Krieg in der Ukraine: Wie es im Streit um das Getreideabkommen weitergeht – Politik

Während die Kämpfe in der Ukraine sich an der Landfront mit immer größerer Härte fortsetzen, bleibt unklar, ob Russland seine militärische Aggression auf das Schwarze Meer ausdehnen wird. Moskau hatte vor einer Woche entschieden, das vor einem Jahr von den Vereinten Nationen und der Türkei vermittelte Abkommen über den See-Export ukrainischen Getreides nicht fortzusetzen. Zugleich hatte der Kreml gedroht, alle sich der Ukraine nähernden Handelsschiffe als militärische Objekte zu betrachten. Man müsse davon ausgehen, dass diese Schiffe Waffen geladen hätten, und werde sie aufbringen.

Bisher ist dies jedoch nicht geschehen. Der Büroleiter des ukrainischen Staatschefs Wolodimir Selenskij warnte der Nachrichtenagentur Reuters zufolge aber bereits, der Kreml bedrohe die Schifffahrt mit “terroristischen Methoden”. Man habe Funksprüche der russischen Kriegsmarine abgehört, so Andrij Jermak. Der ukrainische Grenzschutz will zudem einen Funkspruch aufgefangen haben, in dem ein ziviles Schiff nahe einem ukrainischen Hafen bedroht worden sei. “Russland betrachtet den Transport jeder Art von Fracht in die Ukraine als mögliche Lieferung von militärischen Gütern”, habe es darin geheißen. Name und Flaggen-Nationalität des Schiffes nannte die Ukraine nicht.

Die russische Flotte hatte zu Kriegsbeginn im Februar 2022 Teile des Schwarzen Meeres vermint und die Schifffahrt aus der Ukraine zudem mit einer Seeblockade lahmgelegt. Da die Ukraine einer der weltweit größten Getreideexporteure ist, hatte dies die weltweite Ernährungssicherheit gefährdet. Für das deshalb mit türkischer Hilfe ausgehandelte Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine wurde ein sicherer Korridor im Schwarzen Meer geschaffen. Mit dem Ende des Abkommens werden Angriffe russischer Kriegsschiffe und Flugzeuge auf die zivile Schifffahrt im Schwarzen Meer aber denkbar.

Die Lage an der Landfront blieb trotz Berichten über Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive unübersichtlich. Seit einigen Tagen heißt es immer wieder, die Offensive gegen die russischen Stellungen an der Südostfront greife langsam, aber stetig Raum. Zum Teil mit modernen westlichen Panzerfahrzeugen aufgerüstete Truppen stießen vor. So meldete die Kiewer Militärführung am Freitag, ihre Truppen hätten Staromajorske eingenommen. Das Dorf liegt 150 Kilometer östlich der ukrainisch kontrollierten Stadt Saporischschja. Staromajorske soll eine Schlüsselfunktion in der russischen Verteidigungslinie an der Südostfront haben. Ein ukrainischer Regierungsberater nannte die Einnahme des Dorfes einen “Meilenstein”.

Eine mehrere Kilometer tiefe, als “Surowikin-Linie” bekannte Kette aus russischen Minenfeldern, Panzersperren und Schützengräben soll den Durchbruch ukrainischer Truppen an die Küste des Asowschen Meeres verhindern. Gelänge es den Angreifern, durch die Surowikin-Linie zur Küste vorzustoßen, hätten sie die Landverbindung von der russischen Grenze hinunter zur annektierten Halbinsel Krim unterbrochen. Nachschub für Moskaus Soldaten in der Südukraine und auf der Krim wäre kaum noch möglich.

(Foto: SZ-Karte: jje/Institute for the Study of War and AEI’s Critical Threats Project, Brady Africk)

Ob die ukrainischen Erfolgsmeldungen zutreffen, lässt sich unabhängig nicht überprüfen. Dass die Kämpfe an der Südostfront immer härter werden, zeigt sich aber daran, dass Russlands Präsident Wladimir Putin sich direkt zur Lage auf dem Schlachtfeld äußerte. “Alle gegnerischen Offensiv-Bemühungen wurden gestoppt”, so Putin in St. Petersburg bei seinem Treffen mit Vertretern afrikanischer Staaten. “Die gegnerischen Truppen erlitten schwere Verluste.” Einer der oft gut informierten russischen “Militärblogger” widersprach dem Kreml-Chef offen: Die Lage in Staromajorske sei sehr beunruhigend.

Der ukrainische Präsident Selenskij bekräftigte unterdessen, dass Kiew die gesamte Ukraine befreien wolle. Es sei “das nationale Ziel”, Russland militärisch zu besiegen. Der Sieg müsse so umfassend sein, dass allein schon der Gedanke der Kreml-Führung an einen erneuten Überfall auf die Ukraine “nicht mehr als die kranke Fantasie eines Verrückten” sein könne.

Offenbar rechnet aber keine der Kriegsparteien mit einem raschen Ende des Konfliktes. Im Gegenteil: Beide Seiten stärken das Mobilisierungspotenzial. Moskau erhöht das Wehrdienstalter vom 1. Januar an auf 30 Jahre. Auch Reservisten müssen nun noch länger als früher zur Verfügung stehen. Die Ukraine wiederum hat das Kriegsrecht um ein weiteres Vierteljahr verlängert. Das bedeutet, dass Männer im wehrfähigen Alter das Land nicht verlassen dürfen. Als wehrfähig gelten Männer bis 60 Jahre.

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