Der Koch Julius Roberts hat London den Rücken gekehrt und begeistert inzwischen viele Menschen in den sozialen Medien mit Berichten von seinem Leben als Farmer. Die englische Presse sieht in Roberts schon einen neuen Jamie Oliver.
Julius Roberts Küche ist einfach und bodenständig. Im Winter gibt es herzhafte Mahlzeiten wie Suppen und Eintöpfe, der Frühling ist voll frischer Aromen, gefolgt von einer leichten Sommerküche aus selbst angebauten Zutaten bis hin zur herbstlichen Wohlfühlküche. Alles, was das Land rund um Dorset im Südwesten Englands hergibt. In seinem Kochbuch “Vom Kochen und Leben auf dem Land” stecken nicht nur über 100 Rezepte, Roberts erzählt auch vom harten Alltag auf dem Bauernhof. Die englische Presse sieht in ihm schon einen neuen Jamie Oliver. Der stern hat mit ihm darüber gesprochen, warum er sich immer wieder fürs Farmleben entscheiden würde und was ihn seine vier Schweine gelehrt haben.
Herr Roberts, Ihr Leben als Farmer begann mit vier haarigen Schweinen. Was hat Sie dazu bewogen, die Stadt zu verlassen, Ihren Job als Koch aufzugeben und sich auf dem Land niederzulassen?
Ich habe zweieinhalb Jahre in einem Restaurant in London gekocht. Die Arbeit war inspirierend und intensiv, die Arbeitszeiten brutal. Mir wurde schnell klar, dass das kein dauerhafter Lebensstil für mich ist. Dann sind mir unsere Lieferanten aufgefallen, die jeden Tag mit ihren Produkten zu uns ins Restaurant gekommen sind. Ihre Kisten waren voller Tomaten, Artischocken, einer hatte ein ganzes Lamm auf der Schulter. Der Fisch war noch steif gebogen, weil er in der Nacht zuvor frisch gefangen worden war. Es waren ihre Geschichten, die mich dazu inspiriert haben, ebenfalls Landwirt zu werden. Und ihr Aussehen! (lacht)
Wie sahen die Männer aus?
Gesund, braun gebrannt vom Leben draußen. Ihr Leben schien mir sehr schön. Nicht wie so wie meins, ich war ein kranker, grauer Koch, der zehn Tassen Kaffee am Tag trinken musste – nur um zu überleben. Und dann dachte ich plötzlich, ich möchte auch einer von ihnen sein.
Haben Sie es je bereut, Farmer zu werden?
Ich liebe es. Ich könnte Stunden mit Ihnen über meine Tiere, meine Schafe, Ziegen und Hühner und über meine Anbaumethoden sprechen. Es ist ein hartes Leben, aber mein Herz ist voll. Vielleicht würde ich nicht noch einmal im Winter starten …
Weil es zu kalt war?
Weil man nichts anbauen kann. Der Boden ist zu hart, um Gemüse auszugraben.
Warum haben Sie sich Schweine zugelegt und nicht erst beispielsweise mit Hühnern angefangen?
Hühner sind viel zu einfach, und jeder hält Hühner. In London haben wir Mangalitzas verarbeitet, diese alte Schweinerasse, die wirklich erstaunlich ist. Und damit begann meine Reise. Die Schweine haben mir so viel beigebracht, sie waren eine wunderbare Art, dieses neue Leben zu beginnen.
Was haben Sie von den Schweinen gelernt?
Dass sie nicht nur intelligent sind, sondern auch Individuen. Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter, seine eigenen Vorlieben. Das eine Schwein konnte verspielt sein, das andere lustig. Man sagt: Hunde schauen zu dir hoch, Katzen schauen zu dir herunter, aber ein Schwein schaut dir direkt in die Augen.
Das klingt poetisch.
Sie sind meine Seelenverwandten. Ich habe ihnen meine ganze Aufmerksamkeit geschenkt, habe mich um sie gekümmert. Gleichzeitig war ich traurig, weil ich ja wusste, dass sie irgendwann beim Schlachter enden werden.
