Erdogan attackiert Finnland und Schweden erneut – „Terroristen in Parlamenten“

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Von: Linus Prien, Bedrettin Bölükbasi

Gibt es eine Einigung im Nato-Streit? Die Konfliktparteien: Die Türkei auf der einen, die anderen Nato-Länder auf der anderen Seite. Und: Finnland und Schweden. Der News-Ticker.

Update vom 9. Juni, 9.30 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft Schweden und Finnland abermals vor, Mitglieder der international als Terrororganisation anerkannten PKK in ihren Parlamenten zu haben. Daher wolle die Türkei nicht erlauben, dass diese Länder der Nato beitreten, erklärte er in Ankara auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Venezuelas Präsident Nicolas Maduro. „Freunde, zunächst einmal müssen wir uns dessen bewusst sein, dass die Nato eine Sicherheitsorganisation ist“, so Erdogan. Die Nato sei keine Organisation zur Unterstützung von Terrorgruppen.

Der türkische Präsident bekräftigte erneut, dass die Türkei nicht von ihrer Position abweichen wird: „Solange sie Terroristen in ihren Parlamenten haben, solange es in den Straßen von Stockholm Demonstrationen dieser Terrororganisation mit Postern der Anführer gibt, solange dies unter der Deckung der schwedischen Polizei geschieht und solange das schwedische Staatsfernsehen Reportagen mit Anführern der Terrororganisationen veröffentlicht, können wir ihnen nicht sagen ‚Macht weiter‘ oder ‚Tretet der Nato bei‘.“ Auch in Finnland sehe die Türkei eine ähnliche Situation.

Der schwedische öffentlich-rechtliche Sender SVT veröffentlichte Ende Mai ein Interview mit Salih Muslim, Vorsitzender der nordsyrischen Partei PYD, die als politischer Arm der YPG gilt. Die Türkei betrachtet sowohl die PYD als auch die YPG als syrische Ableger der PKK. Die YPG gilt allerdings als Verbündeter der internationalen Koalition im Kampf gegen die IS-Terrormiliz. Mit „Terroristen im Parlament“ dürfte sich Erdogan auf die kurdische Abgeordnete Amineh Kakabaveh beziehen, die eine engere Beziehung der schwedischen Regierung mit der PYD und der YPG befürwortet.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, spricht während einer Pressekonferenz. (Archiv) © dpa/Turkish Presidency

Schweden und Finnland: Türkei lässt bei Nato-Streit nicht locker – Ankara bekräftigt Forderungen

Update vom 7. Juni, 14.15 Uhr: Bei der Debatte um den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden gibt die Türkei nicht nach. „Unsere Bedenken zu den Nato-Beitrittsanträgen von Finnland und Schweden bestehen weiterhin“, erklärte der Kommunikationsdirektor der türkischen Präsidentschaft, Fahrettin Altun, laut dem Sender CNN Türk bei einer Veranstaltung zur Bedeutung der Nato im 21. Jahrhundert. Man erwarte von den skandinavischen Ländern immer noch „konkrete Schritte, konkrete Garantien“. Altun forderte ein „Ende der politischen Unterstützung für Terror“.

Die Türkei wirft Schweden und Finnland vor, die international als Terrororganisation anerkannte verbotene PKK zu unterstützen. Hier forderte Altun auch das „Ende der Waffenlieferungen an die PKK und YPG“. Die YPG gilt als Verbündeter der internationalen Koalition im Kampf gegen die IS-Terrormiliz. Die Türkei betrachtet die YPG allerdings als syrischer Ableger der PKK. Altun gab an, die Türkei werde ihre Haltung nicht ändern, falls ihre Forderungen nicht erfüllt werden.

Finnland und Schwedens Nato-Beitritt: Türkei fühlt sich nicht unter „Zeitdruck“

Update vom 3. Juni, 17.09 Uhr: Ibrahim Kalin, Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, ist bei einem Besuch in Madrid erneut auf den möglichen NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens eingegangen. „Wir fühlen uns zeitlich nicht unter Druck, so nach dem Motto ‚lasst es uns bis zum NATO-Gipfel erledigt haben‘“, sagte er laut tagesschau der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Wichtig sei, dass Schweden und Finnland offen, konkret und deutlich klar machten, wie sie gegen Terrorismus vorgehen wollten. Der NATO-Gipfel Ende Juni in Madrid stelle keine Frist dar.

