Liveblog: ++ Auswärtiges Amt fordert Hilfe für Zivilisten ++


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Stand: 04.12.2023 15:10 Uhr

Das Auswärtige Amt appelliert an Israel, Hilfen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. Israels Armee meldet Fortschritte beim Kampf gegen die Hamas im Norden des Gazastreifens. Die Entwicklungen im Liveblog.

Im Gazastreifen sind nach Angaben des Palästinenserhilfswerkes UNRWA fast 1,9 Millionen Menschen auf der Flucht. Das seien mehr als 80 Prozent der Bevölkerung, teilte die UN-Organisation mit. Beinahe eine Million Binnenflüchtlinge würden sich in 99 Einrichtungen im Zentrum des Küstengebietes sowie in Chan Junis und Rafah im Süden aufhalten.

Im Gazastreifen leben mehr als 2,2 Millionen Menschen. Zuletzt hatten UN-Organisationen noch von rund 1,8 Millionen Binnenflüchtlingen gesprochen.

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben des von der Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 15.899 gestiegen. Etwa 42.000 Menschen seien verletzt worden, teilte ein Sprecher mit. Tausende Menschen würden zudem weiter vermisst. Am Sonntag hatte die Behörde noch von mehr als 15.500 Toten gesprochen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Das israelische Militär hat nach der Ausweitung seiner Bodenoffensive die Bevölkerung im Gazastreifen davor gewarnt, die wichtigste Nord-Süd-Verbindung zwischen den Städten Chan Junis und Deir al-Balah zu nutzen. Die Straße sei ein Kampfplatz und die Lage dort extrem gefährlich, hieß es in einer Mitteilung der Streitkräfte.

Das deutete darauf hin, dass israelische Bodentruppen sich auf Chan Junis zubewegten, möglicherweise mit dem Ziel, nach dem Norden auch den zentralen Gazastreifen vom Süden abzutrennen. Der Sender Al-Dschasira zeigte Bilder von Sanitätern, die nach einem mutmaßlichen Angriff auf ein Auto auf dem Straßenabschnitt Menschen retteten. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP konnte einen israelischen Panzer auf der Straße sehen.

Außenministerin Annalena Baerbock hat das israelische Selbstverteidigungsrecht im Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas betont und Israels Regierung zugleich aufgerufen, die Menschenrechte zu achten. “Die zentrale Frage ist, wie dieses Recht auf Selbstverteidigung ausgeführt wird. Dass es gerade in dieser Phase eine Verantwortung gibt, ziviles Leid zu lindern”, sagte die Grünen-Politikerin heute bei einer Konferenz der Bundestagsfraktion ihrer Partei in Berlin zum Thema “75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte”.

Die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric, ist nach eigenen Angaben im Gazastreifen eingetroffen. Im Onlinedienst X, vormals Twitter, forderte sie sowohl den Schutz von Zivilisten “im Einklang mit dem Kriegsrecht” und den ungehinderten Zugang von Hilfstransporten in den Küstenstreifen als auch den Zugang ihrer Organisation zu den von der radikal-islamistischen Hamas weiterhin festgehaltenen israelischen Geiseln. 

“Die Geiseln müssen freigelassen werden”, schrieb die IKRK-Präsidentin. Zudem sei das Leid der Bevölkerung in dem von der Hamas kontrollierten Palästinensergebiet “unerträglich”.

Bei einer Razzia der israelischen Armee und Polizei im Westjordanland sind zwei militante Palästinenser getötet worden. Nach Angaben der israelischen Einsatzkräfte soll es sich bei den Getöteten um Terroristen handeln. Der bewaffnete Arm der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas teilte mit, die beiden seien Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden gewesen.

