Brennender Frachter in der Nordsee: Was dem Wattenmeer droht

“Fremantle Highway”
“Die große Angst ist das Öl”: Was der Nordsee beim Bruch des brennenden Autofrachter droht

Dicke Rauchwolken steigen über dem Autofrachter “Fremantle Highway” in der Nordsee auf

© ANP / Imago Images

Schon drei Tage brennt der Frachter vor der niederländischen Küste. Das Feuer lässt zwar nach, doch noch immer droht eine Umweltkatastrophe. Und es sollen viel mehr E-Autos an Bord sein.

Seit Tagen liegt der brennende Frachter “Fremantle Highway” vor der niederländischen Küste und ein Ende des Dramas ist nicht in Sicht. “Wir bereiten uns noch immer auf alle Szenarien vor”, sagte der Sprecher der zuständigen nationalen Wasserbehörde, Matthijs Tax, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Dazu gehört auch der schlimmste Fall: Ein Auseinanderbrechen oder Kentern des Frachters, der mit rund 3800 Autos beladen ist.

Die Folge wäre eine Umweltkatastrophe in der Nordsee und dem nahen Wattenmeer. Und nun wurde bekannt, dass weitaus mehr E-Autos auf dem Frachter sind: 498 und nicht 25, wie bisher gesagt worden war. Das teilte das Charterunternehmen K-Line mit.

Nach Einschätzung eines Experten ist wegen des brennenden Frachters bereits verunreinigtes Wasser in das Meer gelangt. Kim Detloff, beim Naturschutzbund (Nabu) zuständig für Meeresschutz, sagte NDR Info: “Tatsächlich ist die Umweltkatastrophe jetzt schon da.” Es gebe bereits kontaminiertes Lösch- und Kühlwasser. Detloff zufolge verbrennen Schadstoffe, Giftstoffe, Schwermetalle, Kunststoffe, Batterien und Öl. “Und diese Bestandteile gelangen schon jetzt über das Kühlwasser ins Ökosystem, so dass es lokal zu Verunreinigungen kommt”, sagte Detloff. Das sei jedoch kein Vergleich zu dem, was drohe, wenn das Schiff sinken sollte.

Kleine Lichtblicke bei der Löschung des brennenden Frachters

Es gibt auch kleine Lichtblicke: Der Brand habe nachgelassen, und die Temperatur am Schiff sei gesunken, sagte eine Sprecherin der Küstenwache. Erstmals nach Ausbruch des Brandes haben Bergungsexperten nun das Schiff betreten. Das teilte die Küstenwache am Freitag mit. Den Spezialisten sei es gelungen, den Frachter “Fremantle Highway” mit einem Schlepper gut zu verbinden. Es ist noch nicht bekannt, wohin das brennende Schiff geschleppt werden soll. Die Spezialisten seien wieder von Bord gegangen.

Das sei die Voraussetzung für das ideale Szenario, sagte der Sprecher der Behörde Tax. “Sie müssen kontrollieren, wie stabil das Schiff ist, und den Frachter dann an einen Schlepper koppeln”. Dann könnte er an einen sicheren Ort geschleppt werden.” Das heißt weitab von der Küste, im Norden auf offener See. Sollten dann Öl, Diesel oder andere Schadstoffe ausströmen, wären zumindest nicht direkt die Inseln und das Wattenmeer betroffen.

Vom Flugzeug aus machte die Küstenwache Aufnahmen und kontrollierte die Temperatur. Auf dem Schlepper “Guardian”, gleich beim Frachter, wartet inzwischen das Expertenteam des Bergungsunternehmens. Sobald die Temperatur es zulässt, wollen sie an Bord gehen. Auch die “Arca” liegt parat, ein Spezialschiff für die Räumung von Öl.

Nur wie lange hält die Stahlwand des Schiffes der Hitze stand? “Das kann man nicht vorhersagen”, sagte der Sprecher der Behörde Tax. Zur Zeit werden die Seitenwände nicht mehr gekühlt, da zu viel Meerwasser ins Schiff gelangt sei. Dadurch könne der Frachter instabil werden.

Bricht das Schiff, strömen etwa 1,6 Millionen Liter Schweröl aus

Das wäre der schlimmste Fall: Das Schiff bricht auseinander, bekommt Schlagseite, kentert und sinkt. Schätzungsweise 1,6 Millionen Liter Schweröl würden ausströmen, Schwermetalle, die fast 4000 Autos. Öl und Schadstoffe könnten sich auch auf die nahe gelegenen einzigartigen Vogelbrutgebiete und die Küsten ausbreiten.

Peter Andryszak ist Sprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste. Er sagte dem WDR, im Falle eines Bruchs wäre das gesamte ostfriesische Wattenmeer betroffen: “Das Öl würde sehr schnell und in diesem Fall mit Hilfe der Tide – also Ebbe und Flut – extrem große Flächen bedecken.” Das sei auch für Tiere sehr gefärlich: “Das Öl erstickt alles: Seevögel, Robben, Bodenlebewesen und zum größten Teil auch Fische, Krabben und alles, was sich sonst an Leben im Watt aufhält, würden in den betroffenen Gebieten sterben.”

Die Bewohner machen sich deshalb Sorgen. Denn die Inseln leben von Tourismus. “Die große Angst ist das Öl”, sagte stellvertretend für viele, Piet van Tuinen von Ameland der Zeitung “Leeuwarder Courant”. “Wenn das auf den Strand kommt, haben wir ein gigantisches Problem.” Die Vorhersagen für Wind und Strömung sind aber günstig. Im Notfall würden Schadstoffe nach Norden ins offene Meer strömen.

Feuer brennt seit drei Tagen

Die Einsatzkräfte hoffen auch, dass sie endlich an Bord gezielt den Brand bekämpfen können. Doch auch das ist schwierig, sagte der Leiter der Spezialeinsatzgruppe Schiffssicherung der Hamburger Feuerwehr, Dirk Flocke, der Deutschen Presse-Agentur. Auf Schiffen habe man es mit Metallen zu tun, engen Gängen, Schadstoffen. Das Löschen von Autotransportern sei besonders problematisch. Die Decks seien dicht an dicht vollgestellt. Da könne man mit einem Schlauch nicht zum Brandherd vordringen.

Das Feuer war in der Nacht zum Mittwoch auf dem Autodeck des unter der Flagge von Panama fahrenden Schiffes ausgebrochen. Es war unterwegs von Bremerhaven nach Singapur und lag zu dem Zeitpunkt etwa 30 Kilometer nördlich der Wattenmeerinsel Ameland. Die Besatzung war evakuiert worden. Dabei war ein Mensch ums Leben gekommen.

Am Donnerstag drifte das brennende Schiff nach Westen bis auf die Höhe von Terschelling ab, vor der Insel liegt es jetzt etwa 17 Kilometer im Norden. Es liege stabil, sagte die Küstenwache. Wind- und Strömungsvorhersagen seien günstig, dass diese Position gehalten werden könne.

Weitere Quelle:  WDR

mkb, Annette Birschel
DPA

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