Die Wahl des deutschen Agrarministers der Grünen ist ein prominenter Pragmatiker, aber ein Neuling in der Landwirtschaft – EURACTIV.de

Deutschlands designierter Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat keine Vorerfahrungen auf diesem Gebiet vorzuweisen. Aber als langjähriger Grünen-Chef sagt er, er habe gelernt, „Brücken zu bauen“, und als ehemaliger Europaabgeordneter sei ihm die europäische Politik nicht fremd.

Als die Grünen am 25. November ihre Ministerliste für die neue deutsche Regierungskoalition bekannt gaben, kam ihre Wahl für das Landwirtschaftsministerium überraschend.

„Cem Özdemir war nicht wirklich auf unserem Radar“, sagte Joachim Rukwied, Präsident von Deutschlands größtem Bauernverband DBV, am Freitag auf einer Pressekonferenz.

Als ehemaliger Co-Vorsitzender der Grünen seit zehn Jahren und Spitzenkandidat der Partei bei der Wahl 2017 ist Özdemir dennoch ein bekanntes Gesicht in der deutschen Politik.

Aber da sein Hauptfachgebiet die Außenpolitik ist, scheint der Übergang zu Ernährung und Landwirtschaft weit hergeholt zu sein – so sehr, dass sogar Özdemir selbst zugibt, dass seine einzige Verbindung zur Landwirtschaft darin besteht, dass sein Vater, ein türkischer Einwanderer, als . aufgewachsen ist ein Bauer.

„Die Vorstellung, dass ich fortan für Landwirtschaft und Ernährung in Deutschland zuständig sein werde, mag vielen noch etwas seltsam erscheinen“, sagte er am Sonntag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Doch das ist aus Özdemirs Sicht nicht alles, was zählt. „Fachliche Kompetenz ist eine Sache, aber mit Menschen reden und unterschiedliche Interessen überbrücken zu können, ist eine andere Frage“, fügte er im Interview hinzu.

GAP-Überarbeitung auf der Agenda

Die Sicherung der Lebensgrundlagen der Landwirte und die Unterstützung der Verbraucherinteressen müssten mit Tier- und Klimaschutz in der Landwirtschaft verbunden werden.

Das bedeutet zunächst einmal, Kompromisse umzusetzen, die andere bereits eingegangen sind. Özdemir sagte nach seiner Amtszeit, er werde die im Koalitionsvertrag verankerten Punkte sowie die Empfehlungen der Nationalen Kommission für die Zukunft der Landwirtschaft „aufarbeiten“.

Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Kommission initiiert, um verschiedene Akteure der Agrar- und Ernährungswirtschaft zusammenzubringen und gemeinsame Politikempfehlungen zu finden.

In ihrem im Juli vorgelegten Abschlussbericht forderte die Kommission eine Umstrukturierung der Subventionen für Landwirte durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU, um Klima- und Umweltziele zu erreichen – einschließlich eines Ausstiegs aus den Direktzahlungen.

Auch der Koalitionsvertrag, den die drei „Ampelparteien“ SPD, Grüne und FDP am 24. November vorgelegt haben, setzt eine Überarbeitung der nationalen und europäischen GAP-Politik auf die Tagesordnung.

Özdemirs Erfahrung als EU-Gesetzgeber zwischen 2004 und 2009 könnte ihm helfen, sich in der Brüsseler politischen Landschaft zu Fragen der GAP und anderer EU-Politiken zurechtzufinden.

Özdemir gilt innerhalb der Grünen als Pragmatiker. Für ihn bedeutet die Umsetzung des Koalitionsvertrages Agrar- und Ernährungspolitik, Politik, die das Gepräge von FDP oder SPD trägt, an den fundamentalistischeren Flügel seiner eigenen Partei zu verkaufen.

Landwirte begrüßen prominenten Namen

In der Lebensmittelpolitik hatten die Grünen beispielsweise zuvor eine Zuckersteuer gefordert – eine Forderung, die sie in den Verhandlungen wegen des Widerstands der liberalen FDP aufgeben mussten.

Auch den Forderungen der FDP zur Gen-Editierung scheint die Partei teilweise nachgegeben zu haben. Der Koalitionsvertrag sieht zwar vor, dass die neue Regierung „Transparenz bei Züchtungsmethoden“ schafft, lehnt jedoch den Einsatz neuer Züchtungstechniken – ein zentrales Anliegen vieler Grünen – nicht ausdrücklich ab.

Trotz mangelnder Erfahrung auf diesem Gebiet wurde die Wahl der Grünen zum Landwirtschaftsminister von den Bauernverbänden gut aufgenommen.

„Ein erfolgreicher Landwirtschaftsminister muss nicht unbedingt nach Stall riechen“, sagte Rukwied vom DBV. Entscheidend sei vielmehr, dass man „pragmatisch und lösungsbereit“ sei, betonte er.

Rukwied begrüßte auch, dass die Partei einen etablierten Politiker für den Posten gewählt hat. „Das ist aus meiner Sicht ein Signal der Grünen, dass sie dem Thema Landwirtschaft große Bedeutung beimessen.“

Der Verband der Klein- und Mittelbetriebe AbL nannte die Wahl eine „interessante Herausforderung“.

„Dass Cem Özdemir bisher nicht als Experte für Agrarpolitik aufgefallen ist, spricht nicht gegen ihn“, sagte der Bundesvorsitzende der Organisation, Georg Janßen. Wichtiger sei, ob der neue Minister „die großen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen gemeinsam mit den Landwirten anpackt“.

Deutsche Kommission fordert Ausstieg aus den Direktzahlungen der GAP

Die EU-Agrarsubventionen sollen umstrukturiert werden, um Umwelt- und Klimaziele zu erreichen, darunter ein Ausstieg aus den Direktzahlungen und die Reduzierung des Viehbestands, heißt es in einem Meilensteinbericht der Deutschen Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft. EURACTIV Deutschland berichtet.

[Edited by Alice Taylor/Zoran Radosavljevic]


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