Bundesregierung erwägt Begrenzung der Biokraftstoffproduktion – EURACTIV.de

Deutschlands Umwelt- und Landwirtschaftsministerium arbeiten Berichten zufolge an Beschränkungen für die Biokraftstoffproduktion, damit mehr Getreide als menschliche Nahrung verwendet werden kann, da die Agrarmärkte aufgrund des Krieges in der Ukraine angespannt bleiben. EURACTIV Deutschland berichtet.

Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will Umweltministerin Steffi Lemke derzeit die Produktion von Biokraftstoffen aus Getreide oder Ölsaaten reduzieren, sagte Lemke am Freitag (29.04.) der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

Aus landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Raps, Getreide und Rüben wurden häufig Zusatzstoffe hergestellt, die klimaschädlichen fossilen Brennstoffen beigemischt wurden, um deren CO2-Bilanz zu verbessern.

„Ackerland ist weltweit begrenzt, und wir brauchen es dringend für die Ernährung, wie der Krieg in der Ukraine dramatisch zeigt“, sagte auch Lemke. Aus ihrer Sicht sollten landwirtschaftliche Flächen nicht für den Tank, sondern für die Lebensmittelproduktion genutzt werden, erklärte sie.

Der Grünen-Minister verwies auch darauf, dass Deutschland bereits entschieden habe, Diesel mit Palmölzusatz nicht mehr als umweltfreundlichen Biokraftstoff anzuerkennen. Nun will sie auch den Einsatz von Agrotreibstoffen in Lebens- und Futtermitteln weiter reduzieren.

Ähnlich äußerte sich Lemkes Parteikollege Özdemir zuletzt mehrfach.

Vorschlag bedarf der Zustimmung des Kabinetts

Bei der Frage, ob Agrarrohstoffe für Lebensmittel, Futtermittel oder Bioenergie genutzt werden sollen, gelte das Prinzip „Food first“, sagte Özdemir nach einem Treffen mit den Bundeslandwirtschaftsministern Anfang April.

Unterstützt werden die Grünen-Minister auch von Entwicklungsministerin Svenja Schulze von der SPD. In Deutschland würden 5 % der Ackerfläche für die Biokraftstoffproduktion genutzt, sagte sie dem Handelsblatt.

„Wenn es uns gelingt, dieses Land Schritt für Schritt für die Nahrungsmittelproduktion zurückzuerobern, wäre das ein Gewinn für die Ernährungssicherung“, sagte Schulze.

Inwieweit Verkehrsminister Volker Wissing von der liberalen FDP Lemkes Initiative unterstützen würde, ist noch nicht klar. Ein ständiger Austausch zwischen den Ministerien sei im Gange, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums gegenüber EURACTIV.

„Wir brauchen erneuerbare Kraftstoffe, insbesondere für Schiffe und Flugzeuge, aber auch für den Straßenverkehr“, fügte der Sprecher hinzu, ohne sich zu inhaltlichen Details zu äußern.

„Die Handlungsoptionen in diesem Bereich sind breit gefächert: von fortschrittlichen Biokraftstoffen bis hin zu strombasierten Kraftstoffen, jeweils in flüssiger oder gasförmiger Form“, fügte er hinzu.

Debatte über Flächennutzung

Der Krieg in der Ukraine und die dadurch verursachten Turbulenzen auf den Agrarmärkten haben die Debatte in Deutschland und Europa über Biokraftstoffe und deren Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit in jüngster Zeit neu entfacht.

Wegen des Wegfalls von Agrarexporten aus der Ukraine und teilweise Russland fordern vor allem Umweltschützer, Engpässe auf den Weltmärkten nicht durch mehr Agrarproduktion auszugleichen. Stattdessen fordern sie, dass mehr der bereits produzierten Agrarrohstoffe auf den Teller statt in den Tank kommen.

Auch Forscher der Princeton University haben in einer aktuellen Studie den hohen Flächenverbrauch von energiereichen Pflanzen für Biokraftstoffe kritisiert.

Solche Argumente wurden jedoch von der Biokraftstoffindustrie als „lächerlich“ abgetan, die auch betont, dass bei der Biokraftstoffproduktion nicht nur Kraftstoff, sondern auch Lebens- und Futtermittel produziert werden.

Auch die Öl- und Eiweißpflanzenindustrie kritisierte Lemkes Schritt.

Der Bundesverband zur Förderung der Öl- und Eiweißpflanzen e.V. lehnte in einer Stellungnahme „eine Änderung der bestehenden Höchstmengenregelungen für Biosprit entschieden ab“.

Hinter der Nutzung von Rapsöl für Biodiesel stehe „eine über Jahrzehnte gewachsene Produktions- und Verarbeitungsstruktur, die mittlerweile eng mit anderen Branchen, darunter auch der Lebensmittelindustrie, vernetzt ist“, so die Gewerkschaft weiter.

Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums deckten Biokraftstoffe im Jahr 2020 rund 6,5 % des gesamten Kraftstoffbedarfs in Deutschland, darunter fast drei Millionen Tonnen Biodiesel und 1,2 Millionen Tonnen Bioethanol.

Deutschland nutzt umstrittene Biomasse inmitten der Energiekrise

Zur Deckung des besonders hohen Energiebedarfs soll Biomasse eingesetzt werden, so das sogenannte „Osterpaket“ der Bundesregierung, das als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine die Nutzung landwirtschaftlicher Rohstoffe zur Energiegewinnung zum Ziel hat.

[Edited by Alice Taylor]


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