Liveblog: ++ Rotes Kreuz: Krieg ist “moralisches Scheitern”++


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Stand: 19.12.2023 15:41 Uhr

Der Krieg in Gaza ist nach den Worten der Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ein “moralisches Scheitern”. Frankreichs Außenministerin Colonna hat zu einer “dauerhaften Waffenruhe” aufgerufen. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Im Gazastreifen sind nach UN-Angaben etwa 180 weitere Lastwagen mit Hilfsgütern eingetroffen. Etwa 100 davon sowie vier Tankwagen mit Diesel seien über den ägyptischen Grenzübergang Rafah nach Gaza eingefahren, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit. Etwa 80 weitere Lkw seien über den Übergang Kerem Schalom im Südosten Gazas gekommen, den Israel kürzlich für Hilfslieferungen geöffnet hatte. Vor Kriegsbeginn kamen im täglichen Durchschnitt etwa 500 Lastwagen in den Gazastreifen.

Der Krieg in Gaza ist nach den Worten der Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) ein “moralisches Scheitern”. Beide Seiten seien aufgefordert, wieder in Verhandlungen einzutreten, sagte Mirjana Spoljaric vor Journalisten. Das Leiden der Menschen werde sich noch auf Generationen nicht nur im Gazastreifen auswirken.

Italien will zur Sicherung der Handelsschifffahrt vor Angriffen der Huthi-Rebellen eine seiner Fregatten ins Rote Meer entsenden. Italien werde gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft seinen Teil beitragen, die terroristische Aktivität der Huthi-Rebellen zu bekämpfen, teilte Verteidigungsminister Guido Crosetto mit. Es gehe darum, den Handel in der Region zu schützen und die Freiheit der Schifffahrt und das internationale Recht zu gewährleisten.

Angesichts einer zunehmenden Zahl von Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer durch die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen hatte das US-Militär zuvor mitgeteilt, dass es in der Region mit den Streitkräften anderer Ländern zusammenarbeiten wolle. Spanien hatte vor Kurzem erklärt, sich außerhalb von EU- oder NATO-Einsätzen nicht an einem solchen Einsatz beteiligen zu wollen.

In der EU gibt es Diskussionen über eine mögliche Unterstützung der US-Initiative zur Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer. Die in den vergangenen Wochen erfolgten Huthi-Angriffe auf Handelsschiffe seien besorgniserregend und ein inakzeptabler Verstoß gegen das Völkerrecht, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Man berate derzeit unter den EU-Staaten und mit Partnern darüber, wie eine Antwort aussehen könnte.

Als eine Option in der EU gilt, das Mandat der EU-Antipiraterie-Operation Atalanta zu erweitern, um sich am Schutz von Handelsschiffen im Roten Meer zu beteiligen. Ihr Auftrag ist es derzeit, zur Abschreckung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias beizutragen. Damit soll sie insbesondere die ungefährdete Lieferung humanitärer Hilfsgüter in das Krisenland ermöglichen.

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben der von der Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 19.667 gestiegen. Das sind 214 Tote mehr als noch am Vortag, wie der Sprecher der Behörde, Aschraf al-Kudra, mitteilte. 52.586 Menschen seien verletzt worden.

Die Zahlen der Behörde lassen sich gegenwärtig nicht prüfen, die UN und andere Beobachter weisen darauf hin, dass sie sich in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Israels Parlamentssprecher hat die Schließung eines Sonderbüros zur beschleunigten Erteilung von Schusswaffengenehmigungen angeordnet. Amir Ohana untersagte Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, durch Einstellung und Beschäftigung weiterer Mitarbeiter sein Projekt einer erweiterten Waffenausgabe zu erleichtern.

In dem Büro des Nationalen Sicherheitsministeriums in der Knesset seien Waffenscheine ohne genaue Prüfung der Eignung und Ausbildung der Kandidaten ausgestellt worden, berichten israelische Medien über eine Anhörung im zuständigen Parlamentsausschuss.

Ben Gvir hatte bald nach seinem Amtsantritt im Februar nach einigen Anschlägen eine erleichterte Waffenausgabe an israelische Zivilisten durchgesetzt. Allein seit Kriegsbeginn sollen so 23.000 Waffen neu in Umlauf gekommen seien. Im Stadtbild etwa Jerusalems hat sich in den vergangenen Monaten die Zahl bewaffneter Zivilisten deutlich erhöht, sagen Beobachter.

Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge nach einem Raketenbeschuss Ziele im Nachbarland Libanon angegriffen. Der Ursprungsort des Abschusses sei getroffen worden, teilte das Militär mit. Zuvor habe Israels Artillerie “mehrere Gebiete im Libanon” beschossen. Eine Rakete aus dem Libanon ging nach Militärangaben im israelischen Grenzort Metulla auf offenem Gelände nieder. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah reklamierte den Angriff für sich.

Seit Beginn des Nahostkriegs kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah in der israelisch-libanesischen Grenzregion. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

Spanien will sich außerhalb von EU- oder NATO-Einsätzen nicht am geplanten Marineeinsatz zur Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer gegen Angriffe der Huthi beteiligen. Spanien unterliege hier den Entscheidungen der EU und der NATO und werde sich nicht einseitig und separat an der von den USA vorgeschlagenen neuen Sicherheitsinitiative “Operation Prosperity Guardian” beteiligen, so das spanische Verteidigungsministerium in Madrid.

Deutschland prüft nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Anfrage zur Beteiligung. Das US-Verteidigungsministerium hatte zuvor mitgeteilt, auch Spanien werde sich beteiligen. Zudem wurden weitere Länder, darunter Großbritannien, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen und die Seychellen, genannt. Durch die stärkere Kooperation zwischen den Seestreitkräften soll der Schutz von Handelsschiffen verbessert werden, die wiederholt von Huthi-Rebellen aus dem Jemen angegriffen worden waren.

Die islamistische Terrororganisation Hamas hat wieder Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Ortschaften abgefeuert. In der Küstenstadt Tel Aviv wurde das erste Mal seit mehreren Tagen Raketenalarm ausgelöst, wie die israelische Armee mitteilte. Es gab zunächst keine Berichte zu Verletzten. Die Al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, bekannten sich zu den Angriffen.

Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober wurden israelischen Angaben zufolge bereits mehr als 12.500 Raketen auf Israel abgeschossen.

Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder, hat die Zustände im Gazastreifen als katastrophal beschrieben. Vier von fünf Minderjährigen hätten nicht genügend zu Essen, sagte Elder in Genf. Unter den Kleinsten breiteten sich Durchfallerkrankungen aus. Er sei wütend, dass verletzte Kinder umkommen, dass Eltern von schwerkranken Kindern nur noch “Hoffnung und dreckiges Wasser” hätten, sagte Elder. Israelische Streitkräfte hätten versprochen, Zivilisten zu verschonen, die Realität sehe anders aus. “Ich bin wütend, dass die Heuchelei die Empathie erdrückt”, sagte er.

Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna hat ihren Aufruf zu einer sofortigen Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der radikal-islamistischen Terrororganisation Hamas bekräftigt. “Wir fordern eine sofortige, anhaltende Waffenruhe, um zu einem Waffenstillstand zu kommen”, sagte Colonna nach einem Treffen mit ihrem britischen Amtskollegen David Cameron in Paris. Sie sprach sich auch dafür aus, die EU-Sanktionen gegen die Hamas und gegen die “Finanzierung des Terrorismus” zu verschärfen. 

Auf nationaler Ebene kündigte sie Sanktionen gegen gewalttätige israelische Siedler an, die im Westjordanland gegen Palästinenser vorgehen. “Ich habe die von manchen Siedlern begangenen Gewaltakte mit eigenen Augen gesehen, das ist inakzeptabel”, sagte Colonna, die zuvor Israel, das Westjordanland und den Libanon besucht hatte. Frankreich werde die Sanktionen gegen einzelne Siedler “auf der Basis dokumentierter Informationen” verhängen, fügte sie hinzu.

Paris setzt sich auch auf EU-Ebene für derartige Sanktionen gegen israelische Siedler ein. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und den israelischen Bombardierungen im Gazastreifen hat sich auch die Gewalt von israelischen Siedlern gegen Palästinenser im Westjordanland verstärkt. Etwa 290 Palästinenser wurden seitdem nach palästinensischen Angaben im von Israel besetzten Westjordanland von israelischen Soldaten oder Siedlern getötet. 

