Demonstrationen gegen rechts: Zehn Ideen, wie es weitergehen kann

Hunderttausende protestieren im ganzen Land gegen die radikale Rechte. Es ist ein Anfang. Aber was machen wir daraus? Zehn Vorschläge.

Es bewegt sich etwas in diesem Land. Nachbarn treffen sich zu Lichterketten. Rentner singen Freiheitslieder. Kinder basteln Plakate, ziehen mit ihren Eltern in die Innenstädte. Marktplätze laufen voll. Fußgängerzonen quellen über. 200 Demonstrationen allein am vergangenen Wochenende, in Düsseldorf, Hamburg, Weimar, Osnabrück, Bautzen. “Wir sind bunt, wir sind mehr”, so schallt es durch die Republik.

Die politische Mitte lebt noch. Sie wehrt sich, steht auf. Gegen die rechtsextreme Gefahr. Gegen Deportationsfantasien und Umsturzpläne in der AfD. Für Freiheit, für Menschlichkeit, für den Erhalt der Demokratie. Das ist das starke Signal dieser Tage.

Offen ist nur: Hilft der Aufstand? Hält er an? Und wenn ja – was folgt daraus?

Demonstrationen können beleben, beseelen, Stimmungen drehen. Aber sie können auch die Sinne täuschen, Menschen glauben lassen, Probleme wie der Aufstieg aggressiver Populisten ließen sich mit Kerzen beseitigen. Als müsse die Angst vor dem Erstarken der extremen Rechten nur groß genug sein, damit das Land endlich zur Vernunft kommt.

Dabei droht die Gesellschaft gerade zu zerfallen. Denn während der eine Teil der Bevölkerung auf Straßen und Plätze strömt, haben andere längst jeden Glauben an die Institutionen aufgegeben. Verlieren etablierte Parteien massenhaft Mitglieder. Radikalisieren sich Kräfte, die bisher zur politischen Mitte zählten. Wie groß die Gruppe derer ist, die sich schon aus dem demokratischen Konsens verabschiedet haben, zeigt sich regelmäßig in Umfragen. Zuletzt in Sachsen.

Im Freistaat misstrauen mittlerweile 89 Prozent der Menschen politischen Parteien, 82 Prozent stellen sich gegen die Bundesregierung, und mehr als die Hälfte der Sachsen meint, es sei an der Zeit, “Widerstand” gegen die aktuelle Politik zu leisten.

Die gute Nachricht: Nur weil Menschen sich abwenden, heißt das nicht, dass wir dem Untergang entgegengehen. Das Gefühl, an einem Kipppunkt zu stehen, kann wachrütteln. Der Bruch zwischen Bürgern und Politik kann heilen. Aber bevor sich wirklich etwas zum Besseren wendet, müssen sich ein paar Dinge ändern. In der Politik. Und in der Haltung der Menschen ihr gegenüber.

 1. Schluss mit dem Verbotsgerede

Der Wunsch, die AfD verbieten zu lassen, ist menschlich nachvollziehbar, aber politisch naiv. Das letzte Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD dauerte mehr als drei Jahre. Der Versuch, die AfD vom Bundesverfassungsgericht aus dem Verkehr ziehen zu lassen, dürfte nicht weniger Zeit in Anspruch nehmen.

Die AfD hätte also mehrere Jahre Zeit, mit dem Vorwurf durchs Land zu ziehen, die Konkurrenzparteien wollten sie juristisch bekämpfen, weil sie politisch keine Antwort mehr hätten. Wenn es ganz schlecht läuft, regiert die AfD schon irgendwo, bevor Karlsruhe überhaupt entscheidet.

Ein Verbotsverfahren könnte außerdem zu falscher Bequemlichkeit führen. Motto: Soll das mal das Verfassungsgericht erledigen. Die AfD sitzt aber im Bundestag, in 14 Landesparlamenten. Sie stellt einen Landrat und einen hauptamtlichen Bürgermeister. Man wird sich weiter mit ihr auseinandersetzen müssen, auch während eines Verbotsverfahrens. Gerade Menschen, die aus Frust mit dem Gedanken spielen, extrem rechts zu wählen, muss die demokratische Politik zurückgewinnen. Sonst suchen sie sich im Falle eines AfD-Verbots einfach ein neues Ventil.

