Darf man nach dem Schnitt noch ein Bier trinken? – München

Im Laufe eines geselligen Lebens in dieser Stadt stellen sich bestimmte Fragen lange Zeit eher nicht. Darunter: Was ist eigentlich ein Schnitt und warum trinkt man den? Die bierliche Sozialisation, so sie denn stattfindet, ist eine eindeutige, am Schluss gibt’s noch nen Schnitt und dann höchstens noch Schnaps. Nun stellt sich aber mit zunehmendem Alter und damit meist abnehmender Stammwürzeverträglichkeit dann doch die ein oder andere Frage zu dieser Bier-Variante. Zum Beispiel: Ist es erlaubt, nach einem Schnitt noch einmal eine Halbe zu trinken?

Die Eckdaten sind bei dem Getränk mit viel Schaum ja schnell umrissen. Per Definition des bayerischen Landesamts für Trinkerschutz vulgo Brauerbund ist ein Schnitt das, was dabei herauskommt, wenn der Zapfmeister ein leeres Glas unter den Hahn stellt, selbigen aufmacht, das Bier aus nun etwas größerer Höhe einfließen lässt, auf dass sich die Kohlensäure ordentlich entbinde und Schaum entstehe. Erreicht dieser die Oberkante des Glases, wird der Hahn verschlossen. Das führt für physikalisch Unbewanderte, Bierdimpfel oder beides zusammen oft zu der zumindest zu späterer Stunde im Wirtshaus faszinierenden Zaubernummer, dass aus einem Glas voll weißem Schaum innerhalb von wenigen Schafkopfrunden ein halbvolles Bier werden kann. Und zwar eines, das durch den Kohlensäureverlust noch einmal süffiger wird, aber mit seiner Riesenschaumkrone besonders frisch wirkt.

An der Stelle kommt eine Besonderheit des Schnitts zum Tragen. Er ist immer auch ein Gradmesser für die Sympathie oder Dankbarkeit des Hauses gegenüber dem Gast. Sagen wir es so: Wer reinkommt und einen Schnitt bestellt, bekommt mehr Schaum als der oder die, die nach der 14. Halben nach dem Schaumglas fragen. Und wenn man den Abend über schon lange darüber sinniert hat, ob das Glas des Lebens nun halbvoll oder halbleer ist, kann die Bestellung eines Schnitts vielleicht manchmal auch helfen.

Warum füllt noch niemand en Schnitt in Flaschen ab?

Der Schnitt, nicht zu verwechseln mit einer Schaumigen natürlich (so heißt die große Schwester, halb Bier, halb Schaum, aber bei der Definition sind die Übergänge fließend), ist eine Eigenheit des Bierlokals. Und wenn nun den Kater fürchtende Münchner, die gerade ergrauen, nach einem Schnitt doch noch zur Halben zurückkehren und sich von der Vernunft ab- und dem Suff zuwenden wollen, ist dies durchaus erlaubt, berichten Augenzeugen dieses Vorgangs.

Das vielleicht einzige wirklich Merkwürdige an dieser Biervariation ist in München, Stadt der selbstverständlich weltbesten Biere und erfolgreichsten Unternehmer, warum noch niemand den Schnitt in Flaschen abfüllt. Aber bei der aktuellen Entwicklung in der Craftbeer-Branche, die bei Neuentwicklungen in etwa so kreativ ist wie die ARD bei Sendungsformaten, ist das eine Frage der Zeit.

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