eine Drohne aufgrund eines “technischen Fehlers” im Gazastreifen abgestürzt. Es bestehe jedoch keine Gefahr, dass vertrauliche Informationen nach außen dringen. Der Vorfall werde untersucht.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält die Diskussion über die Verlässlichkeit der Opferzahlen, die von der im Gazastreifen herrschenden militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas stammen, für zynisch. Zum einen habe die WHO über Jahre keinen Anlass für Zweifel an Zahlen dieser Gesundheitsbehörden gehabt, sagte der WHO-Vertreter für die palästinensischen Gebiete, Richard Peeperkorn. Zum anderen mache es auch keinen Unterschied, ob es 1.000 mehr oder weniger Opfer gebe – die humanitäre Lage im Gazastreifen sei katastrophal, die Zahl der Opfer enorm.

Bei Einsätzen der israelischen Armee im besetzten Westjordanland sind offenbar vier Palästinenser getötet worden. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, drei Palästinenser seien durch Schüsse getötet worden, als israelische Soldaten “in großer Zahl” in Dschenin eingerückt seien. Es habe “heftige Zusammenstöße” zwischen israelischen Soldaten und palästinensischen Aktivisten gegeben. Dabei seien zwölf Palästinenser verletzt worden.

Die militant-islamistische Hamas teilte mit, auch eines ihrer Mitglieder sei getötet worden. Ein vierter Palästinenser wurde bei einem weiteren Einsatz der israelischen Armee in der Stadt Kalkilija südlich von Dschenin getötet. Laut Hamas handelte es sich bei ihm ebenfalls um eines ihrer Mitglieder. 

Das UN-Menschenrechtsbüro wirft Israel Kriegsverbrechen vor. Den mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen Strom und Treibstoff vorzuenthalten sei eine kollektive Bestrafung. “Kollektive Bestrafungen sind ein Kriegsverbrechen”, sagte die Sprecherin, Ravina Shamdasani. Sie fügte hinzu, dass auch die Entführung von Zivilisten ein Kriegsverbrechen sei. Die militant-islamistische Palästinenserorganisation Hamas hatte bei einem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober mehr als 200 Menschen in den Gazastreifen verschleppt.

Die kollektive Bestrafung im Gazastreifen passiere, weil der gesamten Bevölkerung Wasser, Nahrungsmittel, Treibstoff und Strom vorenthalten werde. Der Treibstoffmangel zwinge zur Schließung von Krankenhäusern und Bäckereien. Menschen lebten in Zufluchtsstätten unter verheerenden Bedingungen, ohne sauberes Trinkwasser und unzureichenden sanitären Einrichtungen. “Für die 2,2 Millionen Menschen, die im Gazastreifen eingeschlossen sind und kollektiv bestraft werden, bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an”, sagte Shamdasani. “Israels kollektive Bestrafung der gesamten Bevölkerung von Gaza muss sofort aufhören.”

Der Leiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, hat ein düsteres Bild von der Lage im Gazastreifen gezeichnet. Die noch verbliebenen öffentlichen Dienstleistungen brächen schnell zusammen. Die Menschen in dem vom Krieg gezeichneten Gebiet seien nun mit Lebensmittelknappheit konfrontiert. Es habe den Anschein, als habe die internationale Gemeinschaft “Gaza den Rücken zugekehrt” sagte Lazzarini vor Journalisten in Jerusalem. Dem UNRWA gehe im Gazastreifen der Treibstoff aus. Es benötige etwa 160.000 Liter täglich, um Krankenhäuser und Bäckereien zu beliefern.

Mitarbeiter in Gaza sagten, dass ihre Arbeit zusammenbreche, sagte Lazzarini. Und zum ersten Mal überhaupt berichteten sie, dass Menschen hungrig seien. “Die öffentliche Ordnung bricht zusammen.” Auf die Frage, wie lange die Vorräte noch reichen, sagte der UNRWA-Chef: “Sicherlich nicht mehr als ein paar Tage.” Seit dem Ausbruch des Krieges seien 57 Mitarbeiter seiner Einrichtung zu Tode gekommen. “Gaza mit der Hamas gleichzusetzen, ist sehr gefährlich und irreführend”, sagte er. “Wir können nicht die Augen vor dieser menschlichen Tragödie verschließen.”

