AfD-Eklat und 3G-Protest in erster Bundestag-Sitzung – Merkels Regierung nur noch geschäftsführend

  • VonKerstin Kesselgruber

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  • Tobias Utz

    Tobias Utz

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Bärbel Bas ist neue Bundestagspräsidentin. Sie wurde am Dienstag in der ersten Bundestag-Sitzung gewählt. Die AfD sorgte für einen Eklat – die Lage im News-Ticker.

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+++ 19.30 Uhr: Mit der Konstituierung des neuen Bundestags ist offiziell die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Minister zu Ende gegangen. Die Merkel-Regierung führt die Amtsgeschäfte aber weiter, bis das neue Kabinett ernannt und vereidigt ist. Nach jetziger Planung von SPD, Grünen und FDP soll das in der Woche ab dem 6. Dezember geschehen. Das bedeutet, dass Deutschland voraussichtlich etwa sechs Wochen lang eine geschäftsführende Regierung haben wird.

Deren Kompetenzen bleiben im Prinzip weitgehend unverändert. Eine geschäftsführende Regierung kann nach wie vor Gesetze in den Bundestag einbringen und sogar einen Haushaltsentwurf vorlegen. Allerdings hat sie im Bundestag keine Koalition mehr hinter sich, die diese Entwürfe beschließen würde. Generell gilt für eine geschäftsführende Regierung das Gebot größtmöglicher politische Zurückhaltung. Es ist Konsens, dass sie keine Entscheidungen mehr treffen sollte, die eine Nachfolgeregierung binden. Das gilt auch für die Außenpolitik.

+++ 16.45 Uhr: Bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags haben rund zwei Dutzend Abgeordnete die wegen Corona geltende 3G-Regelung nicht akzeptiert – also Zugang ins Plenum nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete. Sie mussten daher am Dienstag auf einer reservierten Tribüne Platz nehmen. Dort saßen 23 Parlamentarier, die alle von der AfD waren, wie sich bei Abstimmungen und Zwischenrufen zeigte. Prominente AfD-Abgeordnete wie Fraktionschefin Alice Weidel hielten sich allerdings an die Regelung und saßen unten im Plenarsaal.

Die Abgeordneten des Bundestages am Dienstag.

© Michael Kappeler/dpa

Die Fraktionen hatten zuvor gemeinsam beschlossen, dass in den unteren Bereich des Plenarsaals im Reichstagsgebäude nur Abgeordnete kommen dürfen, die geimpft, genesen oder kurzfristig auf das Coronavirus getestet sind. Beim entsprechenden Nachweis erhielten sie um ein Armgelenk ein schwarz-rot-goldenes Bändchen. Im Gegenzug galten dort keine Abstandsregeln mehr, sodass alle 736 Abgeordneten die Sitzung im Plenarsaal verfolgen konnten. Die AfD versuchte zwar, diese Regelung während der Sitzung zu kippen. Sie scheiterte damit aber am Widerstand der anderen Fraktionen.

Zum Abschluss der Sitzung bat die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) auch darum, pandemiebedingt auf das Mitsingen der Nationalhymne zu verzichten – das Bläserquintett der Universität der Künste Berlin spielte sie instrumental.

+++ 15.50 Uhr: Das Ergebnis ist da. Bas verkündet, dass 544 Stimmen auf Aydan Özoğuz entfallen. 600 Stimmen erhält Yvonne Magwas und Claudia Roth 565 Stimmen. Der AfD-Politiker Michael Kaufmann erhält hingegen nur 118 Stimmen. Petra Pau bekommt 484 Stimmen, Wolfgang Kubicki 564 Stimmen. 369 Stimmen sind Bedingung für eine Wahl in das Stellvertreter-Amt.

Die gewählten Kandidatinnen nehmen ihre Wahl an. Es folgen Gratulationen im Bundestag-Plenum.

+++ 15.15 Uhr: Das Ergebnis der Wahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird mit Spannung erwartet. Derweil rumort es offenbar in der Unionsfraktion. Einem Medienbericht zufolge sollen mehrere Mitglieder der CDU und CSU unzufrieden mit der Verabschiedung Wolfgang Schäubles als Bundestagspräsident gewesen sein. Diese sei nahezu „vergessen“ worden sein, wie das Magazin Business Insider berichtet.

Fraktionschef Ralph Brinkhaus habe Bärbel Bas viel Zeit zur Vorstellung in der Fraktion eingeräumt, Schäuble zur Verabschiedung jedoch kaum. Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten laut Business Insider davon, dass Schäuble am Ende der Sitzung den Raum wortlos verlassen wollte, dann allerdings zurückgeholt worden sei. Brinkhaus soll anschließend noch einige dankende Worte gesagt haben. „Das wäre bei dem früheren Fraktionschef Volker Kauder nicht passiert“, wird ein Teilnehmer vom Magazin zitiert.

