Liveblog: ++ Moskau beendet Anti-Terror-Maßnahmen ++


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Stand: 26.06.2023 11:07 Uhr

Nach dem Ende des Söldneraufstands in Russland hebt Moskau die Anti-Terror-Maßnahmen wieder auf. In Odessa sollen nach Luftangriffen mehrere Explosionen zu hören gewesen sein. Die Entwicklungen im Liveblog.

Deutschland will rund 4000 Bundeswehrsoldaten zusätzlich dauerhaft nach Litauen schicken, um die Ostflanke der Nato zu stärken. “Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren”, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Voraussetzung sei die Schaffung der notwendigen Infrastruktur zur Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten und Übungsmöglichkeiten.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock geht nicht davon aus, dass der Machtkampf in Russland nach dem Rückzug der Söldnergruppe Wagner beendet ist. “Es ist nach wie vor unklar, was dort geschieht. Ich sage ganz klar, was dort geschieht und nicht, was dort geschah”, sagte die Grünen-Politikerin am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg.

Es sei weiterhin unklar, was mit den unterschiedlichen Akteuren in Russland passiere. Die Ereignisse am Wochenende seien offensichtlich nur “ein Akt in diesem russischen Schauspiel” gewesen. Klar ist nach Einschätzung Baerbocks allerdings, dass Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine sein eigenes Land zerstört. “Wir sehen die verheerenden Folgen des russischen Angriffskriegs auch auf das Machtsystem von Putin. (…) Und wir sehen massive Risse in der russischen Propaganda”, sagte sie.

Zur Rolle Deutschlands und der EU erklärte Baerbock, man mische sich nicht ein, analysiere die Lage aber genau, denn sie berge auch Risiken, die man derzeit noch nicht abschätzen könne.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht den russischen Präsidenten Wladimir Putin durch die Revolte der Wagner-Söldner massiv geschwächt. Der Aufstand vom Wochenende “spaltet die russische Militärmacht” und zeige die Schwächen des politischen Systems, sagte Borrell vor Beratungen der europäischen Außenminister in Luxemburg. “Das Monster, das Putin mit Wagner geschaffen hat, beißt ihn nun”, fügte Borrell hinzu.

Es sei sehr beunruhigend, dass eine Atommacht wie Russland dermaßen instabil werden könne, sagte der EU-Außenbeauftragte weiter. Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, der österreichische General Robert Brieger, sagte: “Die unmittelbaren Ereignisse am vergangenen Wochenende haben wir so nicht erwartet.” Es habe auch “keine akute Warnung” gegeben.

Die ukrainische Gegenoffensive hat nach Einschätzung britischer Militärexperten im Umkreis der Stadt Bachmut an Dynamik gewonnen. “Ukrainische Kräfte haben sowohl an der nördlichen als auch an der südlichen Flanke Fortschritte gemacht”, hieß es im täglichen Geheimdienstbericht zum Krieg in der Ukraine des Verteidigungsministeriums in London.

Insgesamt schätzen die Briten die russischen Kapazitäten, ihre Kräfte entlang der Hunderte Kilometer langen Frontlinie zu verstärken, als gering ein. Es gebe kaum Hinweise, dass Russland über irgendwelche nennenswerten Reserven an einsatzbereiten Bodentruppen verfüge, hieß es in der Mitteilung weiter.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach dem Ende des Söldneraufstands in Russland werden die Anti-Terror-Maßnahmen in der Hauptstadt Moskau wieder aufgehoben. Dies teilt Bürgermeister Sergej Sobjanin über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Ähnliche Sicherheitsregelungen seien auch in den Regionen Woronesch und Moskau aufgehoben worden, berichten russische Medien unter Berufung auf den Inlandsgeheimdienst FSB.

Das Nationale Anti-Terror-Komitee erklärte, die Lage im Land sei “stabil”. Die wegen der chaotischen Lage verschobenen Abschlussfeiern für Schülerinnen und Schüler würden am Samstag nachgeholt.

Die Ukraine hat nach Angaben der Regierung seit Beginn der Gegenoffensive rund 130 Quadratkilometer entlang der südlichen Frontlinie von den russischen Streitkräften zurückerobert. In der vergangenen Woche habe sich die Lage im Süden allerdings nicht wesentlich verändert, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar dem staatlichen Rundfunk. Entlang der östlichen Frontlinie bei den Städten Lyman, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka habe es in der vergangenen Woche etwa 250 Gefechte gegeben.

Nach dem bewaffneten Aufstand der Söldnergruppe Wagner am vergangenen Wochenende hat Russlands Regierung erstmals Aufnahmen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu veröffentlicht. Das 47 Sekunden lange Video ohne Ton, das Schoigu etwa in Beratungen mit anderen Militärs zeigt, soll bei einem Besuch im Kampfgebiet in der Ukraine aufgenommen worden sein, teilte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit.

