Kryptowährung Worldcoin: Das digitale Grundeinkommen – Kultur

Sam Altman will ein Problem lösen, an dessen Entstehung er maßgeblich beteiligt ist. Durch die zunehmende Automatisierung und künstliche Intelligenz, glaubt der Chef des Chat-GPT-Entwicklers Open AI, werde es schon bald zu Massenarbeitslosigkeit und ökonomischen Verwerfungen ungeahnten Ausmaßes kommen.

Altmans Antwort darauf besteht zu etwa gleichen Teilen aus einer Kryptowährung und aus biometrischen Vermessungen der gesamten Weltbevölkerung. So werde man “globale demokratische Prozesse” ermöglichen und “die wirtschaftlichen Chancen drastisch erhöhen”.

Im Zentrum steht ein metallisch schimmernder Ball, genannt “The Orb”, der auch gut als Alien-Artefakt oder mindestens als Hollywood-Requisite durchgehen könnte. An diesen Geräten sollen nach der Vorstellung Altmans und seines Mitgründers Alex Blania die Menschen biometrische Informationen erfassen lassen, unter anderem einen Iris-Scan der Augen.

Die World ID soll der ultimative Identitätsausweis der Zukunft werden

In der vergangenen Woche ist das Unternehmen nach beinahe dreijähriger Vorbereitungszeit offiziell gestartet. Knapp zwei Millionen Menschen haben eigenen Angaben zufolge schon ihre Augäpfel scannen lassen. Erste Tests fanden zunächst im globalen Süden statt, etwa in Chile, Kenia oder Indonesien. Seit Kurzem operiert man auch in Deutschland. Maximal unglamourös können sich interessierte Nutzer im Berliner Einkaufszentraum Alexa zwischen Handyshops und Discountoptikern dem Iris-Scan unterziehen.

Diese so erfassten Daten sollen dann vor allem zwei Zwecke erfüllen. Zum einen sollen sie es im künftigen Zeitalter autonomer KI-Software ermöglichen zu unterscheiden, wer wirklich ein Mensch ist und wer nur ein Bot. Altman und seine Mitstreiter wollen eine sogenannte World ID schaffen, den ultimativen Identitätsnachweis. Die daran angeschlossene Kryptowährung, der Worldcoin, soll dann zum anderen als eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für alle verifizierten Menschen dienen. Als Willkommensgeschenk erhält jeder Gescannte 25 Worldcoins, die nun frei gehandelt werden können. Der aktuelle Wechselkurs beträgt knapp zwei Euro.

Einfach ausgedrückt bekommen die Teilnehmer also aufgrund ihres Menschseins Anteile einer Kunstwährung und spätestens von hier an klingt das ganze Projekt wie eine verkopfte Science-Fiction-Dystopie. Schon bald wollen die Worldcoin-Macher Milliarden von Scans anfertigen.

Bei so viel revolutionärem Potenzial wundert es kaum, dass die Beantwortung konkreterer Fragen geschickt umschifft wird. Zum Beispiel wie die Währung überhaupt einen Wert erlangen soll. Ungeklärt sind auch Datenschutzprobleme und die künftige Weiterverarbeitung der erfassten Informationen. Schlecht bezahlte Teammitglieder, die die Orbs unter die Menschen bringen, fühlen sich ebenso ausgebeutet wie die gescannten Nutzer. So berichtet etwa Technology Review, dass viele Nutzer bis heute auf ihre Worldcoins warten oder teilweise mit Drückermethoden zu einem Scan überredet wurden. Derweil ist bereits heute ein Schwarzmarkt entstanden, auf dem mit den gescannten Identitäten gehandelt wird.

Bislang offenbart Worldcoin also einmal mehr vor allem die Hybris des Silicon Valley: den ungebrochenen Glauben, dass grenzenloser Reichtum und eine bessere Welt allein durch das stumpfe Sammeln von Daten möglich sei.

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