Corona aktuell: Merkel gegen Impfpflicht – Politik


Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) haben gemeinsam das Robert-Koch-Institut in Berlin besucht. Bei einem Gespräch mit RKI-Präsident Lothar Wieler ging es unter anderem um den Einfluss der Impfkampagne auf den Verlauf der Corona-Pandemie.

Das Impfen wirke. Dadurch ergebe sich “die Möglichkeit, auch höhere Inzidenzen zu bewältigen – ohne, dass das Gesundheitssystem überlastet ist”, sagt Merkel. Die Bundeskanzlerin wirbt daher für die Vakzine: “Je mehr geimpft sind, umso freier können wir wieder leben.”

“Das Impftempo ist zwar immer noch hoch, aber wir sehen, dass es nachlässt”, fügt Gesundheitsminister Spahn hinzu. Es sei wichtig, möglichst viele Möglichkeiten vor Ort anzubieten: “Gelegenheit macht Impfung”, das sei das Motto der nächsten Phase der Impfkampagne, so Spahn. Mobile Angebote bei Kirchen, Moscheen oder auf Parkplätzen von Möbelhäusern seien gefordert. “Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt”, betont Merkel. Der “aufsuchende Ansatz, Impfangebote zu den Menschen zu bringen”, folge auch der wissenschaftlichen Empfehlung, sagt RKI-Präsident Lothar Wieler.

Auf die Frage nach einer Impfpflicht sagt die Kanzlerin, dass man diesen Weg, den Frankreich derzeit für Gesundheitspersonal gehe, nicht einschlage: “Ich glaube, wir können Vertrauen gewinnen, indem wir für das Impfen werben.” Es sei wichtig, dass Menschen mit ihren Verwandten und Bekannten über dieses Thema sprechen und so zu einer Art “Impfbotschafter” würden.

Auf die Frage, ob man Nichtgeimpfte für ihre Tests nicht zur Kasse bitten solle, sagt Spahn, dass er das in einer späteren Phase möglicherweise für sinnvoll halten könnte, noch sei es aber nicht so weit. Merkel äußert sich dazu deutlich vorsichtiger. Es gebe eine Vielzahl Personen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen könnten. Maßnahmen wie dieser Vorschlag, die eine “indirekte Impfpflicht” darstellen würden, seien aktuell jedenfalls nicht geplant.

Derzeit haben rund 58,5 Prozent der Menschen in Deutschland eine Corona-Schutzimpfung erhalten. 42,6 Prozent haben bereits den vollständigen Schutz, für den bei den meisten Herstellern zwei Impfungen erforderlich sind. Für die sogenannte Herdenimmunität, bei der auch für Ungeimpfte kaum ein Infektionsrisiko besteht, ist nach RKI-Schätzung eine Quote von 80 Prozent erforderlich. (13.07.2021)

Erster Drive-In für Corona-Impfungen öffnet in Berlin

In Berlin öffnet an diesem Samstag der erste Drive-in für Corona-Impfungen. Auf dem Parkplatz der Ikea-Filiale in Lichtenberg kann sich dann jeder, der möchte, spontan ohne Termin impfen lassen. Das teilte die Gesundheitsverwaltung am Dienstag mit. Zur Verfügung stehen die Vakzine von Johnson&Johnson und Moderna. Neben einer Spur für Autofahrer sei auch eine für Fußgänger (Walk-in) geplant, hieß es. Zunächst ist das Angebot für sechs Wochen geplant – mit Option auf Verlängerung. Die Gesundheitsverwaltung rechnet mit etwa 2000 Impfdosen täglich.

“Ich freue mich, dass wir gemeinsam mit dem Bezirk Lichtenberg und Ikea den Berlinerinnen und Berliner hier ein ganz flexibles und niederschwelliges Impfangebot machen können”, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Kalayci hatte schon in der Vorwoche darauf hingewiesen, dass die Impfkampagne sich verlangsamt habe und die Nachfrage nach Impfterminen stagniere. Ihr Ziel sei es daher, Impfangebote niedrigschwelliger zu machen als bisher, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Dazu gehört nun der Drive-in. Auch mobile Impfteams, die in der Stadt unterwegs sind, könnten Teil der neuen Strategie sein. (13.07.2021)

Ethikrat-Vorsitzende hält berufsbezogene Impfpflicht nicht für nötig

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, hält eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Deutschland derzeit nicht für notwendig. Die Impfraten bei Lehrkräften und beim Gesundheitspersonal seien hierzulande deutlich höher als in Nachbarländern wie etwa Frankreich, sagte sie am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Zudem gebe es bessere Möglichkeiten, um Menschen von einer Impfung zu überzeugen: gute Kommunikation und niedrigschwellige Impfungen vor Ort. “Sozusagen: Bring die Impfung dorthin, wo die Leute sind”, sagte Buyx. Das könne auch für den Arbeitsplatz gelten.