Hat sich Ihre Einstellung zum Fleischkonsum dadurch geändert?
Ja, enorm. Die Erfahrung, die Tiere zum Schlachthof zu bringen, war sehr hart für mich. Ich hinterfrage inzwischen den Fleischkonsum. Wir sollten uns mehr mit den Tieren beschäftigen, die wir essen, und sicherstellen, dass sie das bestmögliche Leben erhalten. Denn dann verbringen wir viel Zeit damit, uns über den Tod Gedanken zu machen. Der Tod ist hart. Das sollte uns bewusst sein, und deshalb sollten wir weniger Fleisch essen. Weniger ist mehr. Qualität statt Quantität. Wenn man sich um ein Tier so kümmert, wie ich es tue, ist es ein viel langsamerer Prozess. Sie fressen viel besseres Futter. Man hat weniger von ihnen auf größerem Raum, und sie sind Teil der Natur. Das bedeutet, dass sie teurer sie. Und weil es teurer wird, essen wir weniger von ihnen. Und wenn wir weniger essen, sparen wir, um besseres Fleisch kaufen zu können. Und dann haben die Tiere ein besseres Leben.
Können Sie sich vorstellen, Vegetarier zu werden?
Ich esse hauptsächlich vegetarisch, aber ich sehe nichts Falsches daran, Fleisch zu essen, solange es respektvoll und in Maßen geschieht. Viel wichtiger ist mir, dass die Menschen gutes Fleisch essen als komplett vegetarisch zu leben. Es ist einfacher, Menschen dazu zu bringen, weniger Fleisch zu essen, als sie dazu zu bringen, ganz aufzuhören, Fleisch zu essen.
Sie haben ein Kochbuch geschrieben, in dem sich alles um die Saison dreht. Was ist Ihnen daran so wichtig?
Es gibt zwei Dinge, die ich in der Restaurantwelt gelernt habe. Das erste ist die Qualität der Zutaten. Wenn Sie jetzt eine Tomate im Supermarkt kaufen, wird sie schrecklich schmecken – verglichen mit einer Tomate im Sommer. Die Wintertomate hat keinen Geschmack, sie besteht nur aus Wasser. Während eine Sommertomate voller Geschmack ist, sie konnte mit der Wärme und der Sonne wachsen. Eine Wintertomate benötigt zudem viel Energie, um zu reifen – und im Vergleich dazu kostet sie trotzdem noch zu wenig. Saisonalität bedeutet für mich, dass wir Lebensmittel in ihrem besten Zustand essen. Das ist gesünder und auch besser für die Umwelt. Ein weiterer Aspekt ist geschicktes Würzen. Mit Salz, Pfeffer, Kräutern und Gewürzen kann man aus einem Lebensmittel alles herausholen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Burrata beispielsweise. Als erstes probierst du ein Stück davon. Pur. Dann probierst du das nächste Stück mit einem wirklich guten, flockigen Salz darauf, und plötzlich wird es anders schmecken. Der Unterschied ist riesig. Dann ein neues Stück mit ein bisschen mehr Salz und einigen Tropfen Zitronensaft. Die Säure rundet das Fett ab, das Salz hebt den Geschmack. Dann nimmst du etwas Olivenöl, und du hast diese andere Dimension. Zum Schluss noch etwas Basilikum. Burrata ist eigentlich eine einfache Sache, würzt man sie richtig, schmeckt sie fantastisch. Würzen heißt nicht nur Salz aufs Essen zu kippen.
Gibt es ein Lebensmittel, nach dem Sie sich jetzt im Winter sehnen?
Oh ja, wer so saisonal isst, wie ich, wird das kennen. Ich werde beispielsweise keine Tomaten anrühren bis nächstes Jahr im Juni. Das ist eine lange Zeit, ich kann es kaum erwarten. Ich bin dann richtig vorfreudig: Spargel, Zucchini, Erbsen, dicke Bohnen. Die Saison ist dann ziemlich kurz, aber ich nutze das Fenster maximal.
