“Fremantle Highway” Küstenwache kämpft gegen Umweltkatastrophe im Watt

“Fremantle Highway”
Auto-Frachter brennt weiter und treibt über die Nordsee – Küstenwache kämpft gegen Umweltkatastrophe


Sehen Sie im Video: Schwierige Löscharbeiten an brennendem Auto-Frachter – Umweltkatastrophe befürchtet.

Angesichts des noch immer brennenden Auto-Frachtschiffes in niederländischen Gewässern hat die Bundesregierung vor einer Umweltkatastrophe in der Nordsee gewarnt und deutsche Hilfe angeboten. “Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer ist ernsthaft in Gefahr”, sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Donnerstag. “Deutschland wird alles zur Verfügung stellen, was helfen kann”, so die Ministerin. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Schiff sinke. Dem Bundesumweltministerium zufolge befinden sich 1600 Tonnen Schweröl und weitere 200 Tonnen Marinediesel an Bord. Hinzu kämen mögliche Tankinhalte der transportierten Fahrzeuge sowie Verbrennungsrückstände und Löschwasser. Ähnlich äußerte sich Verkehrsminister Volker Wissing. “Wir unterstützen unsere Freunde aus den Niederlanden wo immer nötig bei der Bergung des Frachtschiffs in der Nordsee”, schrieb der FDP-Politiker auf dem Kurznachrichtendienst X, der früher Twitter hieß. Der am Dienstagabend ausgebrochene Brand auf der vor der niederländischen Küste liegenden “Fremantle Highway” konnte bislang noch nicht gelöscht werden. “Das Feuer an Bord geht immer noch weiter”, gab die niederländische Küstenwache am Donnerstagmorgen bekannt. Der in Panama registrierte Frachter befand sich rund 27 Kilometer nördlich der Insel Ameland, als das Feuer am Dienstagabend ausbrach. Dabei ist ein Mensch ums Leben gekommen. Ursache sei vermutlich ein in Brand geratenes Elektroauto, so die Küstenwache. Der Frachter war auf dem Weg von Deutschland nach Ägypten. Er hat 2857 Autos an Bord, 25 davon Elektro-Autos. Etwa 350 Wagen stammen von Mercedes-Benz, wie der Stuttgarter Autobauer mitteilte. Das Unternehmen sei in enger Abstimmung mit dem Transportdienstleister, so Mercedes Benz.


Der Auto-Frachter vor der niederländischen Küste steht noch immer in Brand – und bisher gibt es keine Chance, das Feuer zu löschen. Die Küstenwache arbeitet nun daran, eine Umweltkatastrophe für Wattenmeer und Inseln zu verhindern.

Die “Fremantle Highway” treibt – noch immer brennend – durch die Nordsee. Um 17.45 Uhr schreibt die niederländische Küstenwache in ihrem Liveblog: “Die Strömung ändert sich und dieser Moment wird auch genutzt, um die Fremantle Highway zu wenden – damit das Schiff mit Unterstützung eines Schleppers wieder ostwärts driftet. […] Das Schiff bleibt zwischen den Fahrrinnen, so dass der Schiffsverkehr in sicherem Abstand passieren kann. Der Abstand zur Küste beträgt somit weiterhin rund 16 Kilometer.” Ganz in der Nähe verläuft eine Art Autobahn für Containerschiffe und andere Frachter, die etwa von Hamburg oder Bremen aus nach Rotterdam, in den Ärmelkanal oder noch weiter wollen – wie die “Fremantle Highway” selbst: Das unter der Flagge von Panama fahrende Schiff war unterwegs von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten mit Endstation Singapur, als in der Nacht zu Mittwoch Feuer ausbrach.

Der gelbe Punkt rechts oben zeigt die Position der "Fremantle Highway" am Mittwoch. Inzwischen hat der Schlepper "Hunter" das Schiff nördlich von Terschelling an einer Stahltrosse

Der gelbe Punkt rechts oben zeigt die Position der “Fremantle Highway” am Mittwoch. Inzwischen hat der Schlepper “Hunter” das Schiff nördlich von Terschelling an einer Stahltrosse

© Screenshot vesselfinder.com

Ein Fragment aus dem Funkverkehr, den der niederländische TV-Sender RTL veröffentlicht hat, gibt einen Eindruck von den dramatischen letzten Stunden der Besatzung an Bord. Die 23 Männer, die meisten aus Indien, saßen in der Falle. Sie hätten keine Möglichkeit, zu den Rettungsbooten zu gelangen, sagten die Rettungskräfte per Funk. Gegen 2.15 Uhr sollte die Besatzung das Schiff verlassen, drei Rettungsboote waren inzwischen an der Stelle. Gemeinsam mit der Küstenwache und dem Kapitän wurde vereinbart, dass die Männer von Bord springen sollten – etwa 30 Meter in die Tiefe.