Der Minister habe dort einen der vorderen Kommandopunkte besucht, hieß es. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Es wurden keine Angaben gemacht, von wann die Aufnahmen stammen.

US-Außenminister Antony Blinken bezeichnete die Ereignisse des Wochenendes als “außergewöhnlich” und erinnerte daran, dass Putin vor 16 Monaten kurz davor gestanden habe, die ukrainische Hauptstadt Kiew einzunehmen – nun hingegen habe Moskau gegen Kräfte verteidigt werden müssen, die von Putins einstigem Schützling angeführt wurden. “Ich denke, wir haben weitere Risse in der russischen Fassade gesehen”, sagte Blinken dem US-Sender NBC.

Australien unterstützt die ukrainischen Streitkräfte mit weiterer militärischer Ausrüstung und humanitärer Hilfe im Wert von 110 Millionen Australischen Dollar (67 Millionen Euro). Unter anderem würden 70 Militärfahrzeuge geliefert, darunter 28 M113-Panzerfahrzeuge, sagte Premierminister Anthony Albanese.

Das Land habe der Ukraine seit der Invasion Russlands im Februar 2022 bereits Material im Wert von mehr als 650 Millionen australischen Dollar zur Verfügung gestellt, darunter Bushmaster-Panzerfahrzeuge, Haubitzen des britischen Typs M77 und Drohnen, berichtete der australische Sender ABC.

Mehr als 17.000 ukrainische Rekruten sind in den vergangenen zwölf Monaten von Großbritannien und anderen Verbündeten für den Kampf gegen die russische Invasion ausgebildet worden. Die Rekruten hätten alle ein “strapaziöses” fünfwöchiges Programm durchlaufen, das sie “von Zivilisten zu Soldaten” gemacht habe, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. 

Großbritannien hatte die Initiative für ukrainische Freiwillige im Juni vergangenen Jahres zusammen mit neun Partnerländern gestartet: Kanada, Australien, Neuseeland, Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark, Litauen und den Niederlanden.

Nach ukrainischen Angaben haben russische Truppen in der zentralukrainischen Region Saporischschja eine Reihe von Angriffen mit unterschiedlichen Waffensystemen geführt. Dem ukrainischen Generalstab zufolge wurden unter anderem mindestens sechs modifizierte Flugabwehrraketen vom Typ S-300 eingesetzt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, hat als Konsequenz aus dem bewaffneten Aufstand gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin verschärfte Sanktionen gegen Moskau gefordert. “Die russischen Eliten stützen die Regierung nur solange, wie es neue Beute zu verteilen gibt. Deswegen muss die westliche Sanktionspolitik noch verstärkt werden”, teilte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin mit.

“Die Geschehnisse der letzten Tage in Russland geben den Blick frei auf ein dysfunktionales Regime.” “Das Regime Putin ist viel schwächer, als die russische Propaganda, die AfD und (die Linken-Politikerin Sahra) Wagenknecht uns glauben machen wollen”, erklärte Hardt mit Blick auf den – letztlich gescheiterten – bewaffneten Aufstand der Söldnertruppe Wagner am Wochenende.

Nach dem versuchten Aufstand der Wagner-Söldner in Russland beraten die Außenministerinnen und -minister der Europäischen Union in Luxemburg über weitere Unterstützung für die Ukraine. Erwartet wird ein formeller Beschluss, den gemeinsamen Militärhilfe-Fonds um weitere 3,5 Milliarden Euro aufzustocken. Ungarn blockierte zuletzt die Freigabe einer Tranche von 500 Millionen Euro aus dem Fonds, mit denen Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert werden sollen.

Außerdem geht es um die Frage, wie Russland für den Angriffskrieg zur Verantwortung gezogen werden kann. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wird per Video zu der Debatte zugeschaltet.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Joe Biden haben am Sonntag in einem Telefonat über den gescheiterten Aufstand der Söldnergruppe Wagner in Russland beraten. Er habe mit Biden “eine positive und inspirierende Unterhaltung” geführt, erklärte Selenskyj im Kurzbotschaftendienst Twitter. “Wir haben über den Verlauf der Kampfhandlungen und über die Prozesse in Russland diskutiert.” Dabei sei es auch um Waffen mit längerer Reichweite gegangen. 

Die Welt müsse “Druck auf Russland ausüben, bis die internationale Ordnung wieder hergestellt ist”, erklärte Selenskyj. Seinen Angaben zufolge ging es in dem Telefonat auch um den bevorstehenden NATO-Gipfel in Vilnius im kommenden Monat. Das Weiße Haus in Washington bestätigte das Gespräch “über die jüngsten Ereignisse in Russland” in einer Mitteilung.