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland fordert eine sofortige Waffenruhe für den Gazastreifen. Nötig sei zudem die Öffnung eines permanenten humanitären Korridors in den Gazastreifen. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit spiele sich eine humanitäre Katastrophe ab, erklärte der Verband: “Die Bombardierung unschuldiger Zivilisten in Gaza überschreitet inzwischen alle Grenzen.” Krieg und Kollektivstrafen brächten keine Lösungen, sondern vergrößerten lediglich das Leid und den Hass auf allen Seiten.

Israel hat die Zahl der Geiseln, die sich in der Gewalt der militant-islamistischen Hamas befinden sollen, abermals erhöht. Das Militär des Landes geht mittlerweile von 229 Geiseln aus. Es werde erwartet, dass die Zahl noch steigen könnte. Erst gestern hatte Israel bekannt gegeben, dass mutmaßlich 224 Geiseln von der Hamas gefangen genommen worden seien. Bislang hat die Terrormiliz vier Geiseln wieder freigelassen.

Der irische Regierungschef Leo Varadkar hat beim EU-Gipfel in Brüssel betont, dass der Krieg in Nahost nicht militärisch gelöst werden könne. “Die Geschichte dieses Konflikts hat nicht mit den Attacken am 7. Oktober begonnen, und sie wird nicht mit einer Bodenoffensive in Gaza enden”, sagte er in Brüssel und betonte die von der EU unterstützte Zwei-Staaten-Lösung. “Wir brauchen eine Friedenskonferenz, bei der die EU eine wichtige Rolle spielen sollte”, so Varadkar. Gestern hatten sich die EU-Mitglieder auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt, in der sie humanitäre Pausen und Korridore für den Gazastreifen fordern und die Angriffe der Hamas auf Israel abermals scharf verurteilen.

Die UNESCO hat dazu aufgerufen, dass Schulen im Nahost-Krieg nicht Ziel von Beschuss werden dürften. Schulen dienten der Bevölkerung als Zufluchtsort und deren Beschuss verstoße gegen internationales Recht, betonte die Organisation. UN-Angaben zufolge sollen durch die Angriffe der militant-islamistischen Hamas und den darauffolgenden Gegenangriffen Israels etwa 200 Schulen im Gazastreifen beschädigt worden sein.

Im Gazastreifen sollen im Laufe des Tages acht weitere Lkw mit humanitären Hilfsgütern ankommen. Das teilte Lynn Hastings, UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in den Palästinensergebieten, in Genf mit, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Bislang hätten 74 solcher Lkw den Gazastreifen erreicht. Sie gelangen derzeit nur über den Grenzposten Rafah an der Grenze zu Ägypten nach Gaza.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik geht davon aus, dass der Beginn einer israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen zu neuen Spannungen in Berlin führen könnte. “Das wird definitiv Auswirkungen, natürlich auch auf Berlin, haben”, sagte sie im Interview mit dem rbb. Die Polizei werde versuchen, präventiv die Lage zu beruhigen, aber “auch einsatztaktisch” vorplanen. Bundesweit war es bei pro-palästinensischen Demonstrationen und Versammlungen wiederholt zu Ausschreitungen gekommen.

Gleichzeitig betonte Slowik, dass auch für pro-palästinensische Demonstrationen die Versammlungsfreiheit gelte, solange keine Straftaten verübt würden. Seit Beginn der Angriffe auf Israel wurden in Berlin demnach 35 solcher Demonstrationen angemeldet, von denen 17 verboten worden seien.

Im Interview mit der russischen Zeitung “Kommersant” hat Abu Hamid, der mit einer Delegation der militant-islamistischen Hamas nach Moskau gereist ist, eine Waffenruhe zur Voraussetzung gemacht, um von der Terrormiliz gefangen genommene Geiseln freizulassen. Es brauche Zeit, um alle von den verschiedenen palästinensischen Gruppierungen Verschleppten zu finden. 50 Geiseln seien jedoch durch israelische Angriffe getötet worden. Auch die Terrormiliz selbst hatte den Tod der Geiseln gemeldet. Diese Angaben lassen sich aber nicht unabhängig überprüfen.

