Coronavirus: Was ist ein milder Verlauf – und was ein schwerer?

Wie verläuft eine Erkrankung mit der Omikron-Variante des Coronavirus? Einige Daten deuten darauf hin, dass eine Infektion milder verläuft. Aber was ist eigentlich ein milder Verlauf? Und wie unterscheidet sich dieser von einem schweren?

Omikron besorgt derzeit viele, Fachwelt wie Mitbürger:innen. Die Variante des Coronavirus ist um ein Vielfaches ansteckender. Doch wie sieht es mit Krankheitsverläufen aus? Nachrichten aus Großbritannien geben Anlass für leichten Optimismus: Zwei Studien zeigen, dass Corona-Infektionen bei der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante seltener zu einem Krankenhausaufenthalt führen. Die am Mittwoch veröffentlichten vorläufigen Studienergebnisse bestätigten somit frühere Erkenntnisse aus Südafrika, wo die Omikron-Variante erstmals registriert worden war. Dennoch warnten Expert:innen vor überzogenem Optimismus.

In einer Studie in Schottland untersuchten die Forscher Covid-Fälle, die im November und Dezember aufgezeichnet wurden. Sie verglichen dabei Infektionen mit der Omikron-Variante mit solchen der Delta-Variante. Die Studie ergab, dass Omikron im Vergleich zu Delta das Risiko einer Krankenhauseinweisung wegen Covid-19 um zwei Drittel senkt und dass eine Auffrischungsimpfung einen erheblichen zusätzlichen Schutz vor symptomatischen Erkrankungen bietet. Die Fallzahl der Studie war allerdings klein und es wurden keine Personen unter 60 Jahren ins Krankenhaus eingeliefert. Die Autoren erklärten jedoch, dass sie diese Einschränkungen mit statistischen Methoden ausgeglichen hätten.

Drosten zu Omikron-Ausbruch: “Sieht mir nicht nach einer milderen Erkrankung aus”

In einer weiteren Studie in England wurde festgestellt, dass die Zahl jedweder Krankenhausaufenthalte bei Omikron im Vergleich zu Delta um 20 bis 25 Prozent zurückging. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte, die eine Nacht oder länger dauerten, ging sogar um 40 bis 45 Prozent zurück. In der schottischen Studie wurden nur Aufenthalte von mindestens einer Nacht untersucht, sodass diese einen Teil des festgestellten Unterschieds erklären könnte.

Am Sonntag hatte sich der Virologe Christian Drosten, der auch im Expertenrat der Bundesregierung sitzt, zu einem Corona-Ausbruch bei einer Weihnachtsfeier in Norwegen bei Twitter geäußert. “Praktisch alle Infizierten doppelt geimpft und trotzdem symptomatisch, die Hälfte mit Fieber”, schrieb er. Niemand sei geboostert worden. Der älteste Infizierte sei 61 Jahre alt, der Altersmedian liege bei 36 Jahren. Nach knapp zwei Wochen habe es keine Einweisungen ins Krankenhaus gegeben. “Sieht mir nicht nach einer milderen Erkrankung aus”, kommentierte Drosten die Daten. Auf die Nachfrage, was die Erkrankung milder machen würde, antwortete der Virologe: “Weniger Husten, weniger Fieber.”

Am Donnerstag teilte Drosten zwei Studien auf Twitter. Bei einer Untersuchung sprach er von einer “wegweisenden Studie”: “Ungeimpfte haben bei Infektion mit Omikron vs. Delta ca. 24% weniger Risiko einer Krh-Aufnahme. Omikron ist also gegenüber Delta etwas abgeschwächt. Etwas. Unterschied bei schweren Verläufen weiter unklar.”

Doch im Hin- und Her der Studien zu Krankheitsverläufen und Hospitalisierungen bleibt die Frage offen: Was ist ein milder Verlauf? Und wie unterscheidet er sich von schweren Krankheitsverläufen?