Und schließlich: Was, wenn Karlsruhe zugunsten der AfD entscheiden würde? Die Hürden für ein Verbot sind hoch. Der gesamten Partei, nicht nur einzelnen Akteuren, müsste nachgewiesen werden, dass sie systematisch verfassungsfeindlich agiert.

Energie und Zeit, die dieser bürokratische Aufwand erfordert, sind in konkrete Politik besser investiert. Nie wieder ist jetzt, nicht in fünf Jahren.

2. Die Demokratie braucht ein Update

Die Demokratie sei in Gefahr, sie müsse dringend geschützt werden, heißt es gerade überall. Aber ist sie wirklich so gut in Schuss? Und ist der Status quo überhaupt bewahrenswert?

Klar, die Gewaltenteilung funktioniert, der Rechtsstaat ist ein Segen. Trotzdem vertraut mehr als die Hälfte der Deutschen der Demokratie nicht mehr, wie die Körber-Stiftung im August 2023 feststellte. Die Wahlbeteiligungen gehen zurück, Kräfte, die am System rütteln, werden stärker, der Diskurs verroht. Da kann etwas nicht stimmen. Wenn Menschen sich entkoppelt fühlen, sich abmelden – warum versuchen wir nicht, sie wieder reinzuholen?

Es gibt Experten, die seit Jahren darauf drängen. Claudine Nierth zum Beispiel, Sprecherin des Vereins “Mehr Demokratie”, einer der wichtigsten Akteure im Land für mehr Bürgerbeteiligung. Alle vier Jahre ein Kreuz machen? Das reicht aus ihrer Sicht längst nicht aus. “Unsere Demokratie braucht ein Update”, sagt sie. “Die Bevölkerung steht zu sehr am Spielfeldrand. Wir müssen sie einwechseln.”

Aber die Politik hat selbst ein merkwürdig verdruckstes Verhältnis zur Bevölkerung entwickelt. Bürgerräte? Gern. Aber nicht zu häufig und höchstens beratend. Volksentscheide? Manchmal okay, aber bitte nur vor Ort und nicht bundesweit, wo es ans Eingemachte geht. Grundgesetzänderungen? Sind selbstverständlich möglich, bestimmen wir aber im Parlament. Es mag für all das Argumente geben. Aber wer wirkt, als habe er Angst davor, politisch schmerzhafte Entscheidungen zu kassieren, braucht sich nicht zu wundern, wenn er in die Defensive gerät.

Kurzum: Die gegenwärtige Krise ist auch eine Chance, unser Betriebssystem zu überholen. Denn wer mitspielt, hat keine Zeit, permanent zu meckern.

3. Macht endlich!

Sie wollen es ja, kein Zweifel. Kanzler Scholz will “endlich” und im “großen Stil” abschieben. Vizekanzler Habeck das “Bürokratie-Dickicht” lichten. Und Vizevizekanzler Lindner die Wirtschaft “entfesseln”. Ihr Tatendrang ist gewaltig, die Ergebnisse sind dürftig.

Die Regierung hat Erwartungen geweckt, die sie bislang nicht erfüllt. Scholz wird nicht “im großen Stil” abschieben können, bis sich die Herkunftsländer dazu bereit erklären, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. Habeck nicht die Papier-Hochgebirge von heute auf morgen zu kleinen Hügellandschaften schrumpfen. Und Lindner die Wirtschaft nicht so entfesseln können, dass sie mit neuer Zuversicht in die Zukunft investiert – das lassen die vielen globalen Krisen nicht zu.

Wenn großspurig angekündigt wird, die Umsetzung aber nicht gelingt, entsteht eine Glaubwürdigkeitslücke, die Menschen in die Arme der Populisten treibt.