Nato-Beitritt von Schweden und Finnland – Finnland will mit Schweden „Hausaufgaben“ machen

Update vom 2. Juni, 13.50 Uhr: In der Debatte um die türkische Blockade des Nato-Beitritts von Schweden und Finnland, hat der finnische Außenminister Pekka Haavisto betont, dass sie den Dialog mit der Türkei weiterführen würden. „Zusammen mit Schweden werden wir unsere Hausaufgaben machen und uns auf die Fragen der Türkei vorbereiten“, wurde Haavisto vom Sender Euronews aus einer Pressekonferenz zitiert.

Zuvor verkündete er auch das mögliche Interesse von Helsinki an türkischen Rüstungsgütern und stellte Waffendeals in Aussicht. „Es gibt so manche Waffentechnologie der Türkei, die für Finnland von Interesse sein könnte“, so Haavisto laut der britischen Zeitung Financial Times. Dabei verwies er auf „Drohnen und andere Systeme“. Allerdings wolle er nicht vorauseilen: „Schauen wir zunächst auf den aktuellen Status der Verhandlungen.“ Die Financial Times sprach hier von einer „Charmeoffensive“ Finnlands, um die Türkei zum Aufheben der Blockade zu bewegen.

Nato-Beitritt von Schweden und Finnland – Stoltenberg optimistisch über Türkei: „Werden Weg nach vorne finden“

Update vom 1. Juni, 18.20 Uhr: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gibt sich weiter optimistisch, dass Schweden und Finnland trotz Bedenken der Türkei bald in die Nato aufgenommen werden können. „Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg nach vorne finden werden“, sagte Stoltenberg am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Außenminister Antony Blinken. Blinken sagte: „Innerhalb der Nato besteht ein breiter Konsens für den raschen Beitritt Schwedens und Finnlands zum Bündnis.“

Schweden und Finnland in die Nato? Erdogan-Regierung mit neuer Forderung

Update vom 1. Juni, 7.50 Uhr: Mit Blick auf Diskussionen um einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden forderte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu eine Änderung der finnischen und schwedischen Gesetze zur Terrorismusbekämpfung. Ohne eine Änderung der jeweiligen Gesetze werde sich die Position der Türkei nicht ändern, erklärte Cavusoglu gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Die Türkei fordert von beiden Ländern eine härtere Haltung gegenüber der verbotenen PKK sowie der syrischen YPG, die von Ankara als Ableger der PKK betrachtet wird. Auch die Gülen-Organisation, die in der Türkei für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht wird, soll nicht toleriert werden.

„Wir erklären sehr wohl, warum wir dagegen sind. Wir erklären es mit Beispielen, mit Fotos, mit Videos“, so der Minister zum türkischen Widerstand gegen den Nato-Beitritt der skandinavischen Länder. Damit dürfte Cavusoglu unter anderem auf Dokumente hinweisen, die Verbindungen zwischen der PKK und der YPG zeigen sollen. Der türkische Außenminister erwähnte im Gespräch mit Anadolu auch Verhandlungen mit Finnland und Schweden. „Sogar während diese Verhandlungen andauern, demonstrieren diese Terrororganisationen gegen die Türkei“, betonte Cavusoglu. Er warf den skandinavischen Ländern vor, Aktivitäten einer von der EU als Terrororganisation eingestuften Gruppierung zuzulassen.

Ferner verlangte Cavusoglu schriftliche Antworten von Finnland und Schweden. Bei den Gesprächen mit Delegationen aus Helsinki und Stockholm habe man den Vertretern schriftliche Forderungen übergeben und nun warte man auf schriftliche Antworten auf türkische Anliegen. Dies begründete er folgendermaßen: „Die Regierung könnte sich ändern, eine neue Regierung könnte kommen. Sie könnten ‚Wir wussten das nicht‘ sagen. Nach ihrem Beitritt könnte sich ihre Position ändern. Daher wollen wir das alles schriftlich.“

Nato-Beitritt von Schweden und Finnland: Türkei blockiert – und riskiert Triumph für Putin

Erstmeldung vom 30. Mai: München/Stockholm – Die Türkei blockiert weiterhin den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sieht in einer Uneinigkeit der Nato eine ernstzunehmende Gefahr: Einen möglichen Triumph für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Türkische Nato-Blockade für Schweden und Finnland: Experte warnt vor „Sieg“ für Putin

Gegenüber der Welt betonte Heusgen die strategische Relevanz enger Beziehungen zu der Türkei: „Wir haben großes Interesse an einer engen Zusammenarbeit.“ Gleichzeitig räumte er jedoch auch erhebliche Schwierigkeiten mit Ankara ein: „Es ist oft mühsam mit der Türkei.“ Heusgens Forderung: „Wir müssen Ende Juni beim Nato-Gipfel in Madrid zu einem positiven Ergebnis kommen. Wenn wir scheitern, trägt Putin einen Sieg davon.“

Unabhängig vom künftigen Kurs der USA stellte der Sicherheitsexperte fest: „Wir Europäer und Deutsche müssen in jedem Falle mehr Verantwortung in der Welt übernehmen.“ Heusgen betonte, die von Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Ampel-Regierung angekündigte Zeitenwende müsse deshalb „rasch“ umgesetzt werden. Ein Teil davon sind die Sondermilliarden für die Bundeswehr. Die USA seien zwar sicherheitspolitisch nicht zu ersetzen. Dennoch sei es wichtig, zu einem besseren Partner für die Amerikaner zu werden.

Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz
Christoph Heusgen © IMAGO

Nötig sei etwa eine „schnelle Eingreiftruppe“, „damit wir auch in Fällen handlungsfähig sind, in denen Washington sich raushält“. Mit Hinblick auf den eskalierten Ukraine-Konflikt äußerte Heusgen sich klar: „Wir müssen alles tun, um Kiew beizustehen, auch mit Lieferung schwerer Waffen. Denn die Ukraine verteidigt auch uns und die Sicherheit der Nato-Staaten.“

Schweden und Finnland wollen in die Nato: Biden-Regierung sieht Beitritt nicht in Gefahr

Unterdessen ist der weitere Fortgang des Ringens mit der Türkei um den Beitritt von Schweden und Finnland unklar. Die meisten Experten sähen einen Beitritt von Schweden und Finnland nicht in Gefahr, berichtete die New York Times am Montag. Vielmehr sei der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, nach Einschätzung von Analysten darauf aus, seine eigenen sicherheitspolitischen Interessen und fördern. Zudem habe Erdoğan ein Interesse daran, sich zu profilieren, da ihm in der Türkei im nächsten Jahr Wahlen anstehen.

Auch die Regierung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden gehe davon aus, dass die Türkei, Schweden und Finnland sich einigen werden. Die amerikanische Nato-Botschafterin Julianne Smith sagte in Richtung Ankara: „Es scheint sich um ein Problem zu handeln, dass sie mit Finnland und Schweden haben. Also werden wir es ihnen überlassen.“ Die Diplomatin bot den skandinavischen Ländern jedoch Unterstützung an, sollte diese benötigt werden.

Skeptischer gab sich der ehemalige US-Botschafter in der Türkei und in Finnland, Eric Edelman. Der Diplomat warnte vor einem Anbiederungsversuch der Türkei an Russland. Womöglich wolle Erdoğan Putin beschwichtigen nachdem sein Land Drohnen an die Ukraine lieferte. „Er hat diese sehr schwierige Beziehung zu Putin zu pflegen“, sagte er der New York Times, „das ist ein guter Weg, Putin einen kleinen Knochen hinzuwerfen: ‚Schau, ich bin immer noch nützlich für dich.‘“

Experte Emre Peker ging auf Anfrage des Blattes wie Heusgen davon aus, dass Ende Juni vor dem Nato-Treffen in Madrid Ende Juni ein Kompromiss erzielt werden kann. Erdogan gehe es weniger um Zugeständnisse von US-Seite, denn darum, die eigenen Forderungen zum Umgang mit kurdischen Separatisten zu artikulieren und ein schwedisches Waffenembargo zu beseitigen.

Sicherheitsexperte Heusgen fordert mehr EU-Engagement im Balkan und in Afrika

Heusgen legte indes jenseits einer geeinigten Nato bezüglich des Beitritts von Schweden und Finnland das Augenmerk auf die Balkanregion und Afrika. Die EU müsse ihre Einflusszonen ausweiten und konsolidieren. Im Balkan sei die EU beispielsweise „der wichtigste Geber, der wichtigste Handelspartner, der wichtigste Investor.“ Dennoch entstehe bisweilen der Eindruck, China, Russland und auch die Türkei hätten den größten Einfluss auf die Balkanländer. Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz rief die EU dazu auf, ihr Engagement sichtbarer zu machen. Man müsse mehr Medienpräsenz generieren und mehr in der Öffentlichkeit erscheinen.

China hat seine Einflusszone längst auf Südamerika und Afrika ausgeweitet. Heusgen merkte an, dass der Ruf der USA in manchen Regionen deutlich schlechter sei, als gedacht. Laut Heusgen müssen Deutschland und die EU auch afrikanischen Staaten mehr bieten: „Wir müssen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Chinesen überall stärker investiert sind als wir.“ Dem Diplomaten zufolge muss bezüglich Unterstützung aufgestockt werden: „personell und finanziell, wir müssen unsere diplomatischen, entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Kräfte bündeln.“ (lp)

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