Bei der Razzia in Kalkilia im Nordwesten des besetzten Westjordanlands wurden nach Angaben des Militärs 29 Verdächtige festgenommen, fünf von ihnen sollen Verbindungen zur Hamas haben. Auch in anderen Orten hätten Soldaten Anti-Terror-Einsätze durchgeführt. Mehrere Personen wurden demnach bei Razzien festgenommen und etliche Waffen beschlagnahmt. Seit Beginn des Gaza-Kriegs seien im Westjordanland insgesamt rund 2.150 Verdächtige festgenommen worden, 1.100 sollen Verbindungen zur Hamas haben.

Das Gesundheitsministerium in Ramallah meldete am Montag auch vier Schwerverletzte nach einem Armeeeinsatz in Kalandia bei Ramallah. Berichten zufolge kam es dabei zu bewaffneten Zusammenstößen.

Das Korruptionsverfahren gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu ist heute wieder aufgenommen worden. Israelischen Medien zufolge könnte Netanyahu in einigen Monaten in den Zeugenstand gerufen werden. Nach dem Großangriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober war das Verfahren zunächst auf Eis gelegt worden. Der 74-Jährige ist wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll er zwischen 2007 und 2016 als Gegenleistung für die Gewährung finanzieller oder persönlicher Vorteile Geschenke im Wert von 700.000 Schekel (rund 176.000 Euro) erhalten haben, darunter Zigarrenkisten, Champagnerflaschen und Schmuck. 

Netanyahu nahestehende Politiker kritisierten die Wiederaufnahme des Verfahrens mitten im Krieg. Wegen der Einberufung von Reservisten werden vermutlich weniger Zeugen und Anwälte an den Anhörungen teilnehmen.

Laut Angaben des israelischen Militärs wurde Israel auch heute aus dem Libanon beschossen. Bei den Angriffen seien drei israelische Soldaten leicht verletzt worden. Die Armee attackierte daraufhin die Orte, von denen die Angriffe ausgingen.

Die radikal-islamistische Terrororganisation Hisbollah im Libanon übernahm die Verantwortung für eine Attacke auf israelische Soldaten vergangene Nacht sowie den Beschuss weiterer Ziele. Es habe einen Angriff aus dem Libanon heraus auf einen Posten im Nachbarland gegeben, hieß es auch aus libanesischen Sicherheitskreisen. Israel reagierte demnach mit Gegenbeschuss.

Nach neuen israelischen Angriffen hat das Al-Aksa-Märtyrer-Krankenhaus in der Stadt Deir al-Balah weitere Todesopfer gemeldet. In der vergangenen Nacht seien 32 Leichen eingeliefert worden, sagte Omar al-Darawi von der Krankenhausverwaltung der Nachrichtenagentur AP. Tags zuvor hatte er 31 Tote gemeldet.

Unabhängig konnten seine Angaben nicht überprüft werden, AP-Journalisten filmten dort allerdings mehrere trauernde Frauen, die sich über Leichen von Angehörige beugten und weinten. Das israelische Militär teilte mit, es habe in der Nacht 200 Hamas-Ziele aus der Luft getroffen, während parallel dazu Bodentruppen im Einsatz gewesen seien.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann berichtet aus Tel Aviv über die Ausweitung des israelischen Bodeneinsatzes im Gazastreifen und die Lage der verbliebenen Geiseln.

Niederländische Menschenrechtsaktivisten wollen gerichtlich ein Ausfuhrverbot für Bauteile von Kampfjets an Israel durchsetzen. Sie reichten am Montag eine Klage in Den Haag ein und beantragten darin eine einstweilige Verfügung, mit der eine Ausfuhr von Teilen für den Kampfjet F-35 aus einem Lager in der Stadt Woensdrecht untersagt werden soll. Die Bauteile könnten von Israel für Angriffe auf den Gazastreifen eingesetzt werden, führten sie an.

Israel will das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 trotz des Kriegs eigenen Angaben zufolge pünktlich an Deutschland ausliefern. Das Land sei dem gemeinsam festgelegten Zeitplan “voll und ganz verpflichtet”, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des israelischen Verteidigungsministeriums. Arrow 3 dient dazu, ballistische Mittelstreckenraketen abzufangen. Das System wird Deutschland nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums “vollen Schutz” bieten. Die erste Batterie des Raketenabwehrsystems will Israel demnach bis Ende 2025 nach Deutschland liefern.