+++ 14.45 Uhr: Alle Stimmen zur Wahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter von Bärbel Bas wurden abgegeben. Die erste Bundestag-Sitzung der Legislaturperiode wurde unterbrochen. Ein Ergebnis der Wahl wird zwischen 15.30 Uhr und 16.00 Uhr erwartet.

+++ 14.20 Uhr: Die Wahl der Stellvertreterinnen und Stellvertreter von Bärbel Bas hat begonnen. Die SPD hat dafür Aydan Özoğuz, früherer Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, nominiert. Aus den Reihen der Union wurde Yvonne Magwas aufgestellt. Drei bekannte Gesichter wollen das Amt hingegen behalten: Claudia Roth von den Grünen, Petra Pau von den Linken und Wolfgang Kubicki von der FDP.

+++ 13.40 Uhr: Bärbel Bas hat sich in ihrer ersten Rede als Bundestagspräsidentin vorgenommen, die „Präsidentin aller Abgeordneten“ zu sein. In ihren Ausführungen ereignete sich zudem ein kurzer, aber sehr emotionaler Moment im Bundestag. Bas erinnerte an Thomas Oppermann. Der ehemalige Vize-Bundestagspräsident verstarb vor circa einem Jahr unerwartet bei Dreharbeiten des ZDF.* Sie habe von Oppermann sehr viel gelernt. Er habe das „parlamentarische Handwerk“ beherrscht, „wie kaum ein anderer“. In Momenten, wie ihrer Ernennung zur Bundestagspräsidentin, merke sie, „dass er fehlt“.

Bas hielt anschließend kurz inne – und sorgte damit für mehrere Sekunden der Stille im Plenum.

+++ 13.28 Uhr: „Ich nehme die Wahl an“, antwortet Bas auf die Nachfrage Schäubles.

Bärbel Bas neben Olaf Scholz im Bundestag.

© Chris Emil Janssen/Imago Images

+++ 13.25 Uhr: Wolfgang Schäuble hat die Wahl geschlossen. 724 Stimmen wurden abgegeben. Davon haben 576 Abgeordnete mit Ja gestimmt. Somit ist Bärbel Bas neue Präsidentin des Deutschen Bundestages.

+++ 12.55 Uhr: Mittlerweile werden keine Namen von Abgeordneten mehr vorgelesen. Voraussichtlich geht es nun in die Auszählung der Stimmen.

+++ 12.22 Uhr: Nun werden alle Abgeordneten einzeln aufgerufen. Dieses Verfahren erfolgt alphabetisch.

+++ 12.20 Uhr: Wolfgang Schäuble erklärt zahlreiche Formalia der Wahl.

+++ 12.15 Uhr: Die Änderungsanträge der AfD wurden in der Abstimmung gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. Die Wahl der Bundestagspräsidentin beginnt. Vorgeschlagen ist Bärbel Bas von der SPD.

+++ 12.09 Uhr: Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, warf Stephan Brandner vor, die „braune Widerlichkeitsskala“ gleich in der ersten Bundestagssitzung „in die Höhe zu treiben“. Brandner hatte zuvor Willy Brandt, der gegen die Nazis gekämpft hatte, angeführt, um seine Forderung nach einer Änderung der Geschäftsordnung zu unterstützen.

+++ 12.03 Uhr: Stephan Brandner von der AfD stürzt sich in seiner Rede direkt aufs Gendern im Bundestag, das er als „Quatsch“ bezeichnet. Eine „große Mehrheit“ der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sei gegen das Gendern, daher der Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung. „Mehr Demokratie wagen“ nennt er den AfD-Vorschlag zum Wahl-Quorum der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers – und erntet empört-höhnisches Gelächter aus dem Parlament.

Angriffe von Grünen und FDP auf die AfD im Bundestag

+++ 11.57 Uhr: Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, strebt einen „würdigen Umgang mit der Verantwortung“ an, die die Bürgerinnen und Bürger dem Bundestag übertragen haben. Die Geschäftsordnung des Bundestags zu modernisieren sei sinnvoll. Doch den AfD-Änderungsantrag zur Senkung des Quorums zur Wahl und Abwahl einer Bundeskanzlerin oder eines Bundeskanzlers wies er mit Verweis auf die Erfahrung aus der Weimarer Republik zurück. Diese habe letztlich in die Diktatur geführt. Das Ziel der AfD sei, das „Vertrauen in die demokratischen Institutionen unseres Grundgesetzes zu unterhöhlen“.

+++ 11.51 Uhr: Britta Hasselmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, begann ihren Wortbeitrag mit einem Angriff auf die AfD. „Die Geschäftsordnung des Bundestags ist für alle verbindlich“, sagte sie. Zwei Änderungsanträge der AfD zur Wahl der Bundeskanzlerin und zum Gendern liegen demnach vor – Hasselmann hält beide für „Unsinn“.

+++ 11.40 Uhr: Wolfgang Schäubles Rede ist nun beendet. Darin gab er sich gewohnt staatsmännisch und betonte, welche große Aufgaben Deutschland in den kommenden vier Jahren bevorstünden.

