Corona aktuell – Spahn: Impflicht-Debatte hilft nicht – Politik

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist weiter skeptisch, was die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht betrifft, und hält die derzeitige Debatte darüber nicht für zielführend. “Sie löst unser akutes aktuelles Problem nicht”, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. “Wir brechen diese Welle ja nicht mit einer verpflichtenden Impfung. Die käme viel zu spät, die Wirkung. Wir müssen jetzt Kontakte reduzieren und geschlossen staatlich handeln. Deswegen weiß ich nicht, ob alle Kraft, die wir haben, grad in dieser Debatte, zum jetzigen Zeitpunkt richtig konzentriert ist.”

Mehrere Ministerpräsidenten hatten sich zuletzt für die Einführung einer solchen Pflicht ausgesprochen. Spahn blieb aber generell skeptisch. Dies sei nicht nur eine Rechtsfrage, sondern auch eine Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. “Es ist eine Frage von Freiheit und Verantwortung.” Aus seiner Sicht gebe es eine moralische, gesellschaftliche Verpflichtung, sich impfen zu lassen. Zudem gebe es offene Fragen bei der Durchsetzung einer solchen Maßnahme, sagte Spahn.

Derweil halten diverse Juristen eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus für vom Grundgesetz gedeckt. “Eine solche allgemeine Impfpflicht ist durchaus vertretbar – und zwar, um das Leben anderer Menschen zu schützen”, sagte Ulrich Battis, Rechtswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Verfassung sei in diesem Punkt eindeutig.

“Die Bürger vorbeugend gegen Corona zu impfen, ist durch Artikel 2 des Grundgesetzes gedeckt, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt”, sagte Battis. “Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das ebenfalls der Artikel 2 festschreibt, hat dahinter zurückzutreten.” Auf die Frage, wann eine solche Impfpflicht kommen sollte, sagte der Jurist: “Möglichst schnell. Die Impfpflicht kann gegen die vierte Welle nichts mehr ausrichten, dafür ist es zu spät. Aber sie kann gegen eine künftige fünfte Welle helfen.”

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitierte einen Sprecher des Bundesjustizministeriums mit den Worten, die Impfpflicht sei eine “Ultima Ratio”, die “nicht ausgeschlossen und verfassungsrechtlich vorstellbar” sei. Das sieht auch der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer so: “Es kommt auf die guten Gründe und dann auf die Verhältnismäßigkeit an. Grundsätzlich gilt: Die Freiheit der Einzelnen endet da, wo Freiheit und Gesundheit anderer in Gefahr sind – das ist hier der Fall, wenn die Impfkampagne nicht gelingt”, sagte Mayer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Denkbar seien für Impfverweigerer etwa ein Bußgeld oder gesetzliche Regelungen zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes. (23.11.2021)

Keine Anwesenheitspflicht für Schüler wegen Corona in Brandenburg

An den Brandenburger Schulen gilt wegen der Corona-Infektionslage bald keine Anwesenheitspflicht für die Schüler mehr. “Für den schulischen Bereich werden wir die Präsenzpflicht aufheben”, sagte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) im RBB-Inforadio. “Es ist der Wunsch vieler Eltern, dass sie ihre Kinder nicht in die Schule schicken wollen.” Die Einzelheiten – etwa Ausnahmen für Abschlussklassen – würden noch ausgearbeitet.

Außerdem plant Ernst, die Weihnachtsferien für Brandenburger Schülerinnen und Schüler um drei Tage vorzuziehen. Ursprünglich sollte der 23. Dezember der erste Ferientag in Brandenburg sein. Neuer Ferienbeginn soll jetzt Montag, der 20. Dezember, sein. Ernst sieht auch die Erwachsenen in der Pflicht, durch Impfungen die Situation für die Kinder zu entspannen. Schulschließungen sollten nicht die Lösung sein.

Die rot-schwarz-grüne Landesregierung in Brandenburg will angesichts der wachsenden Belastung von Krankenhäusern an diesem Dienstag schärfere Corona-Regeln beschließen. Von Mittwoch an soll die 2G-Regel in vielen Geschäften gelten, ausgenommen sind Supermärkte und andere Läden für den täglichen Bedarf. Die 2-G-Regel erlaubt den Zugang nur geimpften und genesenen Menschen, sie gilt bereits in Kneipen, Theatern, Kinos, Konzerthäusern und Bädern. Weihnachtsmärkte sollen wieder schließen. In bestimmten Fällen sind Ausgangsbeschränkungen von 22 Uhr bis 6 Uhr geplant. (23.11.2021)

Inzidenzwert steigt auf fast 400

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist erneut auf einen Höchststand gestiegen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche am Dienstagmorgen mit 399,8 an. Am Vortag hatte der Wert bei 386,5 gelegen, vor einer Woche bei 312,4 (Vormonat: 100,0). Zwei Dutzend Landkreise weisen einen Inzidenzwert von mehr als 1000 auf – fast alle von ihnen liegen in Thüringen, Sachsen und Bayern.

