Corona aktuell: Leopoldina für Kontaktbeschränkungen – Politik

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt angesichts des dynamischen Corona-Infektionsgeschehens sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen. “Unmittelbar wirksam ist es aus medizinischer und epidemiologischer Sicht, die Kontakte von Beginn der kommenden Woche an für wenige Wochen deutlich zu reduzieren”, heißt es in einer am Samstag veröffentlichten Stellungnahme.

“Aufgrund der nachlassenden Immunität müssten diese Maßnahmen vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen.” Die Impfkampagne müsse massiv verstärkt und eine Impfpflicht stufenweise eingeführt werden. Insgesamt sollten bis Weihnachten neben Erst- und Zweitimpfungen rund 30 Millionen Drittimpfungen ermöglicht werden, so die Leopoldina.

Mit Blick auf Kinder und Jugendliche empfiehlt die Leopoldina vorgezogene Weihnachtsferien und regelmäßige Corona-Tests mindestens dreimal pro Woche. Während des gesamten Aufenthalts in den Schulen sollten Lehrer und Schüler aller Klassenstufen Masken tragen. “Eine Aussetzung der Präsenzpflicht und ein Wechselunterricht an Schulen sowie die Schließung von Kitas sollten möglichst vermieden werden.”

Hessen meldet Omikron-Verdachtsfall

Die neue Omikron-Variante des Coronavirus ist nach Angaben des hessischen Sozialministers Kai Klose “mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit” in Deutschland angekommen. Das teilte der Grünen-Politiker am Samstagmorgen auf Twitter mit. Bei einem Reiserückkehrer aus Südafrika seien mehrere für Omikron typische Mutationen gefunden worden. “Es besteht also ein hochgradiger Verdacht, die Person wurde häuslich isoliert. Die vollständige Sequenzierung steht zum aktuellen Zeitpunkt noch aus”, twitterte der in Hessen auch für Gesundheit zuständige Minister. Nach Angaben des Ministeriums in Wiesbaden reiste die Person über den Frankfurter Flughafen ein. Klose rief sämtliche Reiserückkehrer aus dem südlichen Afrika dazu auf, sich auf das Coronavirus testen zu lassen und ihre sozialen Kontakte einzuschränken.

Die zuerst im südlichen Afrika nachgewiesene Omikron-Variante (B.1.1.529) wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag als “besorgniserregend” eingestuft. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte. Welche genauen Auswirkungen die neue Variante hat, steht allerdings noch nicht fest. Bis es darüber Klarheit gebe, kann es laut WHO noch Wochen dauern. (27.11.2021)

Inzidenz steigt weiter auf neuen Höchstwert

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet 67 125 neue Positiv-Tests binnen 24 Stunden. Das sind 3201 Fälle mehr als am Samstag vor einer Woche, als 63 924 Neuinfektionen gemeldet wurden. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt weiter auf 444,3 von 438,2 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100 000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Die Zahl der in Deutschland im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorbenen Menschen ist mit 303 weiteren Todesfällen auf 100 779 gestiegen. Insgesamt fielen in Deutschland bislang mehr als 5,71 Millionen Corona-Tests positiv aus. (27.11.2021)

Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung haben Booster-Impfung

In Deutschland haben mehr als zehn Prozent der Bevölkerung eine Auffrischungsimpfung erhalten. Das entspreche 8,6 Millionen Dosen, teilt der amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) per Twitter mit. Allein in den vergangenen fünf Tagen habe es 2,7 Millionen Booster-Impfungen gegeben. Zudem hätten sich rund 450 000 Menschen in dieser Woche doch noch zur ersten Impfung entschlossen. “Tendenz erfreulich steigend!”, so Spahn auf Twitter. (27.11.2021)

Lauterbach rechnet mit neuen Einschränkngen des sozialen Lebens

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht angesichts der vierten Corona-Welle und dem Auftauchen einer möglicherweise besonders gefährlichen neuen Virusvariante von weitergehenden Einschränkungen aus. “Tatsächlich ist das Infektionsgeschehen aggressiver als gedacht”, sagte er in den ARD-Tagesthemen. Zwar hätten die Maßnahmen gewirkt, die Kontakte gingen etwas zurück. “Aber es ist noch nicht da, wo es sein müsste, und es wird auf jeden Fall notwendig werden, dass wir nachschärfen, davon gehe auch ich aus.”

Der Deutsche Städtetag sieht das ähnlich. “Wenn die Situation weiter außer Kontrolle gerät, führt kein Weg an erneuten Kontaktbeschränkungen vorbei”, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe. “Wir müssen die Corona-Pandemie wieder eindämmen. Wir dürfen nicht warten, bis die Intensivstationen im ganzen Land überfüllt sind. Jeder Tag zählt.”