Die Regierung muss ins Machen kommen. Realistische Ziele kommunizieren, priorisieren – und dann umsetzen. Wie lange will man noch über Funklöcher lamentieren, über den schleppenden Windkraftausbau oder fehlende Ladesäulen? Wenn die Regierung mal loslegt, wird sie erkennen: Machen ist wie Wollen. Nur besser.

Eine Hand mit Megafon geformt aus Demo-Sprüchen

© Nils Kasiske

4. Raus aus der Routine!

Neulich wandte sich Frank-Walter Steinmeier an die Bevölkerung. Während Zehntausende im Land demonstrierten, sprach der Bundespräsident ein paar Sätze in die Kamera, fernab des Geschehens, irgendwo im Schloss Bellevue. “Diese Menschen machen uns allen Mut”, sagte der Bundespräsident. Das Grußwort wirkte wie ein Hallo von einem anderen Stern. Sehr nett, sehr weit weg, sehr egal.

Nun müsste der Bundespräsident nicht gleich im Freizeitdress auf einer Demo Plakate schwenken. Aber könnte er sich dort nicht mal als stinknormaler Bürger zeigen, ohne Rolle, Rede oder Auftrag, einfach so? Steinmeiers Protokoll würde protestieren, klar. Aber wo ein Wille, da ein Weg, das gilt auch für Staatsoberhäupter.

Um nahbarer zu werden, müssen Parteien und Politiker raus aus ihren Routinen und Ritualen. Letztlich ist der Kampf gegen Populisten auch eine Stilfrage. Die haben verstanden, dass sie Menschen binden können, wenn sie direkter kommunizieren, wenn sie mit Traditionen brechen. Dagegen wirkt die etablierte Politik viel zu oft wie aus der Zeit gefallen.

Niemand muss mit einer Kettensäge durchs Land laufen, um Veränderungswillen zu demonstrieren, wie der neue argentinische Präsident. Aber vielleicht würde es schon reichen, wenn Politiker mal weniger förmlich agierten, wenn sie sich trauen würden, Emotionen anzusprechen. Wahrhaftigkeit schafft Vertrauen. Selbst ein Kanzler darf mal aus der Haut fahren, über sich selbst lachen oder freimütig zugeben: Das war richtiger Mist. Immerhin wüsste man dann: Da sitzt ein Mensch im Kanzleramt.

5. Rechts ist nicht gleich rechtsextrem

Wer die Demokratie verteidigt, darf sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten. Manchmal aber schwächen die scheinbar kleinen Dinge den Protest. “Demo gegen rechts”, so lautet in vielen Städten der Aufruf zum Protest. “Rechts” steht inzwischen ganz generell für eine menschenverachtende Politik, für alles, was “rechtsextrem” ist. Nur fehlt leider der Zusatz “extrem” in vielen Aufrufen.

Das ist ein Fehler. Schließlich verortet sich ein großer Teil der Bevölkerung rechts der politischen Mitte. Wer CDU oder FDP wählt, fühlt sich von einer “Demo gegen rechts” nicht unbedingt eingeladen. Kann man kleinlich finden, ist trotzdem unnötig. Denn die wehrhafte Demokratie kann auf diese Bürger nicht verzichten.

Noch problematischer wird es, wenn Veranstalter bewusst Parteien rechts der Mitte ausschließen wollen. Wer eine der großen Demos zur Abrechnung mit Friedrich Merz nutzen will, verwechselt den politischen Kampf mit der Verteidigung der Arena, die diesen Kampf erst ermöglicht. In einigen Regionen war es lange undenkbar, dass CDU und FDP gemeinsam mit linken Bündnissen gegen die AfD auf die Straße gehen. Das ändert sich gerade. Man sollte es den Konservativen nicht unnötig schwer machen.

6. Widersprecht!

Themen, über die man nicht spricht, gibt es in jeder Familie. Wenn es den ersten Sex der Eltern berührt oder andere Untenrum-Themen, ist das vielleicht okay. Geht es um Rassismus oder Verschwörungstheorien, hilft nur eines: Mund aufmachen.