Sieben Menschen sprangen und wurden geborgen, doch viele waren verletzt, zeigte sich auf den Rettungsbooten. “Es ist zu hoch, um zu springen, es gibt zu viele Verletzte.” Ein Mann überlebte die Evakuierung nicht, er starb auf einem Rettungsboot. Die übrigen 16 Besatzungsmitglieder wurden später per Hubschrauber von Bord geholt.

Brandursache E-Autos?

Ausgelöst wurde der Brand laut dem Schiffseigner Shoei Kisen Kaisha möglicherweise durch eines der 25 Elektroautos an Bord. “Unter Deck werden Brände auf Autotransportern – übrigens genauso wie auf Containerschiffen – mit CO2 gelöscht”, sagt der Sicherheitsexperte des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Kapitän Uwe-Peter Schieder. Die Idee dahinter ist, dass das CO2 den Sauerstoff verdrängt beziehungsweise so weit verdünnt, dass das Feuer ohne Sauerstoff erstickt. Das funktioniert bei brennenden Lithium-Ionen-Batterien aber nicht, da sie beim Brennen den Sauerstoff selbst produzieren. Das CO2 ist bei einem solchen Brand also vollkommen wirkungslos.” Auch aus Sicht des Allianz-Versicherers AGCS sind Brände in Elektrofahrzeugen “tückisch, weil sie schwer zu löschen sind und sich spontan wieder entzünden können”.

“Das Feuer wütet immer noch an Bord, und aus dem Schiff steigt Rauch auf,” schreibt die Küstenwache. “Das bedeutet, dass es für Personen noch nicht sicher ist, an Bord zu gehen.” Edwin de Feijter, Sprecher der Wasserbehörde, sagte zur aktuellen Situation: “Wir können nichts weiter tun als zuschauen, wie sich das mit dem Feuer weiter entwickelt.” Die Küstenwache schreibt am Nachmittag: “Das Schiff wird nicht mehr ständig gekühlt, um zu verhindern, dass unnötig Wasser an Bord kommt. Dies gefährdet die Stabilität des Schiffes.” Obwohl der Auto-Frachter ein geschlossener Stahlkasten zu sein scheint, läuft dennoch Wasser hinein. Sammelt sich zu viel Wasser im Rumpf, könnte das Schiff instabil werden und schlimmstenfalls kentern, also umkippen. Dieses Risiko will die Küstenwache nicht eingehen.

“Fremantle Highway” vorerst stabil

“Die ‘Fremantle Highway’ liegt nun stabil”, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Das Abdriften des Schiffes sei nicht besorgniserregend. Die Vorhersagen für Wind und Strömung sind günstig, die Chancen stehen gut, dass der Frachter stabil bleibt. Sollte das Schiff kentern oder auseinanderbrechen, besteht die Gefahr einer Ölpest. “Dann könnten große Mengen Öl in die Nordsee geraten und zu einer Ölkatastrophe führen, die das ganze Ökosystem in Gefahr bringt”, warnte der Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Da das Schiff bei Ausbruch des Feuers erst einen Bruchteil seiner Reise zurückgelegt hatte, dürften die Treibstofftanks des Frachters noch relativ voll sein – und Schiffe dieser Größe fahren normalerweise mit Schweröl. Welche Giftstoffe durch brennende Fahrzeuge und Löschwasser im Inneren des Schiffes entstanden sind, vermag aktuell wohl niemand zu sagen.

Eine Verseuchung bedroht gerade das Wattenmeer-Gebiet. Es gehört zum Weltnaturerbe der Unesco und beherbergt nicht nur Tausende Tier- und Pflanzenarten, sondern ist auch Rastgebiet für Millionen Zugvögel. Positivere Nachrichten kommen inzwischen aus Den Haag: Der niederländische Minister für Infrastruktur und Wasserverwaltung, Mark Harbers, hält die Gefahr einer Ölpest für die Inseln und Küsten zur Zeit für gering, wie er sagte. Sollte Öl aus dem Frachter ausströmen, würde es sich Richtung Norden in die offene See verbreiten, teilte Minister Harbers dem Parlament mit. Die Vorhersagen für Wind und Strömung seien günstig. Das bestätigen auch Modelle des Havariekommandos, das in Deutschland für die maritime Notfallvorsorge und das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee zuständig ist. Für den Fall, dass Treib- oder Schadstoffe aus der “Fremantle Highway” auslaufen, stehen zwei Schiffe des Bundes und fünf Schiffe der Bundesländer bereit, wie ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven sagte.

Trotz des Brandes, der noch Tage andauern könnte, gibt es also Hoffnung, dass eine Umweltkatastrophe verhindert werden kann.

Quellen:“kustwacht.nl”, “havariekommando.de”, “vesselfinder.com”, DPA, AFP.

mit Agenturen

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