Das Gesundheitsministerium im Gazastreifen, das von der militant-islamistischen Hamas kontrolliert wird, hat mitgeteilt, dass in den vergangenen 24 Stunden 481 Menschen durch israelische Angriffe ums Leben gekommen sein sollen. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben jedoch nicht.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die israelische Armee ist eigenen Angaben zufolge bei begrenzten Vorstößen erneut in den Gazastreifen vorgedrungen. Dabei seien sowohl Bodentruppen als auch Kampfflugzeuge und Drohnen eingesetzt worden. Dutzende von Stellungen der militant-islamistischen Hamas seien angegriffen worden, etwa Abschussrampen für Panzerabwehrraketen und Kommandozentralen, teilte das Militär auf seinem Telegram-Kanal mit. Die beteiligten Soldaten hätten den Gazastreifen nach den Angriffen wieder verlassen.

In einer Umfrage der israelischen Zeitung “Ma’ariv” haben sich 49 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger dafür ausgesprochen, dass die Regierung Israels mit dem Beginn einer Bodenoffensive im Gazastreifen noch abwarten sollte. 29 Prozent der Befragten sprachen sich hingegen dafür aus, dass das Militär sofort eine Bodenoffensive starten sollte. Bereits am 19. Oktober hatte die Zeitung der Nachrichtenagentur Reuters zufolge eine solche Umfrage veröffentlicht. Damals hatten sich noch 65 Prozent der befragten Personen für eine sofortige Bodenoffensive ausgesprochen. Hintergrund könnte der Zeitung zufolge die Sorge um die von der Hamas gefangen genommenen Geiseln sein.

Mit Blick auf Verhandlungen mit der Terrormiliz Hamas über die Freilassung von Geiseln liegt die Hoffnung in Israel derzeit auf Katar, berichtete ARD-Korrespondentin Hanna Resch aus Tel Aviv. Aus Katar hieß es in den vergangenen Tagen, dass die Möglichkeit im Raum stehe, dass 50 Geiseln freigelassen werden könnten. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben jedoch nicht.

Mit Protestaktionen in Tel Aviv fordern Angehörige der Geiseln, die sich in den Händen der militant-islamistischen Hamas befinden, Informationen und ein stärkeres Engagement der israelischen Regierung, um Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln zu ermöglichen. Gabriele Dunkel schildert den Kampf der Familien.

In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung hat der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian betont, die militant-islamistische Hamas sei bereit, die von ihr gefangen genommenen Geiseln freizulassen. Diese sollten dann aber nicht nach Israel, sondern in die iranische Hauptstadt Teheran gebracht werden. Zudem fordert die Terrormiliz, dass im Gegenzug 6.000 palästinensische Gefangene aus israelischer Haft entlassen werden, berichtet ARD-Korrespondentin Charlotte Voß aus New York.

Gegen die USA richtete Amir-Abdollahian eine klare Drohung. Die US-Regierung würde “einen von Israel in Palästina durchgeführten Völkermord verwalten”. Sollten die Angriffe weitergehen und sich der Konflikt ausweiten, würden die USA “von diesem Feuer nicht verschont bleiben”.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnt vor islamistischen Terroranschlägen in Deutschland. Eine Untergrabung der freiheitlich-demokratischen Ordnung durch längst in Deutschland vorhandene islamistische Gruppen finde bereits statt, sagte Kiesewetter der “Rheinischen Post”. Es sei “nur eine Frage der Zeit, wann aus Gewalt gegen Einrichtungen dann Gewalt gegen Menschen oder sogar breiter angelegte Terrorangriffe werden”.

Mit Anschlagsplänen von Anhängern der Hamas und der Hisbollah sei auch in Deutschland zu rechnen. Beide Gruppen würden gezielt werben und zu Terror aufrufen. Zudem bestehe die Gefahr von Nachahmer-Taten. “Damit müssen wir leider rechnen und wir müssen uns auf schlimme Angriffe gefasst machen”, warnte der CDU-Politiker. Die Bundesregierung müsse die Bevölkerung darauf vorbereiten.

