Deutsches Tierschutzlabel droht EU-Markt zu verzerren, sagen Kritiker – EURACTIV.com

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (12.10.) dem Gesetzentwurf von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine verpflichtende Tierwohlkennzeichnung zugestimmt, doch Opposition und Bauernverbände warnen vor Ungereimtheiten im EU-Binnenmarkt.

Lesen Sie hier die deutsche Originalgeschichte.

In einer öffentlichen Erklärung nach der Kabinettssitzung begrüßte die deutsche Ministerin für grüne Landwirtschaft die Einigung als „wichtigen Schritt in Richtung nachhaltiger Tierhaltung“ und sagte, dass die Verbraucher mit dem neuen Label für tierische Produkte bald „eine echte und verlässliche Wahl für mehr haben würden Tierschutz.”

Özdemir stellte im Juni erstmals die Eckpunkte des Gesetzentwurfs vor, der eine Kennzeichnungspflicht vorsieht, die zunächst nur für unverarbeitetes Schweinefleisch gilt und dann schrittweise auf alle tierischen Produkte ausgedehnt wird.

Wenn sie angenommen werden, würden die neuen Vorschriften Produkte dazu zwingen, offenzulegen, unter welchen Bedingungen Tiere gezüchtet wurden, um das Produkt herzustellen.

Die Etiketten würden dann eine von fünf Stufen angeben, von der Innenhaltung ohne Zugang zum Freiland bis zur Freilandhaltung, wobei die ökologische Produktion eine separate Kategorie ist.

Mögliche Verzerrung des EU-Marktes

Die neue Nutztierkennzeichnungspflicht gilt allerdings nur noch für Produkte, die aus Tierhaltung in Deutschland stammen, während die Kennzeichnung bei Importen aus anderen EU-Staaten zumindest vorerst freiwillig bleibt.

Hier sehen Oppositionsparteien und Landwirte die Gefahr einer Marktverzerrung.

So könnten beispielsweise Produkte aus Massentierhaltungen aus anderen EU-Ländern ohne Label in den deutschen Supermarktregalen landen, während ein gleichwertiges Produkt aus deutscher Produktion verpflichtet wäre, ein Label mit der niedrigsten Tierschutzstufe zu tragen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte in einem Ende September eingebrachten Antrag, das Tierwohl-Siegel auch für Lebensmittel aus anderen EU-Mitgliedsstaaten und Drittstaaten zu gelten, „um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten“ und „die regionale Produktion zu stärken“. .

„Diese Haltungskennzeichnung hat deutliche Schwächen und Lücken, die die angestrebte Wirkung nicht nur verfehlen, sondern teilweise sogar konterkarieren“, ergänzte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, in einer Stellungnahme.

Der Bauernverband wies auch darauf hin, dass die Sauenhaltung – also die Aufzucht trächtiger und säugender Muttertiere und deren Ferkel – vorerst von der Gesetzesvorlage ausgenommen bleibt.

„Dadurch können unbetäubt kastrierte Ferkel weiterhin aus dem Ausland in den heimischen Markt importiert werden und würden weiterhin das Tierschutzlabel erhalten“, warnte Rukwied.

Brüssel sollte eine Herkunftskennzeichnung vorlegen

Um Marktnachteilen entgegenzuwirken, fordert der Bauernverband seit langem, das neue Label mit der Einführung einer obligatorischen Herkunftskennzeichnung für tierische Produkte zu kombinieren, um transparenter zu machen, in welchem ​​Land die Tiere aufgezogen wurden.

Ebenso wie das Tierwohl-Siegel ist auch das Herkunftszeichen Bestandteil des Koalitionsvertrages zwischen den regierenden Sozialdemokraten, den Grünen und der FDP.

Das Landwirtschaftsministerium verfolgt jedoch stattdessen den Ansatz, in Brüssel auf die Einführung eines EU-weiten Herkunftszeichens zu drängen.

Ein nationaler Ansatz wäre aufgrund grenzüberschreitender Lieferketten sowohl unpraktisch als auch auf einem gemeinsamen EU-Markt rechtlich schwierig, argumentierte die Staatssekretärin des Ministeriums, Silvia Bender, Anfang des Jahres auf einer Podiumsdiskussion.

Der Europäische Gerichtshof hat Ende 2020 entschieden, dass nationale verpflichtende Herkunftskennzeichnungsmaßnahmen nur dann zulässig sind, wenn sie beispielsweise zum Schutz der öffentlichen Gesundheit oder zur Verhinderung von Lebensmittelbetrug gerechtfertigt sind.

Ende des Jahres will die Europäische Kommission einen Gesetzentwurf zur EU-weiten Kennzeichnungspflicht von Lebensmittelverpackungen vorlegen, der eine Ausweitung der Kennzeichnungspflicht von Produkten beinhalten könnte.

Feinschliff im Bundestag

Trotz der Bedenken begrüßte der Bauernverband, dass es in Deutschland bald ein verbindliches Tierwohllabel geben wird.

Auch der Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft BÖLW würdigte die Entscheidung des Kabinetts als „guten Tag für die Verbraucher“ und betonte, dass der Schritt auch „wichtig für die Landwirte“ sei.

Besonders begrüßte der Verband, dass Fleisch aus ökologischer Landwirtschaft in einer eigenen Kategorie gekennzeichnet werden soll.

Tierschützer warnten unterdessen davor, dass das Gesetz noch etwas verschärft werden müsse.

In einer Stellungnahme appellierte Anne Hamester, Kapitalvertreterin von PROVIEH, an die beiden Kammern des Parlaments, den Bundesrat und den Bundestag, sich „für eine Neuordnung der fünf Ebenen der Tierhaltung einzusetzen“.

Sie forderte auch eine Verschärfung der Kriterien, die Landwirte erfüllen müssen, um die höchsten Haltungsniveaus zu erreichen.

Die notwendigen Folgeschritte wie die Ausweitung auf andere Produktgruppen müssten schnell eingeleitet werden, fügte sie hinzu.

Der Tierschutzverein Vier Pfoten sagte derweil, der Gesetzentwurf „verfehle seine zentrale Aufgabe, transparent über die Haltung von Tieren zu informieren“, da er die Bezeichnung der verschiedenen Haltungsformen teilweise für irreführend halte.

[Edited by Nathalie Weatherald]


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