Fußball-WM der Frauen: TV-Kritik zum Deutschen WM-Aus im ZDF

TV-Kritik Fußball-WM
“Lassen Sie uns ein wenig an ihrer Enttäuschung teilhaben”, bittet der ZDF-Reporter schofelig

© Sebastian Christoph Gollnow / DPA

“Kopfschmerzen wegen der vielen Kopfbälle” hatte ZDF-Expertin Kathrin Lehmann dem deutschen Team noch gewünscht. Nach Spielende tat nicht nur der Kopf weh. Überhaupt: Ausscheiden gegen Südkorea – da war doch mal was?

Als alles vorbei ist, ist es dem Trainer der südkoreanischen Mannschaft fast ein wenig unangenehm. Colin Bell, der Mann aus Leicester, hat mehr als sein halbes Leben in Deutschland verbracht, hat hier Familie, spielte für Hamm und Honnef, trainierte Dresden, Mannheim und noch einige Teams mehr. “Ich wusste erst ein paar Minuten nach dem Spiel, dass es für Deutschland nicht gereicht hat”, so der (angeblich) 61-Jährige. “Das tut mir fürs Team wirklich sehr, sehr leid.”

Man nahm es ihm ab, und das nicht nur wegen seiner schicken Frisur und der hochsympathischen Ausstrahlung. Es war ja auch einfach eine traurige Angelegenheit. Zumindest darauf konnten sich nach dem 1:1 gegen Südkorea – beim gleichzeitigen Sieg Marokkos gegen Kolumbien und dem daraus folgenden ersten Vorrunden-Aus überhaupt für die deutschen Fußballerinnen – so ziemlich alle einigen.

Dabei hatte alles so begonnen, wie es das halt tut vor einem solchen Gruppenduell, bei dem buchstäblich alles auf dem Spiel steht. Im ZDF-Studio bekamen Moderator Sven Voss und die Schweizer Expertin Kathrin Lehmann Verstärkung in Gestalt von Ex-Nationalspielerin Fritzy Kromp, heute für die U20 von Eintracht Frankfurt zuständig, der Tenor bei allen war klar: Es ist nicht alles optimal gelaufen, aber das Team und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wüssten schon, was zu tun ist. Da muss jetzt mit einer “Boxer-Mentalität” rangegangen werden, “maximales Selbstvertrauen”, sei die Devise. Es gäbe “keine Baustellen”, so konstatierte MVT selbst und verwies auf Bob, den Baumeister. Der wiederum hätte die Mannschaft letztlich auch nicht retten können. “Yo, wir schaffen das”? Eher nicht. Man bilde einen Satz mit “Pfeifen” und “Walde”.

Schnell stand fest: “Mehr ist nicht drin”

Interviewpartnerin Tabea Kemme tippte schließlich auf ein fulminantes 4:0, Kathrin Lehmann lehnte sich mit 5:2 ebenfalls weit aus dem Fenster, Fritzy Kromp erwies sich da als zurückhaltender und prognostizierte ein solides 2:1. Dass es nicht einmal dafür reichen könnte, war schon in der ersten Halbzeit, wenn auch nur dunkel, dennoch zu ahnen. “Die Anfangsoffensive dauert jetzt schon eine halbe Stunde”, stellte Claudia Neumann treffend fest, mit ihr zusammen Josephine Henning, eine weitere ehemalige Nationalspielerin, am Kommentatorinnen-Pult. Das “Bollwerk” der Südkoreanerinnen, es stand, und auch wenn das 1:1 von Alexandra Popp noch als “absolute Willenserklärung” eingeordnet wurde, verdüsterte es sich in der zweiten Halbzeit von Minute zu Minute.

Hatten Neumann/Henning zwischenzeitlich noch Anregungen im Köcher – man brauche “Tiefe und Laufwege” gegen “scharf anlaufende Koreanerinnen” – tickte die Uhr unaufhaltsam “weiter und weiter”, die Mannschaft, sie “marschierte dem Super-Gau entgegen”. Josie Henning forderte zwar noch, “die Breite zu halten”, Claudia Neumann dagegen zog noch vor Abpfiff ein erstes Fazit: “Mehr ist fußballerisch nicht drin! Dass ich das jemals sagen müsste, hätte ich nie gedacht.”

Wie lautet noch der Slogan der mitpräsentierenden Brause-Firma: Believing is magic. Für das Spiel der Frauen konnte am Ende auch der größte Glaube kaum die nötige Magie entfachen. Die Nachspiel-Uhr tickte bereits im Viertelstunden-Segment, als es mit dem Abpfiff schließlich hieß: Raus. Raus. Raus. Das Team ist raus.

WM der Frauen und der Herren: Parallelen unübersehbar

Wie schwer es für die direkt Beteiligten war, unmittelbar nach so einem zu Fiasko zu kommentieren, wurde dann unüberseh-, beziehungsweise unüberhörbar. Zur Frage “Wie konnte das alles eigentlich passieren?”, stand die Dreierkette Popp/Brand/Oberdorf wie eine Frau: “Das können wir jetzt noch nicht sagen.” Mehr als verständlich, das Ganze. Weniger verständlich, warum der ZDF-Reporter dann immer nochmal “in die Tiefe” ging, um es mit Claudia Neumann zu sagen. “Lassen Sie uns ein wenig an ihrer Enttäuschung teilhaben”, seine fast etwas übergriffige Einlassung, angesichts weinender Spielerinnen ein ganz schön schofeliger Move.

In den letzten Worten danach stellte sich eine gefasste Bundestrainerin vor ihr Team, kündigte an, in Ruhe analysieren zu wollen. Claudia Neumann und Kathrin Lehmann waren da vom warmen Kommentatorinnen-Plätzchen aus schon ein Stück weiter. Erst einmal ginge es darum, so etwas wie Häme und überzogene Kritik zu vermeiden, immerhin, so sagten sie, stimmen die Moral und die Qualität in der Mannschaft.

Dennoch müsse man Parallelen zu den männlichen Fußballern ziehen, und das nicht nur, weil auch die schon einmal gegen Südkorea – bei der WM 2018 – im letzten Gruppenspiel ausgeschieden sind. Nein, der Hase liegt woanders im Pfeffer: Verzogen seien die jungen Sportlerinnen, hochgezüchtet, durchgeschult und analysiert. Nichts müsse mehr allein entschieden werden, es gebe keine Individualität mehr, keine Widerstandskraft. Die Lösung nach Lehmann-Art, so alt wie ein Vitamalz-Werbespot mit Franz Beckenbauer: “Geht auf die Straße und kickt!”. Und wie wird es nun weitergehen im deutschen Frauen-Frauenfußball? Schau’n mer mal.

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