Das RKI meldet deutschlandweit 45 326 Neuinfektionen und 309 Todesfälle in 24 Stunden. Vor genau einer Woche waren es 32 048 Ansteckungen und 265 Todesfälle gewesen. Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI bundesweit mit 5,28 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, steigt auf 99 433. (23.11.2021)

Lehrerverband: Impfpflicht würde Schulbetrieb erleichtern

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hat sich grundsätzlich für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen: Wenn Maßnahmen wie 3 G, 2 G oder Kontaktbeschränkungen nicht dazu führten, die Pandemie in den Griff zu bekommen, seien schärfere Regeln gefragt, sagte er der Funke-Mediengruppe.

“Wenn das alles nichts hilft und die allgemeine Impfquote nicht deutlich steigt, werden wir nach meiner persönlichen Überzeugung um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen, um endlich aus diesem Teufelskreis von Lockerungen und Lockdowns auszubrechen.” Das würde deutlich erleichtern, den Schulbetrieb dauerhaft aufrechtzuerhalten, sagte der Pädagoge.

Dabei sei es wichtig, dies gut zu erklären: Eine Impfpflicht dürfe nicht mit einem Impfzwang verwechselt werden. “Wer sich nicht impfen lassen will, wird nicht durch den Staat dazu gezwungen, sondern muss mit empfindlichen Strafen rechnen”, sagte Meidinger. (23.11.2021)

Hausärzteverband fordert Ende der Rationierung von Biontech

Hausärzte fordern, die Deckelung von Bestellungen des Biontech/Pfizer-Impfstoffes zu beenden. “Die Rationierung auf 30 Dosen Biontech pro Woche für jede Praxis ist untragbar. Das schafft eine Praxis nebenbei an einem Nachmittag”, sagt Oliver Funken, Chef des Hausärzteverbands Nordrhein, der Rheinischen Post. Die kurzfristige Ankündigung, die Liefermengen für Biontech zu beschränken, sei “wie eine Vollbremsung”: “Die Praxen müssen jetzt viele Impftermine umplanen, da erst neue Impfstoffe (hier Moderna) bestellt werden müssen und Patienten auf einen Impfstoffwechsel hin beraten werden.” Die Zeit fehle dann wiederum beim Impfen. “Wir Ärzte wollen impfen, aber die Politik kommuniziert nicht rechtzeitig den Wechsel der Impfstoffe. So fährt die Politik die Impfkampagne an die Wand.”

Angesichts der von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verfügten Limitierung des Biontech-Vakzins fordern Patientenschützer eine Neuverteilung der Impfstofflieferungen. “Die Länder sind aufgefordert, die Verteilung in Abhängigkeit vom Hersteller strategisch vorzunehmen. Dabei darf Biontech ausschließlich den Arztpraxen zugeteilt werden, während Moderna vornehmlich in den Impfzentren und provisorischen Impfstellen zum Einsatz kommen sollte”, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es mache einen logistischen Unterschied, ob Vakzine von Moderna oder von Biontech/Pfizer angeboten würden: Eine Ampulle von Biontech liefere sechs Impfdosen, die von Moderna 20. Zudem werde in Arztpraxen anders als in Impfzentren in der Regel nicht täglich geimpft. “Damit können angebrochene Ampullen nicht ohne Weiteres bis zum nächsten Impftermin aufbewahrt werden.” (23.11.2021)

Studie: “Querdenker” im Südwesten sind anders als im Osten

Wissenschaftler sehen die Wurzeln der “Querdenken”-Bewegung in Baden-Württemberg im linksalternativen Milieu. Demnach ticken die sogenannten Querdenker im Südwesten ganz anders als im Osten der Republik. Der Anteil von AfD-Wählern ist dort in der Bewegung viel höher als in Westdeutschland, so die Studie. Dafür gibt es im Südwesten doppelt so viele ehemalige Grünen- und Linke-Wähler unter den Protestlern wie im Osten. In Sachsen seien die Proteste stärker von der extremen Rechten geprägt und trügen deutlich weniger esoterische Züge, heißt es in der Studie.

Soziologen der Uni Basel haben im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung die Verbindungen der “Querdenker” in ihrem Ursprungsland Baden-Württemberg zu früheren Protestbewegungen untersucht und die Rolle bestimmter soziokultureller Milieus bei ihrer Entstehung.