Deutschland und Israel schlossen den Kaufvertrag des israelischen Raketenabwehrsystems vor anderthalb Wochen ab. Laut Israels Armee wurde der Übernahmeprozess im Wert von rund 3,6 Milliarden US-Dollar (rund 3,3 Milliarden Euro) damit finalisiert. Beide Länder hatten den Kauf Ende September schriftlich vereinbart.

Die Bundesregierung fordert von Israel bei den Kampfhandlungen im Gazastreifen, die Zivilbevölkerung möglichst zu schonen. “Es droht sich die humanitäre Not zu verstärken”, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. “Deshalb unser Appell – hier von dieser Stelle in den letzten Wochen und jetzt auch wieder – die notwendige humanitäre Hilfe, einschließlich Treibstoffen in den Gazastreifen reinzulassen, um die Menschen zu versorgen.”

Im südlichen Gazastreifen hielten sich nunmehr 1,8 Millionen Menschen auf. “Daher ist es uns besonders wichtig, dass Israels Vorgehen diesem Umstand Rechnung trägt und ziviles Leid vermeidet”, sagt der Sprecher. “Und es ist genauso wichtig, dass sich Israel an das humanitäre Völkerrecht hält.”

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu wegen der Offensive im Gazastreifen vor dem Kriegsverbrechertribunal sehen. Netanyahu werde “nicht nur als Kriegsverbrecher, sondern darüber hinaus bestimmt auch als Schlächter von Gaza vor Gericht gestellt werden”.

Erdogan greift Netanyahu immer wieder scharf verbal an. Er hatte ihn bereits vergangene Woche als “Schlächter von Gaza” bezeichnet. Gaza gehöre den Palästinensern, und das werde auch so bleiben, sagte Erdogan bei seiner Rede weiter.

Dutzende israelische Panzer, Truppentransporter und Bulldozer sind nach Angaben von Augenzeugen in den südlichen Gazastreifen vorgedrungen. Die Militärfahrzeuge seien auf der Höhe der Stadt Chan Junis in das Palästinensergebiet gefahren, sagten die Zeugen der Nachrichtenagentur AFP. Die Panzer erreichten demnach die Salaheddin-Straße. Die wichtige Verkehrsachse führt vom Norden in den Süden des Gazastreifens.

Das israelische Militär fordert über den Kurznachrichtendienst X zur Evakuierung von etwa 20 Gebieten oder Straßenabschnitten im Gazastreifen auf. Es veröffentlicht eine Karte mit Pfeilen, die Richtung Süden zeigen und so signalisieren, wohin sich die Bewohner begeben sollen. Israel weist auf diese Weise für die Zivilbevölkerung sogenannte sichere Bereiche aus.

Gaza-Bewohner und Vertreter der Vereinten Nationen haben jedoch erklärt, dass es schwierig ist, den Anweisungen nachzukommen wegen Problemen bei den Internetverbindungen und der Stromversorgung.

Tim Aßmann, ARD Tel Aviv, tagesschau, 04.12.2023 08:00 Uhr

Das israelische Militär verzeichnet nach eigenen Angaben bislang 76 Tote in den eigenen Reihen, die bei Bodeneinsätzen im Gazastreifen umgekommen sind. Israel greift das Küstengebiet aus der Luft, vom Meer und zu Boden an.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen wurden seitdem inzwischen mehr als 15.500 Menschen getötet. Auch diesen Montag wurden von palästinensischer Seite bereits mehrere Tote gemeldet.

Israels Bodentruppen stoßen nun im Süden des Gazastreifens vor, doch der seit Wochen andauernde Einsatz gegen die islamistische Hamas im Norden ist noch nicht beendet. “Wir haben sie im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt, aber wir haben gute Fortschritte gemacht”, erklärte der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Sender CNN.