Angesichts eines Rückgangs bei der Zahl der verabreichten Corona-Impfungen hatte sich der Mediziner Wolfram Henn, der auch Mitglied im Ethikrat ist, am Montag für eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen ausgesprochen. Buyx sagte am Dienstag, Henn habe für sich gesprochen, jedoch nicht im Widerspruch zu den Arbeiten des Ethikrats: “Aber wir fordern so etwas nicht.” Auch die Bundesregierung hat eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wiederholt ausgeschlossen. Andere Länder wie Griechenland und Frankreich führten eine Impfflicht für das Gesundheitspersonal ein oder kündigten eine solche an.

Buyx äußerte sich besorgt über die Situation von Kindern und Jugendlichen, für die es noch keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt. “Da kriege ich schon Sorge, denn man muss natürlich diese junge Generation schon schützen”, sagte sie. “Man kann ja jetzt nicht sagen, wir lassen das Virus jetzt durch diese Gruppe krachen oder wir schauen zu, wie die Schulen wieder zumachen müssen, weil da einfach völlig ungeregelt die Infektionen stattfinden.” (13.07.2021)

Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 6,5

Seit einer Woche steigt die Sieben-Tage-Inzidenz jeden Tag an. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Dienstagmorgen lag sie bei 6,5. Eine Woche zuvor betrug der Wert von Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen 4,9. Nach den Angaben vom Dienstag wurden dem RKI binnen eines Tages 646 Corona-Neuinfektionen gemeldet, vor einer Woche waren es 440 Ansteckungen.

Die für die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus entscheidende Reproduktionszahl lag nach RKI-Daten am Montag bei 1,15 – sie befindet sich damit seit etwa einer Woche über dem Wert von 1. Die Zahl bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 115 weitere Menschen anstecken. Liegt der Wert anhaltend über 1, steigen die Fallzahlen. (13.07.2021)

Lehrerverband fordert Vorbereitungen für Wechselunterricht

Der Deutsche Lehrerverband fordert Bund und Länder mit Blick auf die Delta-Variante auf, sich auf eine erneute Phase des Wechselunterrichts an den Schulen im Herbst vorzubereiten. “Das Szenario eins, von dem wir alle hoffen, dass es Wirklichkeit wird, heißt vollständiger Präsenzunterricht mit einer Sicherheitsphase von mehreren Wochen, wo weiterhin erhöhte Gesundheitsschutzmaßnahmen gelten”, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Es werde aber nicht ausreichen, um eine vierte Welle zu verhindern, weil sich die Delta-Variante auch außerhalb der Schulen durch Kontakte ungeimpfter Jugendlicher untereinander verbreiten werde. Deshalb dürfe auch eine “erneute Phase des Wechselunterrichts”, bei der Vorbereitung auf das kommende Schuljahr nicht fehlen. Alle Schulen, die noch über kein schnelles Internet verfügen, sollen daher in den Ferienmonaten damit ausgestattet werden. (13.07.2021)

Regierung will neben Inzidenz vermehrt auf andere Faktoren achten

Die Bundesregierung will eine womöglich drohende Rückkehr zur sogenannten Bundesnotbremse bei steigenden Infektionszahlen nicht mehr automatisch an den Anstieg auf eine Sieben-Tage-Inzidenz von 100 knüpfen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Man werde dies notfalls in Abhängigkeit der Fallzahlen, der Fortschritte beim Impfen und der wissenschaftlichen Einschätzung entscheiden, fügte er hinzu. Der Zusammenhang zwischen Fallzahlen und etwa der Zahl der Intensivpatienten habe sich möglicherweise verändert.

Damit bezog Seibert Stellung in einer neu entflammten Debatte darüber, was geeignete Kennwerte sind, um die Corona-Lage zu beurteilen. Das Bundesgesundheitsministerium drängt grundsätzlich darauf, die Sieben-Tage-Inzidenz auch weiterhin zu berücksichtigen. “Die Inzidenz war nie einziger Parameter, um das Pandemiegeschehen zu beurteilen. Aber sie ist und bleibt ein wichtiger Parameter”, teilte ein Sprecher am Montag mit. Der Wert gibt die Zahl der Ansteckungen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen an und ist Grundlage für viele Corona-Maßnahmen, etwa für die inzwischen ausgelaufene Bundesnotbremse.

Zuletzt hatten wieder mehr Politiker und Lobbyisten gefordert, nicht mehr die Inzidenz als zentralen Maßstab zu verwenden. “Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir in diesem Herbst nicht allein auf die Inzidenz starren”, sagte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) im ZDF. Man müsse andere Faktoren hinzuziehen. Auch der Industrieverband BDI forderte: “Politik muss mit Blick auf Testpflichten, Hygiene-, Impf- und Einreiseregelungen evidenzbasiert vorgehen”, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die Inzidenz allein dürfe nicht mehr das Maß aller Dinge sein. “Essenziell ist und bleibt, das Impfen beherzt und mutig voranzutreiben.”

