Liveblog: ++ EU verurteilt Einsatz “menschlicher Schutzschilde” ++


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Stand: 13.11.2023 10:16 Uhr

Die EU kritisiert den Einsatz von Krankenhäusern und Zivilisten als Schutzschilde durch die Hamas. Bundeskanzler Scholz hat sich gegen einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen ausgesprochen. Die Entwicklungen im Liveblog.

Vor einem Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel zur Lage in Nahost hat sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erneut für humanitäre Feuerpausen im Gazastreifen ausgesprochen. Um Menschenleben zu retten, sei es wichtig, “das zu tun, was jetzt geht, und das sind humanitäre Pausen”, sagte Baerbock in Brüssel. Dafür stehe nicht nur Deutschland ein, sondern die gesamte EU.

“Die bittere Realität ist, dass wir nur in kleinsten Schritten vorankommen”, betonte Baerbock nach einer Reise in den Nahen Osten. Sie verstehe zwar den Impuls Frankreichs und der UN, einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern. “Aber Impulse reichen eben nicht aus, um Menschen zu helfen, um wirklich Sicherheit und Frieden zu garantieren”, betonte sie. Damit bleibe die Frage unbeantwortet, wie Israels Sicherheit gewährleistet werden könne und was mit den mehr als 200 Geiseln in der Gewalt der Hamas-Miliz geschehe.

Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter hat mehr Druck auf die militant-islamistische Hamas gefordert. Diese wolle “bewusst viele tote palästinensische Zivilisten erzeugen, um die Geschichte vom ‘bösen Israel’ aufrechtzuerhalten”, sagte Hofreiter in der Sendung “Frühstart” von RTL und ntv. Daher bräuchte es jetzt vermehrt humanitäre Feuerpausen, um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen aus Kampfzonen zu evakuieren. 

Hofreiter forderte zudem eine schnelle Räumung der Al-Schifa-Klinik in Gaza – sofern dies logistisch möglich sei. Der Grünen-Politiker machte deutlich, dass die Hamas hauptverantwortlich für die aktuelle Lage im Krankenhaus sei. Daher müsse der Druck auf sie erhöht werden.

Nach einer zwölfstündigen Pause sind aus dem Gazastreifen erneut Raketen auf den Süden Israels abgefeuert worden. Es sei mehrfach Raketenalarm ausgelöst worden, teilte die Armee mit. Berichte über Verletzte gibt es bislang nicht.

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat nach übereinstimmenden Medienberichten Innenministerin Suella Braverman entlassen. Braverman war in die Kritik geraten, weil sie der Polizei vorgeworfen hatte, zu nachgiebig gegenüber pro-palästinensischen Demonstranten gewesen zu sein.

Viele Palästinenser haben nach UN-Angaben das größte Krankenhaus in der Stadt Gaza verlassen, vor dem sich israelische Soldaten und die militant-islamistische Hamas Gefechte liefern. Einige Familien hätten mittelschwer verletzte Angehörige bei der Flucht aus dem Schifa-Krankenhaus mitgenommen, sagte ein UN-Vertreter, der anonym bleiben wollte. Die Patienten, die zurückblieben, seien auf spezielle Vorkehrungen zur Evakuierung angewiesen, darunter ausreichend ausgestattete Rettungswagen, um sie nach Ägypten zu bringen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock spricht nach ihrer jüngsten Reise in den Nahen Osten von einer düsteren Atmosphäre in der Region. “Die Gräben scheinen tiefer zu werden”, sagte Baerbock vor Beratungen der EU-Außenministerinnen und Außenminister in Brüssel. Man spüre an allen Orten, wie groß die Verzweiflung sei. Sowohl im Gazastreifen und im Westjordanland als auch in Israel litten die Menschen.

Die bittere Realität sei, dass die Diplomatie “nur in kleinsten Schritten” vorankomme. Ziel sei nach wie vor, dass Israelis und Palästinenser in Sicherheit und Frieden leben könnten, betont die Ministerin. Kurzfristig brauche es aber “humanitäre Pausen” der Kämpfe im Gazastreifen, um die Menschen versorgen zu können. Zugleich müsse die Sicherheit Israels gewährleistet sein.