Man habe von Anfang an gesagt, dass der Kampf gegen die Hamas nicht leicht werde und Zeit benötige. Man habe es mit einem Feind zu tun, “der kein Problem damit hat, Zivilisten für seine militärische Sache zu opfern”, so Conricus.

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee

Nach der Ausweitung der Bodenoffensive Israels auch auf den Süden des Gazastreifens verschärft sich die Situation für die Zivilbevölkerung in dem Gebiet. “Es ist unglaublich gefährlich geworden für die Menschen”, berichtet ARD-Korrespondent Björn Dake im Morgenmagazin von ARD und ZDF.

Die Menschen würden zwar mit Flugblättern von der israelischen Armee aufgefordert, Schutz zu suchen. Viele wüssten aber gar nicht mehr, wohin sie noch fliehen sollten. “Viele Menschen sind da sehr verzweifelt. Sie haben teilweise Schutz gesucht auch in den Schulen der Vereinten Nationen”, so Dake. Aber auch diese seien völlig überfüllt und es herrschten katastrophale sanitäre Bedingungen.

Bei einem US-Luftangriff im Nordirak sind nach irakischen Angaben mehrere Kämpfer getötet worden. Fünf Mitglieder des Islamischen Widerstands im Irak seien dabei ums Leben gekommen, teilte die Dachorganisation mehrerer bewaffneter irakischer Gruppen mit engen Verbindungen zur Regierung in Teheran mit. Die Gruppe hatte sich zuvor zu mehreren Anschlägen auf US-Truppen bekannt. Nach Angaben aus irakischen Sicherheitskreisen wollten die Militanten die US-Truppen im Land mit Sprengsätzen angreifen.

Bewaffnete irakische Gruppen haben wegen der US-Unterstützung für Israel bei der Bombardierung des Gazastreifens seit dem 17. Oktober mehr als 70 solcher Angriffe auf US-Streitkräfte gemeldet. Ein US-Militärvertreter bestätigt einen “Selbstverteidigungsangriff gegen eine unmittelbare Bedrohung”, der einem Drohnenstützpunkt in der Nähe von Kirkuk gegolten habe.

Während Israels Armee ihre Einsätze am Boden auf den gesamten Gazastreifen ausgeweitet hat, gehen die diplomatischen Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts weiter. US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach auf ihrem Rückflug von der Klimakonferenz in Dubai mit Israels Staatspräsidenten Isaac Herzog sowie mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, über die Lage in Gaza, wie das Weiße Haus mitteilte.

Außenminister Antony Blinken habe zudem mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, über “die laufenden Bemühungen, die sichere Rückkehr aller verbleibenden Geiseln zu ermöglichen und die Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu erhöhen”, gesprochen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), bezeichnet den Vorstoß Israels zur Einrichtung einer Pufferzone zum Gazastreifen als allenfalls vorübergehende Lösung. “Die israelische Regierung steht in der Pflicht, ihr Sicherheitsversprechen gegenüber der eigenen Bevölkerung glaubwürdig zu erneuern”, sagte Roth dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Neben der Zerstörung der Terrorinfrastruktur von Hamas könnte dazu auch eine zeitlich befristete Pufferzone zwischen israelischem Staatsterritorium und dem Gaza-Streifen beitragen.”

Eine dauerhafte Pufferzone allerdings sei problematisch. Sie würde “faktisch dazu führen, dass entweder israelische Siedlungen und Kibbuze in unmittelbarer Grenznähe unbewohnbar werden oder das eh schon kleine Gebiet des Gazastreifens noch weiter schrumpft”, sagt Roth. “Beides wäre keine nachhaltige Lösung.” 250.000 vertriebene Israelis müssten die Chance haben, wieder in ihre Heimatorte zurückzukehren. Ebenso müsse die territoriale Integrität von Gaza gewahrt bleiben.

Das israelische Militär ist inzwischen auch mit Bodentruppen im Süden des Gazastreifens. Die Hisbollah beschießt Armeefahrzeuge im Norden Israels.

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