Bei steigender Impfquote verliere die Inzidenz zunehmend an Aussagekraft, twitterte Minister Spahn. Zumal dann, wenn die besonders vulnerablen Gruppen bereits geimpft seien, heißt es im Ministerium. Deshalb sollen künftig weitere Daten stärker berücksichtigt werden und die Kliniken mehr Details zu Covid-19-Fällen melden. Neben der Belegung von Intensivstationen müssen alle Krankenhauseinweisungen wegen Corona übermittelt werden, zuzüglich Alter, Art der Behandlung und Impfstatus der Patienten. Die entsprechende Verordnung dazu solle zügig auf den Weg gebracht werden, hieß es aus dem Ministerium.

Die Bild-Zeitung berichtete am Montag unter Berufung auf ein “internes Dokument” des Robert-Koch-Instituts über eine “Wende in der Corona-Politik”. Die Inzidenz solle nicht mehr über die Corona-Maßnahmen entscheiden. In dem Papier stelle das RKI die “Hospitalisierung (Krankenhauseinweisung) als zusätzlichen Leitindikator” für die Politik vor. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hält es nach eigenem Bekunden für verfrüht, von der Sieben-Tage-Inzidenz abzurücken. Es sei aber “sehr sinnvoll”, etwa die Corona-Krankenhauszahlen dazu in Relation zu setzen und zudem einen Koeffizienten zu finden, der die hohe Zahl der Geimpften berücksichtige, sagte der CSU-Chef. Vielleicht müsse man Grenzwerte auch erhöhen. (12.07.2021)

Ethikratsmitglied will Impfpflicht für Erzieherinnen und Lehrer

Der Humangenetiker Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat hat eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Schulen und Kitas gefordert. “Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung”, sagte Henn der Rheinischen Post. Für Lehrkräfte, Erzieher und Erzieherinnen brauche es eine Impfpflicht, sie sollten vor allem Kinder unter zwölf Jahren schützen, die keine Impfung bekommen könnten.

Zwar hätten Kinder selbst ein geringes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, man müsse aber weiter damit rechnen, “dass sie das Virus in ihre Familien tragen und Menschen aus Risikogruppen infizieren”, sagte der Humangenetiker. Als Beispiel nannte er der Zeitung zufolge etwa Krebspatienten in Familien, die aufgrund akuter Therapien noch gar nicht geimpft werden konnten. Diese Gruppe gelte es jetzt durch eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen zu schützen. Eine allgemeine Impfpflicht lehnte Henn aber ab. (12.07.2021)

Die Impfkampagne stockt, Kassenärzte-Chef hält Quote von 90 Prozent für “Science-Fiction”

Die Impfkampagne in Deutschland stockt. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurden am Sonntag so wenige Menschen in Deutschland erstgeimpft wie zuletzt im Februar. “Anders als im Februar ist nun aber genug Impfstoff da”, schreibt Spahn auf Twitter und fügt hinzu: “Es bleibt dabei: Bitte impfen lassen!” Nach seinen Angaben haben bislang 35,4 Millionen Deutsche oder 42,6 Prozent den vollen Impfschutz, 48,6 Millionen oder 58,5 Prozent sind mindestens einmal geimpft.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hält eine Impfquote von 90 Prozent für illusorisch und auch die vom Robert-Koch-Institut angestrebten 85 Prozent für wenig realistisch. “Wir müssen uns klarmachen, dass Impfquoten von 90 Prozent Science-Fiction sind. Wir werden die niemals erreichen”, sagte Gassen am Sonntagabend der Bild-Zeitung. Eine hohe Impfquote würde er “bei jenseits der 70 Prozent ansiedeln.” Man werde bei der Impfkampagne “an einen Punkt kommen, wo man gegen eine unsichtbare Wand läuft, weil Menschen sich nicht impfen lassen wollen, weil sie Corona ignorieren oder weil sie Impfungen misstrauen”, sagte Gassen.

Gassen verwies zudem auf fast vier Millionen von einer Corona-Erkrankung Genesene. Bei einer Dunkelziffer von Faktor zwei bis drei gebe es wahrscheinlich sogar zehn Millionen Genesene. Entscheidend sei für ihn: “Wird die vierte Welle eine Laborwelle, wo man nur noch positive Befunde und keine Kranken mehr hat?” Dann könne man es sehr gelassen sehen, wenn die Infektionszahlen in wenigen Wochen wieder ansteigen. (12.07.2021)

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