Die Union fordert die Ausweisung antisemitischer Straftäter ohne deutschen Pass. Eine Verurteilung wegen einer antisemitischen Straftat soll “zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und zur Nichterteilung bzw. zum Verlust eines humanitären Schutzes in Deutschland” führen, heißt es laut einem Bericht der “Rheinischen Post” in einem Gesetzentwurf, den CDU und CSU demnach diese Woche im Bundestag einbringen wollen. Dies würde demnach in der Regel eine Ausweisung nach sich ziehen.

Wer den deutschen Pass erhalten will, solle sich zudem demnach zum Existenzrecht Israels bekennen müssen, hieß es. “Bei Vorliegen tatsächlicher, nicht erschütterbarer Anhaltspunkte für eine antisemitische Einstellung des Antragstellers” solle “eine Einbürgerung ausdrücklich ausgeschlossen” werden. Deutsche, die noch über eine weitere Staatsbürgerschaft verfügen, sollen diese der Vorlage zufolge verlieren, wenn sie wegen einer antisemitischen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden.

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth hat sich gegen eine sofortige Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas ausgesprochen. “Wenn die Waffen über einen längeren Zeitraum schweigen, dann nützt das nur den Hamas-Terroristen, die neue Kraft schöpfen können”, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe zurückgewiesen. Der Kanzler sprach sich stattdessen für “humanitäre Pausen” aus.

SPD-Außenpolitiker Michael Roth

Im Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen sind einem UN-Bericht zufolge seit dem Totalausfall des Stroms am Samstag zwei zu früh geborene Babys und zehn andere Patienten ums Leben gekommen. Das UN-Nothilfebüro OCHA bezieht sich dabei auf Angaben des Gesundheitsministeriums der Palästinenserbehörde im Westjordanland. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Demnach sind 36 weitere Frühchen, die auf Brutkästen und damit Strom angewiesen sind und mehrere Dialysepatientinnen und -patienten wegen des Stromausfalls in akuter Lebensgefahr.

Die Europäische Union hat den Einsatz von Krankenhäusern und Zivilisten als Schutzschilde durch die Terrororganisation Hamas im Gaza-Krieg verurteilt. “Zivilisten muss erlaubt werden, das Kampfgebiet zu verlassen”, heißt es in einer Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell im Namen der EU. “Die EU verurteilt den Einsatz von Krankenhäusern und von Zivilisten als menschliche Schutzschilde durch die Hamas”, hieß es in der Erklärung. Das humanitäre Völkerrecht sehe vor, dass Krankenhäuser, die medizinische Versorgung und die Zivilisten in den Krankenhäusern geschützt werden müssten.

Die Einrichtungen müssten sofort mit dem nötigsten medizinischen Material versorgt und Patienten, die dringend medizinische Versorgung benötigten, müssten sicher evakuiert werden. “In diesem Zusammenhang fordern wir Israel dringend auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten”, heißt es weiter. Zugleich betonte die EU das Recht Israels, sich im Einklang mit dem Völkerrecht zu verteidigen. Die EU bekräftigte auch die Forderung an die Hamas, alle ihre Geiseln unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erneut “entsetzliche Zustände” im größten Krankenhaus im Gazastreifen beklagt. Es befänden sich mehr als 2.000 Menschen in der Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1.500 Vertriebene, schrieb die WHO auf der Plattform X unter Berufung auf das der Hamas unterstellte palästinensische Gesundheitsministerium. Demnach konnten Patienten unter anderem keine Dialyse mehr erhalten. Frühgeborene seien zudem ohne Brutkästen in Operationssäle verlegt worden. Schon zuvor hatte die WHO die Lage in dem Klinikkomplex mit rund 700 Betten angeprangert.

Im britischen Sender BBC bestritt ein leitender Arzt derweil, dass sich die Hamas in der Klinik aufhielten. Die Vorwürfe Israels seien “eine große Lüge”, sagte der Chefchirurg Marwan Abu Saada. “Wir haben medizinisches Personal, wir haben Patienten und Vertriebene. Nichts anderes.” Das israelische Militär hatte zuvor davon gesprochen, dass die militant-islamistische Hamas unter der Klinik eine Kommandozentrale habe und auch andere medizinische Einrichtungen im Gazastreifen für militärische Zwecke missbrauche. Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, sagte, die USA hätten Israel aufgefordert, Kämpfe in der Nähe von Krankenhäusern im Gazastreifen zu vermeiden. “Die Vereinigten Staaten wollen keine Gefechte in Krankenhäusern, in denen unschuldige Menschen und Patienten, die medizinische Versorgung erhalten, zwischen die Fronten geraten”, sagte Sullivan dem Sender CBS.