Lauterbach sagte weiter: “Was insbesondere große Probleme macht, ist tatsächlich, dass die Kontrollen von 2G und 2G-plus überhaupt nicht angemessen stattfinden.” Zudem gebe es nach wie vor zu viele große Veranstaltungen. “Und es sind aber gerade diese großen Veranstaltungen und auch die vollen Lokale, die vollen Geschäfte, die uns die Probleme machen.”

Dass die im Süden Afrikas aufgetauchte, möglicherweise gefährliche Variante B.1.1.529 auch Deutschland erreichen könnte, bereitet Lauterbach große Sorgen. Wenn das passieren würde, dann hätten wir ein riesiges Problem. “Denn es ist nichts schlimmer, als eine besonders gefährliche Variante in eine laufende Welle hineinzubekommen.” Die Variante scheine für Geimpfte und Ungeimpfte gefährlich zu sein. “Daher müssen wir mit Reisebegrenzungen hier arbeiten, hier zählt wirklich jeder Tag, der gewonnen werden kann, bis diese Variante kommt.”

Nachrichten zu Covid-19 – zweimal täglich per Mail oder Push-Nachricht

Lauterbach betonte, die Booster-Impfungen würden auch vor dieser Variante schützen, weil der Boostereffekt so enorm stark sei. Wenn sich diese Variante aber tatsächlich massiv durchsetzen würde, was man derzeit aber nicht wisse, “dann müsste ein neuer Impfstoff entwickelt werden. Der wäre dann in drei Monaten auf dem Markt”. (27.11.2021)

Montgomery will, dass Weihnachtsmärkte bundesweit schließen

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, fordert eine strikte Reduzierung der Kontakte, um die Infektionskurve wieder zu senken. “Wir sollten deswegen die Weihnachtsmärkte bundesweit schließen. Es bringt nichts, die Weihnachtsmärkte in der einen Region zu verbieten, wenn die Leute dann in eine andere fahren, wo sie noch geöffnet sind”, sagt Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe einem Vorabbericht zufolge. Länder und Kommunen sollten zudem zu Silvester größere Feiern, Feuerwerk und private Böllerei flächendeckend verbieten. “Das verhindert nicht nur Ansteckungen, sondern entlastet auch die Notfallambulanzen”, sagt der Chef des Weltärztebundes. Wenn man die Inzidenzen nicht in den Griff bekomme, müssten die Länder auch wieder flächendeckend Betriebe schließen oder Ausgangssperren verhängen können. (27.11.2021)

Einzelhandel für Impfpflicht

Der deutsche Einzelhandel hat sich für eine Impfpflicht ausgesprochen. “Gerade mit Blick auf die aktuell diskutierten erheblich einschränkenden Maßnahmen für die Gesellschaft und Wirtschaft muss eine Impfpflicht entsprechend verfolgt werden”, schreibt der Handelsverband HDE in einem Brief an die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Geboten sei eine “zeitnahe Einführung einer verfassungskonform ausgestalteten allgemeinen Impfpflicht mit klar definierten Ausnahmen”.

Bereits seit Monaten appelliert der Einzelhandel an seine Kunden, sich impfen zu lassen. Für eine Impfpflicht hatte er sich bisher allerdings nicht stark gemacht. Viele Bereiche des Einzelhandels waren wegen der angeordneten Geschäftsschließungen während der Lockdowns besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen. “Der Handel hat seit Beginn der Corona-Krise erhebliche Sonderopfer gebracht, obwohl er zu keinem Zeitpunkt als Inzidenztreiber bezeichnet werden konnte, heißt es in dem Brief.

Kretschmer: Ohne ausreichend Tests ergibt 3G wenig Sinn

Wegen des Mangels an Schnelltests hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Wirksamkeit der sogenannten 3-G-Regel in Frage gestellt. “Es ist eine gravierende Fehleinschätzung, dass für die 3-G-Regel am Arbeitsplatz und im Öffentlichen Nahverkehr das tägliche Testen für die Ungeimpften so einfach ist”, sagte Kretschmer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einem Vorabbericht zufolge. In Sachsen habe man deswegen schon früh große Teile des öffentlichen Lebens wieder heruntergefahren und auf die 2-G-Regel gesetzt. “Wir kommen mit den Kapazitäten der Schnelltests schon an die Grenzen und die Preise steigen rapide”, so der sächsische Ministerpräsident. (27.11.2021)

Wieler: “Wie viele Menschen müssen denn noch sterben?”

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat dringend umgehende Kontaktreduzierungen eingefordert, um eine immer weitere Ausbreitung des Coronavirus in ganz Deutschland abzuwenden. Die Lage sei so ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt in der Pandemie, sagte der CDU-Politiker in Berlin.

Die traurige Zahl von mehr als 100 000 Corona-Toten sei zu beklagen, in Deutschland meldete das RKI Rekord-Infektionszahlen, die Inzidenz liege bei fast 440. “Wir werden erstmals in dieser Pandemie im größeren Umfang – nämlich bis zu 100 Intensivpatienten – innerhalb Deutschlands mit großem Aufwand verlegen müssen, unter Beteiligung der Luftwaffe”, verdeutlichte Spahn bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler. In der vergangenen Woche habe Spahn bereits gesagt, es sei nun zehn nach zwölf. “Es ist mittlerweile halb eins, aber der Weckruf ist noch immer nicht überall angekommen.”

