Frankreich verliert in Niger den letzten Partner in der Sahelzone. – Politik

Nach dem Militärputsch in Niger will Frankreich seine Bürgerinnen und Bürger möglichst rasch aus dem westafrikanischen Land bringen. Ein erstes Flugzeug starte noch am Dienstag, sagte Außenministerin Catherine Colonna und verwies auf Bestrebungen der Junta in Niamey, den Luftraum zu schließen. Auch andere Europäer, die das Land verlassen wollten, könnten mitfliegen. In Niger halten sich neben 500 bis 600 französischen Staatsbürgern auch etwa 100 Deutsche auf.

Am Wochenende war es in Niamey zu Protesten von Anhängern der Putschisten gekommen. Vor der französischen Botschaft sollen Demonstranten die Botschaftsplakette abgerissen, mit Füßen getreten und durch nigrische und russische Flaggen ersetzt haben. Paris verurteilte die Gewalt.

Am Mittwoch vergangener Woche hatten Offiziere von General Omar Tchianis Eliteeinheit den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum festgesetzt und für entmachtet erklärt. Tchiani ernannte sich am Freitag selbst zum neuen Machthaber. Die frühere Kolonialmacht Frankreich hat in Niger sowie im benachbarten Tschad etwa 2500 Soldaten stationiert. Niger war einer ihrer letzten lokalen Partner im Anti-Terror-Kampf in der Sahelzone.

Die Region ist instabiler denn je, die Terrorbekämpfung war vergebens

Der Rückzug aus Niger markiert das endgültige Scheitern der französischen Politik auf dem Kontinent. Paris redet in vielen Ländern entscheidend mit, aufgrund kolonialer Verstrickungen, machtpolitischer Interessen und auch, weil mehr als 120 Millionen Afrikaner Französisch sprechen. Bei seinem Amtsantritt hatte Präsident Emmanuel Macron angekündigt, die Beziehungen zu dem Kontinent radikal verändern zu wollen. In einer programmatischen Rede in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, stellte er Ende 2017 eine intensivere und vor allem ehrlichere Zusammenarbeit mit Afrika in Aussicht, nicht zuletzt einen neuen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit, die Rückgabe von Kulturschätzen, die Einbindung der Zivilgesellschaft auf beiden Seiten.

Wie schwierig das war, zeigte der Antiterroreinsatz in Mali. Macrons Vorgänger François Hollande hatte 2013 auf Bitten der Regierung in Bamako Truppen entsandt, um Milizen der Terrororganisationen al-Qaida und IS zu bekämpfen. Später wurden europäische Partner wie Deutschland eingebunden. Die Militäroperation, ausgeweitet auf Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad, kostete acht Milliarden Euro, fast 50 französische Soldaten fielen.

Um Terrorgruppen in der Sahel-Region zu bekämpfen, entsandten außer Frankreich auch Deutschland und andere europäische Länder Soldaten.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Letztlich war alles vergebens. Die Lage in der Sahelzone ist instabiler denn je. In Mali kam es zum Putsch, das Land rief russische Wagner-Söldner herbei, und Anfang vergangenen Jahres, kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, zog Paris seine Truppen ab. Ähnliches spielte sich in Burkina Faso ab. Der Antiterrorkampf sollte indes weitergehen, nun von Niger aus. Das Land war traditionell ein französischer Verbündeter, einer der wenigen afrikanischen Staaten, die die russische Invasion in der Ukraine bei den Vereinten Nationen verurteilten, und bisher eine demokratische Ausnahme in der Region. Es bestehen auch große wirtschaftliche Interessen. Niger ist der fünftgrößte Lieferant von Uran für französische Kernkraftwerke, etwa ein Viertel des in die EU importierten Urans stammt von dort.

Frankreich wird zum Sündenbock – das lenkt ab von internen Problemen

Noch vor zwei Wochen stand Frankreichs Außenministerin Colonna an der Seite von Präsident Bazoum, lobte Niger als wichtigen Partner und versprach neue Finanzhilfen. Nun ist auch dieser letzte Anker der Stabilität dahin. Paris hat die Entwicklungshilfe gestrichen. Die Junta in Niamey beschuldigt die Franzosen, heimlich an einer Rückkehr der alten Ordnung zu arbeiten. Und es droht ein gewaltsamer Konflikt in der Region. Am Montag warnten die Militärregierungen von Mali und Burkina Faso die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, in Niger wie angedroht militärisch einzugreifen. Das komme einer “Kriegserklärung” gegen ihre Länder gleich.

Die bittere Erkenntnis in Paris lautet, dass Frankreich schlicht die Machtmittel fehlen, um seine Vision für den Kontinent durchzusetzen. Es kann drohen und locken, wie es will: Ein Land nach dem anderen verabschiedet sich aus der Kooperation mit Paris und verbindet sich mit konkurrierenden Mächten, vorzugsweise Russland. Auf der anderen Seite wurde Frankreich zunehmend zur angeblichen Wurzel aller Übel gemacht, die die Sahelzone plagen. Machthaber nutzen das Land als Sündenbock, um von internen Problemen abzulenken.

Frankreich: Nun halten viele die russische Flagge hoch in Niger: Szene in der Hauptstadt Niamey am Tag nach dem Putsch.

Nun halten viele die russische Flagge hoch in Niger: Szene in der Hauptstadt Niamey am Tag nach dem Putsch.

(Foto: Sam Mednick/AP)

In Paris wiederum fehlte der Mut, sich das Scheitern einzugestehen und die Militärpräsenz rechtzeitig und gesichtswahrend zu reduzieren. Dem aufkommenden Autoritarismus und Russlands Ambitionen setzte man zu wenig entgegen. Wie alle anderen Staatsstreiche sah man in Paris auch den jetzigen Putsch in Niger nicht kommen. In gewisser Hinsicht wiederholt sich so für Frankreich die Erfahrung, die die USA in Ländern wie Afghanistan machen mussten.

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