Mehrere Skalen und Einstufungen zu Covid-Erkrankungen

Viele verbinden wahrscheinlich einen schweren Covid-Verlauf mit einem Aufenthalt im Krankenhaus und einen milden hingegen mit Symptomen, die man zu Hause auskurieren kann. Im Großen und Ganzen deckt sich dies auch mit Definitionen von Gesundheitsorganisationen, wie etwa der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Die WHO hat im Februar 2020 in einem Papier namens “WHO R&D Blueprint novel Coronavirus COVID-19 Therapeutic Trial Synopsis” eine Skala mit acht Stufen veröffentlicht:

Keine Infektion

Kein klinischer oder virologischer Hinweis auf eine Infektion

0

Ambulant

Keine Einschränkung von Tagesaktivitäten

1

Einschränkung von Tagesaktivitäten

2

Hospitalisierter milder Verlauf

Im Krankenhaus, keine Gabe von Sauerstoff

3

Sauerstoff über Maske oder nasale Atemhilfe

4

Hospitalisierter schwerer Verlauf

Nicht-invasive Beatmung oder High-Flow-Sauerstoff

5

Intubation und mechanische Beatmung

6

Beatmung + zusätzliche Organunterstützung – Pressoren, RRT, ECMO

7

Tod

Tod

8

In einem weiteren WHO-Papier aus dem November dieses Jahres werden weitere Details zu den Krankheitsverläufen genannt. Hier wird in vier Kategorien unterschieden: mild, moderat, schwer und kritisch. So werden die vier Stufen unterschieden:

Milde Erkrankungen: symptomatische Patienten ohne Anzeichen einer viralen Pneumonie (Lungenentzündung) oder Hypoxie (Sauerstoffmangel). Symptome sind etwa Fieber, Husten, Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit, Halsschmerzen oder Geruchs- oder Geschmacksverlust.

Moderate bzw. mittelschwere Erkrankungen: Jugendliche oder Erwachsene mit klinischen Anzeichen einer Lungenentzündung (Fieber, Husten, Atemnot, schnelle Atmung), aber keine Anzeichen einer schweren Lungenentzündung bei einer Sauerstoffsättigung von mehr als 90 Prozent. Bei Kindern: klinische Anzeichen einer nicht schweren Lungenentzündung (Husten oder Atembeschwerden sowie schnelles Atmen und/oder Einziehen in die Brust) und keine Anzeichen einer schweren Lungenentzündung.

Schwere Erkrankung: Bei Jugendlichen oder Erwachsenen mit klinischen Anzeichen einer Lungenentzündung (Fieber, Husten, Dyspnoe) plus einem der folgenden Symptome: eine Atemfrequenz von weniger als 30 Atemzügen in der Minute, schwere Atemnot oder eine Sauerstoffsättigung von weniger als 90 Prozent. Bei Kindern klinische Anzeichen einer Lungenentzündung (Husten oder Atembeschwerden sowie schnelle Atmung oder Einziehen der Brustwand) sowie mindestens eines der folgenden Symptome: Sauerstoffsättigung von weniger als 90 Prozent und/oder sehr schweres Einziehen der Brustwand, Ächzen, zentrale Zyanose oder Vorliegen anderer allgemeiner Gefahrenzeichen (Unfähigkeit zu stillen oder zu trinken, Lethargie oder Bewusstlosigkeit oder Krämpfe).

Bei kritischen Erkrankungen gibt es gleich mehrere Abstufungen. Bei einer kritischen Erkrankung liegen unter anderem vor: verschlechternde Atemsymptome, niedrige Sauerstoffsättigung oder Ateminsuffizienz, Trübungen der Lunge auf Röntgenbildern oder im CT-Scan, Sepsis, Organversagen, schwacher Puls, kalte Extremitäten, niedriger Blutdruck, Azidose oder Thrombose.  


Covid-19: Corona-Infektion: Was ist ein milder Verlauf – und was ein schwerer?

Schwere Verläufe mit Coronavirus: Sauerstoffmangel und Atemprobleme

Auch das Robert Koch-Institut hat in einem Papier mit dem Titel “Hinweise zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit COVID-19” eine Kategorisierung vorgenommen:

Asymptomatische SARS-CoV-2-Infektion

Positiver SARS-CoV-2- PCR Test oder positive Antigen-Schnelltest im passenden klinischen und epidemiologischen Kontext

Keine Syptome

Leichte/moderate Erkrankung

Keine Kriterien einer schweren oder kritischen Covid-19

Vielfältige Symptome möglich, z. B. respiratorische Symptome, die keine Kriterien einer schweren oder kritischen Covid-19-Erkrankung erfüllen, Erkältungssymptome, Geschmack- und/oder Geruchsänderung, Diarrhoe etc.