Ohne die mutmaßliche neue Regierung explizit zu erwähnen, betonte Spahn, dass das Abwarten und Evaluieren der Lage nach zehn Tagen in der aktuellen Situation keine vertretbare Option sei: “Die Pflegekräfte auf den Intensivstationen haben keine zehn Tage.” Die Infektionszahlen würden nicht nur in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen steigen. “Die Welle wird auch weiter durch Deutschland ziehen.” Die Frage sei nur noch, wie hoch die jeweilige regionale Belastung ausfallen werde, wie viele Tote man zu beklagen haben werde.

Einen entscheidenden Unterschied werde die regionale Impfquote machen. Die Zeit, auf die Wirkung zu warten, fehlte allerdings, wie Spahn deutlich machte. Momentan helfe deswegen nur eines: Kontaktbeschränkungen, die konsequente Umsetzung von 2-G-plus, die Absage von Großveranstaltungen und Feiern. Außerdem forderte der geschäftsführende Gesundheitsminister eine Ministerpräsidentenkonferenz und schnelle Beschlüsse zur Eindämmung des Virus.

Die politische Diskussion versteife sich zu sehr auf Nebenschauplätze. Spahn mahnte: Die Verlegung von rund 80 Patienten innerhalb Deutschlands funktioniere vielleicht einmal, vielleicht zweimal, aber es gehe nicht beliebig oft. “Die Betten werden auch im Rest Deutschlands knapp. Wir müssen diese Welle jetzt brechen”, so Spahn, sonst erlebe man das, was man immer vermeiden wollte – eine Überlastung des Gesundheitssystems.

Auch Wieler fand während der Pressekonferenz eindringliche Worte. Mit einer Schweigeminute gedachte er der mehr als 100 000 Corona-Toten in Deutschland und fragte anschließend: “Welche Todeszahl würde uns denn überzeugen, dass Covid-19 keine leichte Erkrankung ist und uns zum Impfen motivieren? Wie viele Menschen müssen denn noch sterben, damit wir unser Verhalten anpassen und die Krankenhäuser und das Pflegepersonal entlasten?”

Schwere Verläufe, Überlastungen der Kliniken und Todesfälle könnten nur dann verhindert werden, wenn verhindert würde, dass sich Menschen ansteckten. “Ich erwarte jetzt von den Entscheidern, dass sie alle Maßnahmen einleiten, um gemeinsam die Fallzahlen herunterzubringen.” Wielers Apell an die Bevölkerung: “Lassen Sie sich impfen beziehungsweise auffrischen.”

Von der Lage auf den Intensivstationen zeichnete Wieler ein dramatisches Bild. Aktuell würden mehr als 4000 Covid-Patienten intensivmedizinisch behandelt, die Zahlen gingen aber steil nach oben. Innerhalb von sieben Tagen seien mehr als 2000 Patienten auf eine Intensivstation aufgenommen worden. 85 Prozent der Covid-Patienten benötigten eine Form der künstlichen Beatmung. Der Anteil von Covid-Patienten auf Intensivsationen liege derzeit bei 18,9 Prozent. Das klänge für viele vielleicht nicht besonders hoch. Doch es entspräche jedem fünften, überhaupt verfügbaren Bett. Und diese Betten würden nicht nur für Corona-Patienten, sondern für alle Intensivpatienten in Deutschland gebraucht.

“Freie Betten werden dadurch erkauft, dass in belasteten Regionen planbare Operationen ausgesetzt werden.” Das bedeute, dass auch Tumor-Operationen oder Organtransplantationen ausgesetzt werden. “Das heißt, diese Patienten bekommen ihre notwendige Behandlung nicht”, verdeutlichte Wieler. “Es geht auf Kosten aller.”

Ohne die Schutzimpfung wäre die Lage noch dramatischer, sagte der RKI-Chef. “Die Zahl der Toten würde noch viel höher liegen.” Wer vollständig geimpft sei, habe einen guten Schutz vor schwerer Erkrankung und Hospitalisierung. Impfungen seien der beste Schutz, auch für die, die sich nicht impfen lassen können – Kinder unter zwölf Jahren. Wieler rief außerdem zur Nutzung der Corona-Warn-App, zur Einhaltung der bekannten AHA+L-Regeln und der Vermeidung von Treffen in Innenräumen auf. “Wir brauchen einen sofortige Reduzierung von Kontakten. Jetzt sofort.”

“Wir haben bereits drei Covid 19-Wellen hinter uns”, sagte Wieler. Wie der kommende Winter verlaufe, liege bei jedem einzelnen. “Lassen sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir die Pandemie beenden, als ob unser Leben davon abhinge.”(26.11.2021)

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