Gianluigi Buffon beendet im Alter von 45 Jahren seine Karriere: Torwart-Legende, Weltmeister, Sprücheklopfer

Kylian Mbappé schaute ungläubig und ehrfürchtig drein, als Gianluigi Buffon auf ihn zu kam und ihm sein Trikot anbot. Die Torwart-Legende bittet den Teenager zum Leiberltausch – üblicherweise ist es genau umgekehrt.

Mit breitem Grinsen und einer kurzen Verneigung willigte Mbappé ein, die Gelegenheit, das Souvenir eines der größten Torhüter der Geschichte zu ergattern, kommt schließlich nicht alle Tage vor.

Seit dem 3. Mai 2017 ist Mbappé stolzer Besitzer eines Buffon-Trikots. Der Franzose war zarte 18 Jahre alt und mischte mit der AS Monaco die Champions League auf. Im Halbfinale gegen Juventus Turin war jedoch Endstation – weil Buffon vor allem im Hinspiel einige unhaltbare Bälle aus den Ecken fischte.

Auf die Frage eines Journalisten, warum er sich ausgerechnet den 21 Jahre jüngeren Mbappé für den Trikottausch ausgesucht hatte, antwortete Buffon: “Als ich jung war, hat ein älterer Spieler mal abgelehnt, mit mir Trikots zu tauschen. Ich weiß noch, wie ich das damals gehasst habe. Danach habe ich mir geschworen, nie so zu werden.”

Weltmeister, Rekordnationalspieler, fünffacher Welttorhüter

Auf dem Platz blieb Buffon dieser Devise stets treu. Er feierte große Siege und spendete den Verlierern gleichzeitig Trost. Buffon hatte oft ein Lächeln auf den Lippen, auch wenn es wahrhaftig um die Wurst ging. Vor dem Elfmeterschießen im EM-Viertelfinale 2012 zwischen Italien und England tätschelte er dem sichtlich nervösen Steven Gerrard den Kopf und lachte herzhaft. Bringen wir es hinter uns, Stevie, möge der Bessere gewinnen.

Im Tor lieferte Buffon von den Anfängen bei der AC Parma 1994, über 19 Jahre bei Juve, einem einjährigen Intermezzo bei Paris Saint-Germain bis zur Rückkehr zu seinem Herzensverein Parma über fast drei Jahrzehnte Höchstleistungen ab.

Mit 176 Einsätzen für die “Squadra Azzurra” ist er mit großem Vorsprung Rekordnationalspieler Italiens. In dieser Zeit sammelte Buffon zehn Meistertitel in der Serie A, sechs nationale Pokalsiege und als Krönung den Triumph im WM-Finale 2006 gegen Frankreich.

Er wurde fünf Mal Welttorhüter des Jahres, das gelang sonst nur Iker Casillas und Manuel Neuer. Nach dem Zwangsabstieg 2006 infolge jahrelanger Schiedsrichterbestechungen begleitete er Juventus für eine Saison in die zweite Liga. “Das war ich den Tifosi schuldig”, sagte Buffon und bezeichnete die Erfahrung Serie B später als “lustigste und schönste Zeit meiner Karriere”.

Sein größter Triumph: 2006 wurde Buffon mit Italien Weltmeister

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Buffon war kein Showman – er liebte das Einfache

Buffon war kein Showman im Kasten, sondern perfektionierte die Einfachheit des Torwartspiels. Er beschränkte sich auf das Wesentliche und strahlte enorme Sicherheit auf seine Vorderleute aus. “Ich bin nicht für die Akrobatik zuständig, sondern dafür da, die verdammten Bälle zu halten”, pflegte er zu sagen.

Ob Neuer, Casillas, Oliver Kahn oder Fabien Barthez – viele Torhüter waren in ähnlichen Sphären wie Buffon unterwegs, aber niemand hatte dieses coole Flair, diese unnachahmliche Aura. Die “Süddeutsche Zeitung” beschrieb Buffon einmal als “Torwart-Gesamtkunstwerk” und “Wunder der Alterslosigkeit”, die “Gazzetta dello Sport” als “Symbol unserer Nationalmannschaft”, als “Wächter unseres Schatzes”.

Buffon war vom Erfolg besessen. “Ich habe den absoluten Drang zu siegen, das Alter auf meinem Personalausweis bedeutet diesbezüglich recht wenig. Der Wille allein zählt”, sagte er. In der Vorbereitung auf wichtige Spiele ließ er sich jedoch nicht verrückt machen. “Wenn ich im Hotelzimmer sitze, schaue ich mir keine Elfmeterschützen an, sondern schlüpfrige Videos”, merkte Buffon an. Er sei in engen Situationen “intuitiv in der Lage, das Richtige zu tun” und “brauche kein stundenlanges Gegnerstudieren.”

Sein größter Wunsch als Spieler war es, den Fans nachhaltig in Erinnerung zu bleiben: “Ich möchte, dass die Leute traurig sind, wenn ich aufhöre.”

Buffon bleibt Champions-League-Sieg verwehrt

Buffon haftet jedoch sportlich ein Makel an. Der Triumph in der Champions League blieb ihm verwehrt, drei Mal scheiterte er mit Juventus im Finale. “Meine Karriere ist nicht komplett, wenn ich diesen Henkelpott nicht gewinne”, sagte er einmal. So tritt er als unvollendete Legende ab.

Das tut seinem Vermächtnis aber keinen Abbruch. Die Fans lagen ihm weit über die Landesgrenzen Italiens zu Füßen. Das gilt jedoch nicht unbedingt für Buffons Privatleben. Er war gleich in mehrere Wettskandale verwickelt. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen liefen ins Leere, Buffon war dennoch als unbelehrbarer Zocker gebrandmarkt. Er machte daraus nie einen Hehl und bezeichnete Absprachen für ein Unentschieden zwischen zwei Mannschaften gegen Saisonende als völlig normal: “Besser zwei Verletzte als ein Toter.”

Buffon sorgte auch anderweitig für Aufsehen. 2001 musste er 3000 Euro Strafe zahlen, weil er sich mit einem gefälschten Abiturzeugnis zum Jurastudium einschreiben wollte. Als er in Parma mit der ungewöhnlichen Rückennummer 88 auflief, wurde er in die rechte Ecke gestellt. Im rechtsextremen Milieu gilt 88 als Chiffre, “H” ist der achte Buchstabe des Alphabets, das ergibt “HH” für “Heil Hitler”.

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Buffons letztes Pflichtspiel: Am 30. Mai 2023 mit Parma gegen Cagliari

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Italien hatte Zoff und Zenga – Buffon steht über allen

Buffon gab an, die “versteckte Botschaft der 88” nicht zu kennen. Er habe sich für die Zahl entschieden, “weil sie mich an vier Eier erinnert. Und im Fußball braucht man Eier. In Italien wissen wir alle, was es bedeutet, Eier zu haben: Stärke und Entschlossenheit.”

Mit 45 und nach über 1100 Pflichtspielen ist nun Schluss. Ursprünglich wollte Buffon erst 2024 die Handschuhe weglegen, doch es ist offenbar an der Zeit, “Ciao” zu sagen.

Italien hatte viele große Torhüter: Dino Zoff, der einzige Italiener, der Welt- und Europameister wurde, oder Walter Zenga, zwischen 1989 und 1991 drei Mal Welttorhüter des Jahres in Folge. Doch keiner reicht an Gianluigi Buffon heran. Die Fußballbühne verliert einen der Besten, den es jemals gab.

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