Schwere Erkrankung

Schwere Pneumonie

Definiert als: Sauerstoffsättigung weniger als 90-94% unter Raumluft, Atemfrequenz mehr als 30/min, radiologische Zeichen einer Pneumonie

Kritische Erkrankung

ARDS, Sepsis, septischer Schock +/-

Multiorganversagen

Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder anderer Art von Organunterstützung oder Vasopressoren-Gabe

Das US-amerikanische National Institutes of Health (NIH), eine Behörde des US-Gesundheitsministeriums, hat ebenfalls eine Definition der Krankheitsverläufe veröffentlicht. Hier wird in fünf Kategorien unterschieden:

  • Asymptomatische oder präsymptomatische Infektion: Personen, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, aber keine Symptome haben
  • Milde Erkrankungen: Personen, die eines der verschiedenen Anzeichen und Symptome von Covid-19 haben (z. B. Fieber, Husten, Halsschmerzen, Unwohlsein, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Geschmacks- und Geruchsverlust), die jedoch keine Kurzatmigkeit oder Atemnot haben oder deren Röntgenbilder oder CT-Scans der Lunge keine Abnormalitäten aufzeigen
  • Mittelschwere Erkrankung: Personen, die eine Erkrankung der unteren Atemwege aufzeigen und die eine Sauerstoffsättigung von mehr als 94 Prozent aufweisen
  • Schwere Erkrankung: Personen mit einer Sauerstoffsättigung von weniger als 94 Prozent, eine Atemfrequenz von weniger als 30 Atemzüge in der Minute oder Lungeninfiltrate
  • Kritische Erkrankung: Personen mit Atemstillstand, septischem Schock und/oder Funktionsstörungen mehrerer Organe

Virologe Stöhr zu Norwegen: “Das sind keine schweren Verläufe”

Die Omikron-Infektionen aus Norwegen, die Christian Drosten in seinem Tweet also mit “Sieht mir nicht nach einer milderen Erkrankung aus” kommentierte, scheinen laut den verschiedenen Definitionen eher im Bereich mild bis moderat verlaufen zu sein. Auch der Virologe Klaus Stöhr sagte im Podcast “Wieder was gelernt” des Senders ntv, dass es keine schweren Verläufe bei dem Beispiel aus Norwegen gegeben habe. “Die Leute sind alle ambulatorisch behandelt worden, keiner ist ins Krankenhaus gekommen”, erklärt der ehemalige Leiter des WHO-Influenzaprogramms. “Das sind alles Dinge, die der Hausarzt behandeln kann. Das sind keine schweren Verläufe. Ich weiß nicht, woher das kommt.”

Allerdings sind die Infizierten von Oslo alle doppelt geimpft gewesen. Sie haben also eine Grundimmunisierung. Wie schwer die Verläufe bei Ungeimpften ist, geben die Zahlen aus Norwegen also nicht her. Dass Omikron-Infektionen aber nicht immer mild verlaufen, zeigen Fälle aus Großbritannien. Wie die Zeitung “Independent” berichtete, sind mindestens zwölf Menschen im Königreich an den Folgen einer Omikron-Infektion verstorben, mehr als 100 Menschen seien mit Omikron ins Krankenhaus eingeliefert worden. Experten gingen allerdings davon aus, dass es bei der neuen Variante aufgrund einer Verzögerung bei den Meldungen zu einer zehnfach höheren Zahl der bestätigten Krankenhauseinweisungen kommen könnte.

Auch in Deutschland gibt es einen ersten Todesfall durch Omikron. Laut RKI handelt es sich um eine 60 bis 79 Jahre alte Person. Mehr Details sind derzeit nicht bekannt. Insgesamt gibt es laut der täglichen Übersicht zu Omikron-Fällen in Deutschland 48 Hospitalisierungen bei insgesamt 3198 Infektionen. 

mit Material der Nachrichtenagentur AFP

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