Migration, Impfungen, Waffenlieferungen an die Ukraine – seit der Pandemie werden bei vielen Zusammenkünften potenzielle Streitthemen lieber umschifft. Klopft Onkel Herrmann doch wieder provozierende Sprüche, hört man darüber hinweg. Soll man dafür den Familienfrieden riskieren, die Freundschaft, die gute Nachbarschaft? Oder schlimmer noch: Denken etwa langsam alle so? Ein Gefühl der Ohnmacht machte sich breit.

Darin liegt die Chance der Proteste: Die Demokraten sind wieder sichtbarer im Land. Sie sind überall, sie sind viele – vielleicht sind wir ja doch mehr?! Hunderttausende waren nicht nur in den Großstädten unterwegs, sondern auch in kleineren Städten der vermeintlichen Provinz. Eine La-Ola-Welle voller Kraft wälzt sich durchs Land, die eines ruft: Ihr seid nicht allein! Werdet mutiger! Widersprecht, wenn der Kollege in der Kantine oder die Nachbarin im Treppenhaus Unfug erzählen.

Ja, es gibt sie: Menschen, die feste rassistische oder rechtsextreme Überzeugungen haben. Aber was ist mit all denen, die auf der Kippe stehen? Sie aufzugeben wäre ein großer Fehler.

7. Ran an die soziale Schere!

Zwar klaffen die Einkommen in Deutschland nicht so weit auseinander wie anderswo. Aber Gerechtigkeit ist immer eine Sache des Empfindens. Und die meisten Deutschen (rund 80 Prozent) haben nicht den Eindruck, dass der Wohlstand hierzulande gerecht verteilt ist.

Kurzer Überblick: Der Chef der Deutschen Bank verdient mehr als 400-mal so viel wie eine Bäckereiverkäuferin mit Mindestlohn. Die Bahn gönnte ihrem Vorstand für 2022 Millionen-Boni, obwohl im Konzern so gut wie alles schiefläuft. Derweil müssen immer mehr Bürger immer größere Teile ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Und selbst viele Besserverdiener können sich in vielen Regionen kein Eigenheim mehr leisten. Da kann der Kanzler noch so oft auf die Erhöhung des Mindestlohns verweisen – immer mehr Menschen spüren: Hier ist etwas ins Rutschen geraten.

Um dieses Gefühl zu bekämpfen, braucht es Veränderungen. Zum Beispiel eine Vermögensteuer: 73 Prozent wären dafür. Schließlich besitzt die ärmere Hälfte der Deutschen zusammen nur 1,4 Prozent des gesamten Vermögens im Land, in kaum einem anderen europäischen Land ist es so ungleich verteilt. Mit durchgreifenden Maßnahmen dieser Art würde Politik nicht nur Zeichen senden. Eine Bertelsmann-Studie legt nahe: Wer die Gesellschaft als gerechter empfindet, vertraut auch staatlichen Institutionen mehr.

8. Gebt Fehler zu!

Zum Erbe Angela Merkels gehört die Geschichte um die “Osterruhe”. Zwei zusätzliche Tage sollten Ostern 2021 Geschäfte und Restaurants geschlossen bleiben, um eine neue Coronawelle zu brechen. Was sie übersah: wie pandemiemüde die Deutschen waren. Merkel hörte die Signale, blies die Osterruhe ab. “Einzig und allein mein Fehler”, sagte sie.

Das klang ehrlich zerknirscht. In der Ampel gelingt diese Ehrlichkeit niemandem. Jede Korrektur ist eingebettet in den Streit zwischen SPD, Grünen und FDP. Fehler? Machen immer nur die zwei anderen. Das ist keine Fehlerkultur. Das ist Rechthaberei. Und der größte Könner dieser Kunst sitzt im Kanzleramt.