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen

Die Evakuierungen über den Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten werden fortgesetzt. Wie die neuseeländische Regierung mitteilt, haben elf Neuseeländer den Gazastreifen über Rafah nach Ägypten verlassen können. Die Grenzbehörde des Gazastreifens hatte am Sonntag den Übergang für Inhaber ausländischer Pässe wieder geöffnet, nachdem er am Freitag geschlossen worden war. Der Grenzübergang nach Ägypten ist der einzige, der nicht unter israelischer Kontrolle steht.

US-Präsident Joe Biden und der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al Thani, sprechen nach Angaben des US-Präsidialamtes über die Entwicklungen im Gazastreifen und die “dringenden laufenden Bemühungen” zur Freilassung der von der militant-islamistischen Hamas-Gruppe festgehaltenen Geiseln. Die Staatschefs seien sich einig, “dass alle Geiseln unverzüglich freigelassen werden müssen”, heißt es in der Erklärung des Weißen Hauses. Die katarische Regierung hatte zuvor erklärt, der Scheich habe in dem Gespräch mit Biden auch die Notwendigkeit eines sofortigen Waffenstillstands im Gazastreifen und einer dauerhaften Öffnung des Grenzübergangs Rafah nach Ägypten betont.

Bei Angriffen aus dem Libanon sind nach israelischen Angaben am Sonntag mindestens 17 Menschen im Norden des Landes verletzt worden. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, dass in der Gegend von Manara sieben Soldaten durch Mörsergranaten leicht verletzt worden seien. Die israelischen Rettungsdienste berichteten zudem von zehn Verletzten durch Raketeneinschläge oder Granatsplitter. Das israelische Militär meldete 15 Raketenangriffe aus dem Libanon innerhalb kurzer Zeit. Vier Geschosse seien abgefangen worden und der Rest in freiem Gelände niedergegangen.

Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari sagte, Israel sei konzentriert auf den Krieg im Gazastreifen, sei aber nach wie vor in höchster Bereitschaft im Norden Israels und könne jederzeit weitere Schritte ergreifen. Es gebe konkrete Pläne, die Situation im Norden Israels zu ändern. “Der Sicherheitsstatus wird nicht so bleiben, dass Zivilisten im Norden sich nicht sicher dabei fühlen, in ihre Häuser zurückzukehren.”

Der militärische Arm der militant-islamistischen Hamas bekannte sich zu Angriffen auf Haifa und die Grenzstädte Na’ura und Schlomi. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah übernahm die Verantwortung für weitere Attacken, bei denen sie unter anderem Panzerabwehrraketen und Lenkflugkörper einsetzte. Israel reagierte mit Angriffen auf mehrere Städte im Süden des Libanon, unter anderem Jarun, Mais al-Dschabal und Alma al-Schaab.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich gegen einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen ausgesprochen. Zwar könnten humanitäre Pausen einen Sinn ergeben, um etwa Verwundete aus dem Gazastreifen herauszuholen, sagte der SPD-Politiker bei einer Veranstaltung der “Heilbronner Stimme”. “Aber ich gebe gerne zu, dass ich die Forderung, die einige aufstellen, nach einem sofortigen Waffenstillstand oder einer langen Pause – was ja quasi das Gleiche ist – nicht richtig finde.” Das bedeute letztendlich, “dass Israel die Hamas sich erholen lassen soll und wieder neue Raketen anschaffen lassen soll. Damit die dann wieder schießen können. Das wird man nicht akzeptieren können”.

Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung während des israelischen Militäreinsatzes gegen die Hamas hatte zuvor der französische Präsident Emmanuel Macron eine Waffenruhe im Gazastreifen gefordert. Mit einem seltenen Sondergipfel hatten zudem fast 60 arabische und weitere islamische Staaten zudem ein Ende der “barbarischen” Angriffe Israels gefordert und eine baldige Friedenskonferenz angeregt.

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