Geplante Rentenreform: Wie, wo und wem sie helfen soll

Fragen und Antworten
Fit für die Zukunft? Wie, wo und wem die geplante Rentenreform helfen soll

Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 50er und 60er Jahren wechseln alsbald in den Ruhestand und werden von Einzahlenden zu Rentnerinnen und Rentnern (Symbolbild)

© Stephan Scheuer / DPA

Wenn die Babyboomer in dem Ruhestand gehen, gerät die Rentenkasse unter Druck. Mit einer großen Reform will die Regierung gegensteuern – und dabei auch auf den Aktienmarkt setzen. Was bedeuten die Pläne?

In den kommenden Wochen will die Bundesregierung ihre nächste große soziale Reform auf den Weg bringen und die Renten in Deutschland fit für die Zukunft machen. Auch der Aktienmarkt soll bei der Absicherung der Renten erstmals eine zentrale Rolle spielen. Doch schon vor der Vorlage der Pläne gibt es teils heftige Kritik. Was ist geplant – und was sollte man über die Aktienpläne wissen?

Was will die Ampel mit einer weiteren Rentenreform erreichen?

Die 2018 beschlossene Reform zu den großen Linien der Rente reicht nur bis 2025. Bis dahin soll das Rentenniveau von heute 48,1 Prozent nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Heute liegt er bei 18,6 Prozent vom Bruttoeinkommen. Doch was passiert dann? Wird nicht gegengesteuert, droht das Absicherungsniveau der Rente nach offizieller Prognose bis 2030 auf 46,6 Prozent zu sinken. Der Beitragssatz dürfte bis 2036 auf 21,3 Prozent steigen. Denn Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 50er und 60er Jahren wechseln in den Ruhestand und werden von Einzahlenden zu Rentnerinnen und Rentnern.

Was ist eigentlich das Rentenniveau?

Das Rentenniveau gibt das Verhältnis der Höhe einer Rente zum Lohn an. Es sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge gezahlt hat. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten weniger stark an als die Löhne. 

Was plant die Regierung?

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollen ihre Rentenpläne demnächst präsentieren. Die zwei zentralen Punkte: Das Rentenniveau soll laut Arbeitsministerium dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden. Und mit dem Aufbau eines sogenannten Generationen-Kapitals soll der Beitragssatz langfristig stabilisiert werden – hier kommen die Aktien in Spiel. “Die gesetzliche Rente wird sich dann zukünftig aus drei Quellen finanzieren”, kündigte Heil an. Also aus den Rentenbeiträgen, dem Steuerzuschuss und – neu – aus Erträgen vom Kapitalmarkt.

Werden Rentnerinnen und Rentner automatisch zu Aktienbesitzern?

Nein, auch sollen keine Rentenbeiträge in Aktienfonds fließen. Denn vom ursprünglichen FDP-Plan einer Aktienrente ist das Generationenkapital ein ganzes Stück entfernt. Die FDP hatte im Wahlkampf dafür geworben, dass zwei Prozent des Einkommens in eine kapitalgedeckte Vorsorge gesteckt wird. Stattdessen will die Regierung zunächst zehn Milliarden Euro aus öffentlichen Darlehen auf dem Kapitalmarkt anlegen. Die einzelnen Renten sollen damit auch nicht aufgebessert werden – sondern in rund eineinhalb Jahrzehnten die Rentenbeiträge stabilisiert werden.

Was halten Kritiker von den Anlagen in Aktien für die Rente?

“Die Finanzmärkte sind sehr volatil”, sagt DGB-Chefin Yasmin Fahimi. “Darauf kann man keinen Generationenvertrag aufbauen.” VdK-Präsidentin Verena Bentele warnte vor “risikoreichen Experimenten”, der Sozialverband SoVD vor “Spekulationen am Aktienmarkt”. SoVD-Chefin Michaela Engelmeier wies auf schwankende Kurse infolge niedriger Zinsen und der Häufung internationaler Krisen hin. Der Arbeitgeberverband BDA kritisierte zudem, dass der Staat dafür Schulden aufnehmen wolle und somit neue Zukunftslasten schaffe. 

Soll das Generationenkapital riskant angelegt werden?

Nein. “Die Sicherheit ergibt sich aus der Breite und der Langfristigkeit der Anlagen”, sagte Lindner (FDP) in einem Interview. Vorgesehen ist eine global diversifizierte und langfristige Kapitalanlage. Gemanagt werden soll die Anlage von einem Staatsfonds in Form einer politisch unabhängigen Stiftung. Sollten die Aktienkurse sinken und die Anlagen einmal weniger Rendite abwerfen, soll dies vom Bund kompensiert werden.

Wie weit reicht das Generationenkapital für die Rentenfinanzen?

Es ist ein Baustein – wie groß dieser wird, bleibt abzuwarten. Lindner will, dass künftig jedes Jahr zehn Milliarden Euro in die Anlage gesteckt wird. Doch ob das so kommt, ist offen. Ein künftiger Beitragsanstieg dürfte wahrscheinlich kaum voll ausgeglichen werden. DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagt: “Ich habe aber nicht viel Hoffnung, dass das wirklich einen Beitrag zur Stabilisierung der Alterseinkommen leisten wird.”

Kostet es auch Geld, wenn das Rentenniveau gestützt wird?

Eine ganze Menge sogar. Nach einer Faustformel entspricht eine Erhöhung des Rentenniveaus um einen Prozentpunkt dem Finanzvolumen von knapp einem halben Beitragssatzpunkt. Ein halber Beitragssatzpunkt entspricht etwa gut acht Milliarden Euro. Für Fahimi ist die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent sogar “das Minimum”. “Wir würden uns mehr wünschen.”

Welche Sorge treibt die Arbeitgeber um?

Die Sorge, dass künftig noch mehr Beitrags- und Steuergeld in die Rente gepumpt wird. “Mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt fließen jedes Jahr in die Finanzierung der Rente”, stellt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fest. “Wenn die Babyboomer nachrücken, wird es noch teurer.” Nötig seien aber weniger Steuern und Abgaben. “Wir haben jetzt die 40-Prozent-Grenze bei den Lohnzusatzkosten gerissen”, sagt Dulger mit Blick auf die Abgaben auf den Lohn bei allen Sozialkassen zusammen. “Da gehört eine Sozialabgabenbremse installiert.” 

Soll man auch privat künftig anders fürs Alter vorsorgen können?

Ja. Eine Regierungskommission hat bereits Vorschläge für neue Möglichkeiten vorgelegt, privat und staatlich gefördert fürs Alter vorzusorgen. Nach einer Reform der privaten Altersvorsorge könnten demnach auch Vorsorgeformen mit geringeren Garantien und höheren Renditemöglichkeiten als bei der heutigen Riester-Rente angeboten werden – auch mit Anlagen in börsengehandelten Indexfonds (ETFs). Die Riester-Rente soll den Vorschlägen zufolge auslaufen, bestehende Verträge sollen Bestandsschutz erhalten. Die SPD-Fraktion hatte die Vorschläge bereits begrüßt.

yks / Basil Wegener
DPA

source site-3