Deutschland steuert 2023 auf eine Stagflation zu – EURACTIV.de

Da die Energiepreise Unternehmen und Verbraucher weiterhin belasten, prognostizierte das deutsche Wirtschaftsministerium am Mittwoch (12. Oktober) einen Rückgang des BIP des Landes, während die Inflation auf einem Rekordhoch bleiben wird, ein Phänomen, das als „Stagflation“ bekannt ist.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) prognostiziert für Deutschland im Jahr 2023 einen BIP-Rückgang von 0,4 %. Die Inflation soll mit 7 % im nächsten Jahr hoch bleiben, nach 8 % in diesem Jahr.

Da die russischen Importe nach Deutschland und in die meisten anderen EU-Länder drastisch reduziert wurden, sind die Energiepreise gestiegen. Dies trifft Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU, mit besonderer Wucht.

Die Regierung hat daher ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr nun drastisch auf ein reales BIP-Wachstum von 1,4 % reduziert, verglichen mit 2,2 %, die sie im April erwartet hatte.

Für das kommende Jahr sind die Aussichten noch düsterer. Mit einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Aktivität um 0,4 % „geht Deutschland in eine Rezession“, sagte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Gleichzeitig bleibt die Inflation hoch. Damit befindet sich Deutschland auf dem Weg zu einer Kombination aus negativen Wachstumsraten und hoher Inflation, die von Ökonomen als „Stagflation“ bezeichnet wird.

Auf diese Kombination ist besonders schwer zu reagieren, da Mittel zur Bekämpfung der Inflation, wie etwa von der Zentralbank festgelegte höhere Zinssätze, den wirtschaftlichen Abschwung verstärken können, während wachstumsfördernde Maßnahmen, wie etwa höhere Staatsausgaben, die Inflation weiter anheizen können.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warnte bereits im April vor genau diesem Szenario und stellte fest, dass die Bundesregierung „alles tue“, um eine Stagflation zu vermeiden.

„Hätte noch schlimmer sein können“

Nun ist die Warnung eingetreten. „Die Zahlen sind schlecht, darüber lässt sich nicht streiten“, sagte Habeck.

„Aber es hätte noch schlimmer kommen können, wenn die Regierung nicht gehandelt hätte“, bemerkte er mit Blick auf die kürzlich angekündigten Hilfspakete seiner Koalition, darunter die 200 Milliarden Euro zusätzliche Kreditaufnahme, mit der die Regierung den Gaspreisanstieg begrenzen könne Verbraucher und Industrie treffen.

„Manchmal vergessen die Leute: [We are in this crisis] weil Putin nicht mehr liefert“, betonte er. „Mit den verschiedenen Maßnahmen, die wir ergreifen, arbeiten wir Putins preistreibender Politik entgegen.“

Dank der Politik seiner Regierung, betonte Habeck, würden die erwarteten 7 % der deutschen Inflation im Jahr 2023 niedriger sein als die zuletzt von einem Konsortium von Wirtschaftsinstituten prognostizierten 8,8 %.

Gleichzeitig erkannte Habeck die Grenzen solcher Finanzhilfen. „Es ist ganz klar, dass das, was wir mit finanziellen Mitteln heilen, nicht die Ursache selbst bekämpft“, sagte er. Die Ursache seien die Energiepreise, „und die müssen sinken“, fügte er hinzu.

Dafür sei eine Einigung auf europäischer Ebene „in greifbarer Nähe“, sagte Habeck und fügte hinzu, er habe nach dem gestrigen Treffen mit seinen Energieministerkollegen in Prag eine „kurze Nacht“ hinter sich.

„Investieren, um aus dieser Krise herauszukommen“

Um aus dieser Krise herauszukommen, setzt Habeck auf Investitionen.

Während die Staatsausgaben insgesamt sinken, werden die Investitionen dank der von seiner Regierung geschaffenen Schattenhaushalte wie einem Fonds für die Klima- und Energiewende, dem 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds für Militärausgaben und den kürzlich angekündigten 200-Milliarden-Euro steigen Hilfspaket.

„Durch eine kluge Wirtschafts- und Finanzpolitik haben wir alle Möglichkeiten, Investitionssignale zu setzen“, sagte Habeck und wies darauf hin, dass dafür auch Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssten.

Unterstützt wird dies von der führenden Regierungspartei, den Sozialdemokraten von Olaf Scholz (SPD).

„Krisenmanagement kann eine Chance für Transformation und neue Geschäftsmodelle sein“, sagte Verena Hubertz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei.

Die Unternehmen äußern jedoch viel mehr Besorgnis.

„Die Investitionstätigkeit, insbesondere in der Industrie, dürfte im kommenden Jahr aufgrund der Kombination aus Kostenschocks und pessimistischen Aussichten für die Geschäftsentwicklung zurückgehen“, schreibt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einer Stellungnahme.

„Die Bundesregierung muss die vorgeschlagenen Maßnahmen am Energiemarkt jetzt zügig umsetzen, um dennoch eine schwere Rezession zu vermeiden“, so der Verband weiter.

Abschwung nur von kurzer Dauer, Beschäftigung stabil

Insgesamt wird der wirtschaftliche Abschwung nur von kurzer Dauer sein, hofft die Bundesregierung. Für 2024 prognostiziert sie wieder positive Wachstumsraten.

„Aber bei genauerem Hinsehen fängt das schon früher an“, betonte Habeck mit Blick auf die künftigen Energiegroßhandelspreise, die er ab dem zweiten Quartal 2023 lockern werde.

Als weitere gute Nachricht erwartet Habeck keine Massenarbeitslosigkeit, die normalerweise ein Merkmal eines stagflationären Umfelds wäre. Der Arbeitsmarkt „wird sich als robust erweisen“, sagte er, da „die Beschäftigung weiter steigt“.

„Wo es Entlassungen geben kann oder wird, die Kurzarbeitsregelung [Kurzarbeitergeld] in Kraft tritt“, stellte er fest.

[Edited by Oliver Noyan/Nathalie Weatherald]


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