In Ihrem Buch schreiben Sie darüber, dass der Winter für Sie als Landwirt besonders hart ist. Was sind die Herausforderungen?
Es ist sehr kalt. Es ist sehr nass. Es ist sehr elend. Die Tage sind sehr kurz. Man verbringt viel Zeit im Dunkeln, was ziemlich schwierig ist. Und meine Tiere brauchen zu dieser Jahreszeit viel Hilfe. Ich verbringe viel Zeit damit, ihnen Futter zu geben, sicherzustellen, dass sie warm sind. Im Moment ist es so kalt, dass die Wassertröge gefroren sind. Also müssen wir das Wasser auftauen. Alle Tiere sind trächtig. Ich helfe den Tieren, zu überleben. Der Winter ist hart.
Auf den Feldern wächst auch nichts. Was essen Sie zu dieser Jahreszeit?
Ich mache oft richtig dunkelgrüne Suppen mit Hühnerbrühe und püriertem Spinat und Grünkohl. Das liebe ich. Das esse ich jetzt viel. Was noch? Schokoladenmousse. Mein heimliches Laster. Ich brauche immer ein Stück Schokolade.
Vermutlich ernähren sich die wenigsten in Deutschland oder Großbritannien saisonal. Wenn ich heute in den Supermarkt gehe, finde ich immer noch Blaubeeren und Erdbeeren. Was halten Sie davon?
Wir haben uns so weit entfernt. Die Jahreszeit beeinflusst meinen ganzen Tag, mein ganzes Leben, welche Jobs ich mache, was ich esse. Die meisten merken die Jahreszeiten nur daran, welche Jacke sie anziehen oder ob sie mit einem Regenschirm aus dem Haus gehen. Das ist eine sehr traurige Sache. Ich bin offensichtlich sehr privilegiert, so leben zu können, aber viele Menschen sind daran überhaupt nicht interessiert.
Liegt es an der Bequemlichkeit der Verbraucher?
Natürlich ist es bequem, wenn ich alles, rund um die Uhr im Supermarkt kaufen kann. Wer aber in einer gesunden Welt leben will, muss einige Dinge ändern. Das ist gar nicht so schwer. Wenn wir die Etiketten in den Supermärkten sehen und die Produkte kommen beispielsweise aus Kenia oder Mexiko, dann wissen wir, dass sie einen weiten Weg hinter sich und viel Ressourcen verbraucht haben, um zu bei uns im Laden zu stehen. Während der Schwarzkohl hierzulande angebaut wird und köstlich schmeckt.
Wenn Sie das Landleben in einem Wort beschreiben müssten, welches wäre das?
Reichhaltig.
Haben Sie ein Lieblingsgericht?
Ich liebe Eier. Täglich legen meine Hühner fünf, manchmal zehn Eier. Wenn ich wochenlang unterwegs war, esse ich als Erstes ein Stück wirklich gutes Toastbrot von der lokalen Bäckerei, mit viel Butter und einem Ei oben drauf. Das ist ein einfaches, aber sehr schönes Gericht, das ich mit meinem Zuhause verbinde.
Viele vergleichen Sie bereits mit Jamie Oliver? Fluch oder Segen?
Ich fühle mich ziemlich geehrt. Jamie Oliver ist eine Legende. Er hat erstaunliche Dinge in England getan, wie etwa das Junk-Food aus den Schulkantinen zu verbannen. Und er hat durchgesetzt, dass eine Zuckersteuer eingeführt wird, damit Kinder nicht so viel Zucker essen. Er ist ein guter Kerl, der wirklich hart gearbeitet hat. Ich habe seine Fernsehshows die ganze Zeit geschaut und würde gern in seine Fußstapfen treten, um genau wie er die Art und Weise zu verbessern, wie sich die Menschen heutzutage ernähren.
Dieser Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links. Mehr Informationen dazu gibt es hier.