Eine Gruppe von Veteranen im US-Kongress hat Präsident Joe Biden zu einem energischeren Vorgehen gegen die Kriegsführung Israels im Gazastreifen aufgefordert. Biden solle alle US-Druckmittel einsetzen, um den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zu einer Änderung seiner Militärstrategie zu bringen, schrieben die sechs Repräsentantenhaus-Abgeordneten der Demokraten. Der Tod Tausender Zivilisten die humanitäre Krise im Gazastreifen seien nicht im US-Interesse und trügen nicht zur Sicherheit Israels bei.

Die Abgeordneten schrieben in ihrem offenen Brief vom Montag, einige von ihnen hätten selbst im Krieg der USA gegen den Terror gekämpft. “Wir wissen aus persönlicher und oft schmerzlicher Erfahrung, dass man eine Terrorideologie nicht allein mit militärischer Gewalt zerstören kann”, betonten die vier Frauen und zwei Männer.

Die israelische Armee hat die Zerstörung des Hauses eines palästinensischen Attentäters im Westjordanland gemeldet. Der Mann hatte demnach im August in der Stadt Huwara zwei Israelis erschossen. Er war im November festgenommen worden. Israel setzt Häuserzerstörungen als Bestrafungs- und Abschreckungsmaßnahme ein. Von Menschenrechtsorganisationen wird das als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht eingestuft.

Bei israelischen Luftangriffen im Süden des Gazastreifens sind nach palästinensischen Angaben mindestens 20 Menschen getötet worden. Im Gebiet von Rafah an der Grenze zu Ägypten seien zudem drei Häuser zerstört worden, teilte die von der radikal-islamischen Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Huthi-Miliz im Jemen hat sich von der von den USA geschmiedeten Allianz zur Sicherheit der Seeschifffahrt im Roten Meer unbeeindruckt gezeigt. Die Huthi würden ihre Haltung zum Krieg im Gazastreifen nicht ändern, sagte der führende Vertreter der schiitischen Rebellen, Mohammed Abdulsalam, der Nachrichtenagentur Reuters. Das von den USA initiierte Bündnis sei “im Wesentlichen unnötig”, denn alle an den Jemen grenzenden Gewässer seien sicher. Eine Ausnahme gelte für israelische Schiffe oder Schiffe, die Israel ansteuerten – wegen dessen “ungerechtfertigten aggressiven Krieges gegen Palästina”.

Die Lage im Westjordanland bleibt sehr angespannt, wie ARD-Korrespondent Tim Aßmann erklärt. Laut einer aktuellen Umfragen habe die Terrormiliz Hamas dort an Zustimmung in der Bevölkerung gewonnen.

Seit einigen Wochen greift die Huthi-Miliz verstärkt Schiffe im Roten Meer an. Die Gruppe aus dem Jemen haben den Krieg in Nahost und die Unterstützung der Palästinenser zu ihrem Thema erklärt. Was steckt dahinter?

Angesichts der zunehmenden Zahl von Angriffen auf Schiffe im Roten Meer durch die vom Iran unterstützt die Huthi-Miliz verstärkt das US-Militär in der Region seine Zusammenarbeit mit den Streitkräften anderer Länder.

In Chan Yunis im Süden des Gazastreifens berichteten Anwohner laut der Nachrichtenagentur Reuters von heftigen Gefechten zwischen israelischen Soldaten und Hamas-Kämpfern. Gewehrschüsse seien in der Stadt zu hören. Israel greife Gebiete in der Nähe des Stadtzentrums mit Panzern und Flugzeugen an.

Das Kamal-Adwan-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach der Erstürmung durch israelische Truppen nicht mehr funktionsfähig. Einige Patienten seien in andere Kliniken gebracht worden, sagte der WHO-Vertreter für den Gazastreifen, Richard Peeperkorn. Mehrere Mitarbeiter des Gesundheitssektors sollen verhaftet worden sein. Nach israelischen Angaben wurde das Krankenhaus von der Terrormiliz Hamas genutzt.

Das Wassersystem im Gazastreifen sei zusammengebrochen, warnt die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Entwicklungsministerin Schulze besucht Israel und das Westjordanland. Die Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

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