Dabei geht Führung – wie bei der Osterruhe – eben auch ganz anders: Wer Fehler eingesteht, vermittelt ein Gefühl von Offenheit für das bessere Argument. Nicht immer schafft das sofort neues Vertrauen. Aber jeder korrigierte Fehler kontert die Erzählung der Populisten: Die da oben machen eh, was sie wollen? Ähm, nein, ganz und gar nicht!

9. Engagiert euch!

“Wenn jeder Zehnte, der heute demonstriert hat, morgen in eine politische Partei eintritt – sei es die SPD, die FDP, die Grünen, die CDU, die CSU –, dann ist mindestens genauso viel geholfen”, hat Friedrich Merz kürzlich bei “Caren Miosga” gesagt. Ganz falsch liegt der CDU-Chef damit nicht. Natürlich muss sich der Politikbetrieb reformieren, brauchen die Parteistrukturen eine Erneuerung. Aber was sie vor allem brauchen, das sind Menschen, die bereit sind, mitzumachen, anzupacken, selbst zu gestalten.

Ohne sie wird es nicht gehen. Ohne sie gäbe es keine Gemeindevertretungen, keine Landtage. Es gäbe keine Vereine, keine Stiftungen und Initiativen, ganz egal, ob sie für mehr Demokratie kämpfen oder einen neuen Zebrastreifen vor der Grundschule. Ohne sie hätte in diesen Tagen übrigens keine einzige der zahllosen Demonstrationen und Kundgebungen stattfinden können. Es braucht Menschen, die sie bei der Ordnungsbehörde anmelden, Helfer, die eine Bühne bauen, die Lautsprecher schleppen. Kurzum: Wir können nicht jede Aufgabe an einen anonymen Staat delegieren.

10. Macht weiter!

Natürlich beschleicht früher oder später viele der Zweifel. Was soll das schon nützen, all die Latschdemos, das Plakate-Hochhalten, die Leuchtfeuer aus Hunderten Handytaschenlampen? Wird der Protest einen einzigen Wutbürger dazu bringen, doch nicht AfD zu wählen, das Hassen zu lassen, zumindest kurz innezuhalten? Oder wärmt er doch nur die Herzen wohlmeinender Gutbürger?

Man muss sich in dieser Frage nicht aufs Bauchgefühl verlassen, man kann den Effekt messen. Studien aus dem europäischen Ausland deuten darauf hin, dass Proteste ein wirksames Mittel gegen radikale Strömungen sind. Forscher aus Florenz fanden etwa heraus, dass die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini bei den italienischen Regionalwahlen 2020 überall dort, wo ihr der Protest der sogenannten “Sardinen”-Bewegung entgegenschlug, bis zu vier Prozentpunkte weniger holte.

Seit Beginn der Demowelle vor mehr als zwei Wochen sind auch die Umfragewerte der AfD um zwei Prozentpunkte gesunken – es ist der stärkste Rückgang seit zwei Jahren. Am vergangenen Sonntag machte er sich bereits in der Praxis bemerkbar, ausgerechnet in Thüringen: Bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis gewann CDU-Kandidat Christian Herrgott knapp vor AfD-Mann Uwe Thrum, dabei hatte der im ersten Wahlgang schon fast die absolute Mehrheit geholt.

Das Ergebnis erinnert an den Befund einer Studie, die sich mit der französischen Präsidentschaftswahl 2002 befasste: Nach dem ersten Wahlgang führte der Konservative Jacques Chirac nur knapp vor dem Rechtsnationalen Jean-Marie Le Pen, den zweiten Wahlgang gewann Chirac haushoch – dazwischen lagen Tage landesweiter Proteste. Je größer die Demonstration in einer Gemeinde, desto höher fiel die Wahlbeteiligung aus, desto geringer die Zustimmung für Le Pen.

Die Deutung der Forscher: Je mehr Menschen protestieren, desto deutlicher definieren sie eine soziale Norm. Diese hier lautet: Extremisten wählt man nicht. Natürlich sind Abweichungen von der Norm weiterhin erlaubt. Aber unangenehm. Das ist der politische Effekt dieses einfachen Slogans: “Wir sind mehr!”

Erschienen in stern 06/24

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