Deutsche Außenpolitiker rechnen nach dem gescheiterten Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in Russland mit einem noch härteren Vorgehen des Präsidenten Wladimir Putin. “Putin muss jetzt bei seinen Widersachern den Eindruck vermeiden, er sei angeschlagen. Er muss innenpolitische Stärke zeigen”, sagte Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, dem Berliner “Tagesspiegel”.

Putin werde “den Krieg gegen die Ukraine intensivieren, noch brutaler machen als bislang schon”. Die Ukraine brauche nun “mehr Hilfe denn je”, sagte Kiesewetter und forderte, Deutschland müsse der Ukraine den Marschflugkörper vom Typ Taurus liefern. Zudem müsse die Bundesregierung “die Rüstungsproduktion in Europa bündeln und verstärkt auf Ukrainer, Polen und Balten hören”, fügte Kiesewetter hinzu.

Der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte sagte dem “Tagesspiegel”, Putin habe sich seit Samstag “stabilisiert”. “Es ist zu befürchten, dass Putin nun sein Terror-Regime ausweitet, um sein Image der Schwäche zu korrigieren”, sagte Lechte. Zugleich beklagte der FDP-Politiker, die Geheimdienste hätten vorab keinen Hinweis auf die Ereignisse in Russland gegeben. “Offenbar hatte der BND keinerlei Informationszugang. Das ist in dieser Lage ein erhebliches Defizit, das wir aufklären müssen”, sagte Lechte.

Die ukrainischen Truppen haben eigenen Angaben zufolge bei Bachmut Geländegewinne erzielt. Im Vergleich zum Vortag seien die Streitkräfte 600 bis 1000 Meter in der Nähe der Stadt Bachmut vorgerückt, sagt der Sprecher des ukrainischen Militärkommandos Ost, Serhij Tscherewatji.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die südukrainische Hafenstadt Odessa ist in der Nacht aus der Luft angegriffen worden. In der Stadt seien mehrere Explosionen zu hören gewesen, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Weitere Angaben wurden nicht gemacht.

Kurz zuvor hatte die ukrainische Luftwaffe vor möglichen russischen Angriffen mit von Schiffen im Schwarzen Meer abgeschossenen Marschflugkörpern gewarnt.

Bei dem Vormarsch aufständischer Wagner-Söldner in Russland sind nach Angaben der Behörden Häuser und Straßen beschädigt worden. In der Region Woronesch seien 19 Häuser in dem Dorf Elisawetowka durch ein Feuergefecht beschädigt worden, teilte der Chef der Bezirksverwaltung, Maxim Jantsow, im Messengerdienst Telegram mit. Demnach kam es in der Nähe des Dorfes “während des Durchzugs einer Wagner-Kolonne zu Zusammenstößen” mit der regulären russischen Armee.

In der südlichen Stadt Rostow am Don, in der Wagner-Kämpfer am Samstag ein Militär-Hauptquartier besetzt hatten, beschädigten Panzer Fahrbahnen auf einer Fläche von mehr als 10.000 Quadratmetern, wie Bürgermeister Alexej Logwinenko in Online-Netzwerken mitteilte. Auf Fotos, die er im Internet veröffentlichte, waren Panzerspuren auf den Straßen zu sehen.

Der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, ist seit Ende des Aufstands verschwunden. Laut Vereinbarung mit dem russischen Präsidenten Putin sollte er nach Belarus gehen. Doch bisher ist sein Aufenthalt nicht bestätigt worden. Ina Ruck aus dem ARD-Studio Moskau hält es auch für denkbar, dass er inzwischen in Afrika sein könnte.

Litauens Präsident Gitanas Nauseda fordert nach dem Aufstand der russischen Privatarmee Wagner gegen die Führung in Moskau eine weitere Stärkung der NATO-Ostflanke. Sollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mit unklaren Absichten im Exil in Belarus landen, müsse die Sicherheit der Ostgrenze erhöht werden, sagte das Staatsoberhaupt des baltischen EU- und NATO-Landes.

Litauen grenzt an Belarus und die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad. “Wir haben es mit einem großen Staat zu tun, einem Atomstaat, und alle inneren Unruhen haben unweigerlich Konsequenzen für die Sicherheit der umliegenden Staaten”, sagte Nauseda mit Blick auf Russland. Er habe bislang keine Informationen vorliegen, die bestätigten, dass sich der Wagner-Chef bereits in Belarus aufhalte.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine richtet nach Meinung von Präsident Wolodymyr Selenskyj inzwischen immer mehr Schaden in Russland selbst an. Inzwischen sei erkennbar, “dass der Krieg in seinen Heimathafen zurückkehrt”, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft.

Es blieb unklar, ob er damit die wirtschaftlichen Probleme Russlands oder den kurzfristigen Aufstand der Wagner-Söldner vom Wochenende meinte. “Je länger die russische Aggression anhält, desto mehr Schaden richtet sie in Russland selbst an”, sagte er.

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