Die Wissenschaftler bewegten 1150 Mitglieder von Telegram-Gruppen zum Ausfüllen eines Fragebogens. Man habe eher Vernünftige erreicht und keine harten Verschwörungserzähler und Reichsbürger, räumte Wissenschaftler Oliver Nachtwey, der hinter der Studie steht, am Montag in Stuttgart ein. Es handle sich nicht um eine repräsentative Befragung, aber man habe dennoch zielgenaue Erkenntnisse.

Rund 30 Prozent der Befragten gaben an, früher mal die Grünen gewählt zu haben, sagte Nachtwey. Viele Studienteilnehmer hätten angegeben, noch bei der Bundestagswahl 2017 für die Grünen gestimmt zu haben.

Nachtwey erklärte, dass das alternative und anthroposophische Milieu bei der Entstehung der Grünen eine Rolle gespielt habe. Aber viele Teilnehmer der Bewegung hätten sich nicht nur von den Grünen entfremdet, sondern allgemein von den Kerninstitutionen der liberalen Demokratie. Sie wählten heute die AfD oder gar nicht mehr.

Die “Querdenker” stellten sich als kritische Experten und heroische Widerstandskämpfer dar, erklärte die Soziologin Nadine Frei. Sie verstünden sich als wahre Verteidiger von Demokratie und Freiheit und als Teil eines “Kerns der Eingeweihten”. Als Eingeweihte glaubten sie, über ein höheres Wissen zu verfügen und die wirklichen Beweggründe der staatlichen Maßnahmen zu kennen.

Die Forscher sehen nur eine schwache Verbindung zum christlich-evangelikalen Milieu und noch weniger Zusammenhang zum Milieu rund um die Protestbewegung gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Stattdessen führt die Studie die Corona-Proteste vor allem auf das anthroposophische Milieu zurück. Individualität und Naturverbundenheit seien darin starke Bezugspunkte. (22.11.2021)

Kretschmann spricht sich für allgemeine Impfpflicht aus

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen, um die sich wieder zuspitzende Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb der Grünen-Politiker gemeinsam mit Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU): “Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen.”

Der CSU-Chef hatte sich wie auch andere Unions-Ministerpräsidenten schon vorher für eine Impfpflicht ausgesprochen, Kretschmann hatte sie bisher zumindest nicht ausgeschlossen. In dem Gastbeitrag schreiben die beiden, zunächst habe man darauf gesetzt, dass sich genügend Menschen in Deutschland impfen lassen. Doch diese Hoffnung sei leider enttäuscht worden.

Der Grüne und der CSU-Mann erklären: “Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen. Denn unser Grundgesetz schützt nicht eine Freiheit der Willkür. Es folgt vielmehr dem Prinzip der Freiheit in Verantwortung.” (22.11.2021)

Merkel dringt auf drastische Anti-Corona-Maßnahmen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich alarmiert über die Corona-Lage in Deutschland geäußert und die Länder zu drastischen Schritten aufgefordert. “Wir haben eine hochdramatische Situation. Was jetzt gilt, ist nicht ausreichend”, sagte die geschäftsführende Kanzlerin im CDU-Bundesvorstand. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und bezieht sich dabei auf Teilnehmer der Runde.

“Wir haben eine Lage, die alles übertreffen wird, was wir bisher hatten”, sagte die Kanzlerin. Derzeit verdoppelten sich die Fallzahlen alle zwölf Tage. Man müsse den exponentiellen Anstieg schnell stoppen, sonst komme man an die Grenze der Handlungsfähigkeit. Sie habe den Eindruck, dass vielen Menschen der Ernst der Lage gar nicht mehr bewusst sei, fügte sie mit Hinweis auf die Situation auf den Intensivstationen hinzu.

Weder 2-G-Regeln auch eine Beschleunigung der Impfkampagne seien in der jetzigen Notlage ausreichend, um das Infektionsgeschehen zu bremsen, so Merkel. Schon in der vergangenen Woche hatte es einen heftigen Streit darüber gegeben, ob das von SPD, Grünen und FDP beschlossene neue Infektionsschutzgesetz die vierte Welle abmildern kann. Die Ampel-Parteien hatten mit ihrer Mehrheit neue Maßnahmen wie 3 G am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln beschlossen, aber den Ländern drastische Maßnahmen wie flächendeckende Schulschließungen und Ausgangssperren untersagt. Geduldet werden sie nur noch bis 15. Dezember, wenn sie vor dem 25. November beschlossen werden. Genau das fordert nun die Kanzlerin. Bisher ist vorgesehen, dass sich Bund und Länder am 9. Dezember noch einmal treffen und die Maßnahmen gegebenenfalls nachschärfen. Das hält Merkel für zu spät. (22.11.2021)

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