Außenminister, Schauspieler, Wirtschaftsbosse: Die Chinesen, die verschwanden

Zuletzt war Qin Gang am 25. Juni in der Öffentlichkeit gesehen worden, bei einem Treffen mit dem russischen Vize-Außenminister Andrej Rudenko. Danach war der chinesische Außenminister von der Bildfläche verschwunden. Er fehlte bei wichtigen Terminen und Gipfeltreffen. Sein Ministerium hatte die Abwesenheit zunächst mit gesundheitlichen Problemen erklärt.

Doch in den chinesischen Online-Netzwerken brodelte die Gerüchteküche. Ist der 57-Jährige wirklich krank? Wird wegen Korruption gegen ihn ermittelt? Auch Mutmaßungen, Qin habe eine außereheliche Affäre mit einer Hongkonger Journalistin, machten die Runde, sogar ein uneheliches Kind wurde ihm nachgesagt.

Verbleib von Qin Gang unklar

Chinas Außenministerium dementierte. Man habe “keine Informationen” zu einer Affäre. Eine Floskel, die immer wieder auf Pressekonferenzen des Außenministeriums wiederholt wurde. Was später jedoch nicht wiederholt wurde: dass Qin krank sei, wie die Nachrichtenagentur DPA berichtete. Bis heute ist nicht bekannt, wo sich Qin aufhält und wie es ihm geht. 

“Die ganze Situation lässt das chinesische Außenministerium und Pekings diplomatische Bemühungen schwächer erscheinen als Peking es gerne hätte”, sagte der China-Experte Moritz Rudolf von der US-Universität Yale der Nachrichtenagentur AFP. Das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas sei “so undurchsichtig, dass es die Gerüchte genährt hat”, sagte Rudolf. Richard McGregor vom Lowy Institute nannte die mangelnde Kommunikation über die Ablösung Qins ein gutes “Beispiel für die völlige Intransparenz der chinesischen Elitenpolitik”.

Firmenchefs, Politiker und Schauspielerinnen verschwanden

Manche Experten warnten allerdings vor voreiligen Schlüssen. Qin behalte “seine höhere Position als Staatsrat”, schrieb etwa Neil Thomas vom Asia Society Policy Institute in dem in “X” unbenannten Online-Netzwerk Twitter. Es sei daher “nicht hundertprozentig sicher, dass es sich um eine politische Säuberung handelt”.

Der China-Experte Manoj Kewalramani vom Forschungszentrum Takshashila Institution im indischen Bengaluru sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Tatsache, dass Qin Staatsrat bleibe, deute möglicherweise darauf hin, dass seine Absetzung “nicht das Ergebnis von Unzufriedenheit mit seiner Arbeit oder irgendeines disziplinarischen Vergehens” sei, sondern mit gesundheitlichen Gründen zusammenhänge, “die es ihm unmöglich machen, die intensive Rolle (des Außenministers) zu spielen”.

Rudolf gab zu bedenken, dass Qins steile diplomatische Karriere möglicherweise “bei anderen hochrangigen Personen im chinesischen Außenministerium für Unmut gesorgt hat”. Qin, der fließend Englisch spricht, war unter anderem chinesischer Botschafter in den USA.

Qin Gang ist allerdings nicht der erste hochrangige Politiker, der in China plötzlich ohne nähere Angaben von Gründen verschwunden ist. Auch prominente Chinesinnen und Chinesen sowie profilierte Wirtschaftsbosse verschwanden plötzlich aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Manchmal steckten Ermittlungen dahinter. Manchmal blieben die Gründe für die Abwesenheit ein Rätsel.

In unserer Fotostrecke zeigen wir Ihnen einige Fälle aus den letzten Jahren.

Quellen: Nachrichtenagenturen AFP, DPA, Reuters und APEncyclopædia Britannica, BBC, “L’Équipe”, “Asia Sentinel”, “Lianhe Zaobao”, “The Guardian”, “Business Insider”, Yahoo! News, “Global Times”, “Wall Street Journal”, “Hollywood Reporter”, “South China Morning Post”, heise.de, “China Digital Times”, “The Japan News”, PBS, Voice of America, Deutsche Welle

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