Faesers Asyl-Vorschläge: Ein Diskussionsentwurf, der Fragen aufwirft


analyse

Stand: 03.08.2023 17:37 Uhr

35 Seiten zur Diskussion: Bundesinnenministerin Faeser hat Pläne für schärfere Abschieberegeln vorgelegt. Damit kommt sie einer Forderung der Länder nach. Doch das Vorgehen der SPD-Politikerin wirft auch Fragen auf.

Als Kanzler und Länderchefinnen und -chefs im Mai beim sogenannten Flüchtlingsgipfel zusammengesessen haben, ging es auch um die Probleme bei Abschiebungen. Welche gesetzliche Regelungen erschweren oder verhindern die Rückführung abgelehnter Asylbewerber? Das SPD-geführte Bundesinnenministerium wurde beauftragt, diese Regelungen unter die Lupe zu nehmen. Ein erstes Ergebnis hat Ministerin Nancy Faeser nun als Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rückführung veröffentlicht.

Diskussionsentwurf heißt, es geht hier weder um ein abgestimmtes Eckpunktepapier noch um einen vollständigen Gesetzentwurf, sondern um insgesamt zwölf Punkte mit Änderungsvorschlägen, die man nach der Sommerpause mit Ländern und Kommunen besprechen will. Eine Art Leitfaden also, der zur Debatte steht.

35 Seiten zur Diskussion

Die Länder sehen sich vom Bund mit der zunehmenden Zahl an Geflüchteten allein gelassen. Sie beklagen einen Mangel an Geld, an Unterkünften, an Plätzen für junge Geflüchtete in Schulen und Kitas. Für die Unterbringung der Menschen sind die Länder zuständig, ebenso wie für die Umsetzung von Abschiebungen. Hier aber gestaltet der Bund den gesetzlichen Rahmen. Auf 35 Seiten hat Faeser nun aufgelistet, wie sich der Bund schärfere Abschieberegeln vorstellen kann. Zu den wichtigsten Punkten des Diskussionspapiers gehören:

  • Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von zehn auf 28 Tage verlängert werden, um den Behörden mehr Zeit zu geben, eine Abschiebung vorzubereiten. In Ausreisegewahrsam wird ein abgelehnter Asylbewerber zur Durchführung einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung genommen. Darüber hinaus gibt es die Abschiebehaft, die auch über mehrere Monate, möglich ist. Für die Abschiebehaft gelten aber strengere Voraussetzungen.
  • Kann eine Person keinen Pass vorzeigen, sollen die Behörden künftig deren Handy auslesen oder fremd angemietete Schließfächer durchsuchen dürfen, um die Identität festzustellen. Die ungeklärte Identität ist aktuell eine der Hauptursachen, an denen eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber scheitert.
  • Die Behörden sollen künftig mehr Räume zum Beispiel in einer Flüchtlingsunterkunft betreten dürfen als nur gezielt das Zimmer der Person, die abgeschoben werden soll. Geht diese in einen anderen Raum oder eine andere Wohnung, wenn die Polizei vor der Tür steht, darf sie diese Räumlichkeiten nach derzeitigem Recht nicht betreten.

Warum kommt das Faeser-Papier jetzt?

Mit diesem Papier noch vor einer Ressortabstimmung an die Öffentlichkeit zu gehen, dürfte durchaus ein bewusster Schritt der Ministerin gewesen sein. Womöglich auch abgesprochen innerhalb der Regierung, zumindest seitens ihrer SPD. Die Asyl- und Flüchtlingspolitik ist Thema im Land, zuletzt kamen aus der Union Vorschläge zur Einschränkung des Asylrechts. Auch die AfD punktet derzeit unter anderem mit Äußerungen zur Migrationspolitik.

Womöglich schaut man in der SPD auch auf die Politik der dänischen Sozialdemokraten. Sie hätten es mit einer strikten Migrationspolitik und verschärften Abschieberegelungen geschafft, die Zustimmungswerte zu rechten Parteien zu senken.

Doch hinterlässt die Aktion von Bundesinnenministerin Nancy Faeser auch ein paar Fragezeichen: Warum kommt dieses Papier jetzt, noch in der Sommerpause? Warum war es noch nicht einmal in der Ressortabstimmung, so dass sich auch Grüne und FDP hinter geschlossenen Türen dazu hätten verhalten können, bevor man es veröffentlicht?

Eine Wahlkampfaktion?

Der Vorwurf aus der Opposition und auch aus Reihen der grünen Bundestagsfraktion lautet: Der Diskussionsentwurf aus dem BMI ist nicht mehr als eine schnell durchschaubare Wahlkampfaktion. Faeser will in zwei Monaten in Hessen eine Landtagswahl gewinnen. Sie tritt dort als SPD-Spitzenkandidatin an. Faeser ist dieser Tage also in einer Doppelrolle unterwegs, was durchaus auf Kritik stößt.

Alexander Throm sitzt für die Union im Innenausschuss. Für ihn ist die Vorlage des Diskussionspapiers zum jetzigen Zeitpunkt “nichts anderes als hessischer Wahlkampf ohne viel Substanz”. Auch die grüne Bundestagsfraktion reagiert verstimmt auf das Papier. Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat pocht dabei auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages: “Es ist Zeit, dass das Bundesinnenministerium den Dauerwahlkampf für Hessen beendet und sich wieder an das vereinbarte Arbeitsprogramm hält.” Es brauche eine Integrationsoffensive. Faeser selbst war für ein Statement “aus Termingründen” nicht zu erreichen.

Die Vorschläge des Innenministeriums sollen nach der Sommerpause mit den Bundesländern und Kommunen besprochen werden, erst danach soll ein Gesetzgebungsverfahren starten. Für eine echte Rückführungsoffensive müssten Bund, Länder und Kommunen dann Hand in Hand arbeiten.

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