Am frühen Morgen sind offenbar in dem ägyptischen Ort Taba in der Nähe der israelischen Grenze eine medizinische Einrichtung und ein Verwaltungsgebäude von einer Rakete getroffen worden. Wie die ägyptische Nachrichtenagentur Al Qahera News berichtete, sind sechs Menschen bei dem Vorfall verletzt worden. Unter Berufung auf Insider erklärte Al Qahera, die Explosion in der Stadt am Roten Meer stehe im Zusammenhang mit Kämpfen zwischen Israel und der militanten Hamas im Gazastreifen.

Der Agentur zufolge hat die Rakete eine Ambulanz in Taba sowie ein Wohngebäude für die Verwaltung des Krankenhauses des Ortes getroffen. Das israelische Militär erklärte, es sei sich eines Sicherheitsvorfalls in dem Gebiet bewusst, der sich aber “außerhalb unserer Grenze” ereignet habe. Unklar ist bisher, von wem die Rakete abgefeuert worden ist.

Über Jahre hat die militant-islamistische Hamas im Gazastreifen ein weit verzweigtes Tunnelsystem aufgebaut. Das Ziel, dieses zu zerstören, könnte für das israelische Militär enorme Risiken bedeuten.

Ob und wann Israel eine Bodenoffensive im Gazastreifen starten könnte, ist weiterhin offen, berichtet ARD-Korrespondent Christian Limpert aus Tel Aviv. Die militärischen Vorbereitungen für diesen Schritt seien zwar weitestgehend abgeschlossen, doch dem stünden andauernde diplomatische Bemühungen auf internationaler Ebene und der Druck vonseiten der EU aufgrund der humanitären Lage im Gazastreifen gegenüber.

Nach Zweifeln von US-Präsident Joe Biden an den von der Hamas angegebenen Opferzahlen im jüngsten Krieg gegen Israel hat die militant-islamistische Palästinenserorganisation nun eine Liste mit Namen von fast 7.000 Menschen veröffentlicht, die bei israelischen Angriffen getötet worden sein sollen. Die Liste wurde vom von der Terrormiliz kontrollierten Gesundheitsministerium im Gazastreifen veröffentlicht und enthält 6.747 Namen, Angaben zum Alter und Geschlecht der Opfer sowie ihre Personalausweisnummern. 281 Leichen sind demnach noch nicht identifiziert worden. Die Angaben der Behörde lassen sich nicht unabhängig verifizieren.

In einer Erklärung des Hamas-Gesundheitsministeriums hieß es, die USA hätten “dreist” Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Todeszahlen geäußert. “Wir haben beschlossen, die (…) Namen der Opfer der ganzen Welt mitzuteilen, damit die Wahrheit über den von der israelischen Besatzung verübten Völkermord an unserem Volk bekannt wird.” Hamas-Terroristen hatten am 7. Oktober Israel überfallen und dabei mehr als 1.000 Zivilisten getötet, was die gegenwärtige Offensive Israels auslöste.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Zwei weitere Flüge mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen sollen nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch am heutigen Freitag starten. Für die kommenden Tage seien darüber hinaus weitere Flüge geplant, sagte sie in der Nacht nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel. Zwei erste Transporte hätten bereits 56 Tonnen Hilfsgüter nach Ägypten gebracht, die in den Gazastreifen geliefert worden seien.

“Das ist wichtig, aber es wird natürlich noch mehr benötigt”, sagte von der Leyen. Die EU-Kommission hatte vor knapp zwei Wochen eine Luftbrücke für Hilfsorganisationen im Gazastreifen angekündigt. Die Flüge bringen etwa Medikamente nach Ägypten. Von dort sollen die Hilfsgüter weiter nach Gaza transportiert werden.

Wegen des Nahost-Krieges schicken die USA 900 zusätzliche Soldaten in die Region. Ohne neuen Treibstoff könnten Hilfen im Gazastreifen zum Erliegen kommen, warnt das UNRWA. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

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