+++ 11.27 Uhr: Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte mit Blick auf Gauland, wer das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte als „Fliegenschiss“ bezeichne, habe sich schon dadurch disqualifiziert. Grosse-Brömer kritisierte zugleich Bestrebungen der FDP, die Sitzordnung im Bundestag „mit der Brechstange“ zu ändern. Dies sei kein guter Stil: „Ich spüre einen Hauch von Arroganz der Macht.“

AfD-Eklat gleich zu Beginn der ersten Bundestagssitzung

+++ 11.25 Uhr: Zuvor war es in der Rede des AfD-Abgeordneten Ben Baumann zu einem Eklat gekommen. Der parlamentarische Geschäftsführer seiner Fraktion betonte: „Seit bald zwei Jahrhunderten ist es fester parlamentarischer Brauch, dass ein sogenannter Alterspräsident die Sitzung eröffnet. Und das war immer, aus Respekt vor dem Alter, der älteste Abgeordnete von allen.“ Alle Bundestage hätten sich an die Regel gehalten, lediglich im Jahr 1933 habe man mit Hermann Göring eine Ausnahme gemacht, so Baumann. Gauland sei der „älteste und erfahrenste“ im Bundestag. Eine Verwehrung der Zuteilung des Alterspräsidenten an die AfD sei eine „Herabsetzung von Millionen Wählern“.

SPD-Politiker Carsten Schneider bezeichnete den gezogenen Vergleich des AfD-Politikers zur Weimarer Republik als „Frechheit“.

Wolfgang Schäuble im Bundestag.

© Kay Nietfeld/dpa

+++ 11.15 Uhr: Ein Antrag der AfD, Alexander Gauland statt Wolfgang Schäuble als Alterspräsidenten des Bundestages zu benennen, wurde vom Bundestag abgelehnt. Schäuble verkündete im Nachgang: „Ich freue mich, die Rolle zu übernehmen.“

+++ 11.00 Uhr: Die erste Sitzung des neu gewählten Bundestages beginnt. Alterspräsident Schäuble erläutert zunächst zahlreiche Formalia.

3G-Regelung bei der ersten Sitzung des Deutschen Bundestags

+++ 10.20 Uhr: Die erste Sitzung des 20. Deutschen Bundestages findet unter speziellen Corona*-Bedingungen statt. Im Parlament gilt die 3G-Regelung. Das bedeutet, dass nur Abgeordnete, welche gegen das Coronavirus geimpft, negativ auf Sars-CoV-2 getestet oder von Covid-19 genesen sind, das Bundestagsplenum betreten dürfen. Im Vorfeld der Sitzung müssen entsprechende Nachweise bei der Bundestagsärztin eingereicht werden. Die Tests dürfen dabei nicht älter als 24 Stunden sein.

Ist das der Fall, erhalten die Abgeordneten ein schwarz-rot-goldenes Armband als Zeichen ihres 3G-Nachweises. Abgeordnete, die sich der 3G-Regelung verweigern, müssen auf einer der Tribünen Platz nehmen. Dort werden auch beispielsweise Plätze für Abgeordnete freigehalten, die Sorge wegen der fehlenden Abstandsregelung im Plenum haben. Stephan Protschka, Bundestagsabgeordneter der AfD, kündigte beispielsweise auf Twitter an, dass er auf der Tribüne Platz nehmen werde: „Ich werde morgen auf der Besucher-Tribüne im Bundestag Platznehmen, da ich nicht gewillt bin, meinen Gesundheitszustand offenzulegen“, schrieb er am Montag.

Erstmeldung von Dienstag, 26.10.2021, 9.30 Uhr: Berlin – Rund vier Wochen nach der Bundestagswahl 2021* kommt am Dienstag (26.10.2021) erstmals der 20. Deutsche Bundestag zusammen. Hintergrund dessen ist eine Vorgabe des Grundgesetzes, welche besagt, dass das gewählte Parlament spätestens am 30. Tag nach der Wahl tagen muss. Leiten wird die Bundestag-Sitzung Wolfgang Schäuble, Alterspräsident (sitzt seit 1972 im Parlament) und scheidender Bundestagspräsident.

Schäuble wäre wohl gern Bundestagspräsident geblieben. Allerdings obliegt die Besetzung des zweitstärksten Amtes im Staat der stärksten Fraktion, sprich: der SPD*. Bereits vor mehreren Tagen wurde klar, wer wohl Schäubles Nachfolgerin wird: Bärbel Bas wurde bereits von der sozialdemokratischen Partei nominiert. Ihre Wahl gilt als sicher.

Bundestagswahl 2021: Blockade des AfD-Kandidaten als Vize

Die Union, welche eine historische Wahlniederlage einstecken musste, hat ebenfalls eine Kandidatur aufgestellt, allerdings für das Amt der Vize-Präsidentin: Yvonne Magwas gilt als aussichtsreichen Kandidatin von CDU* und CSU*. Aus den Reihen der SPD wurde die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, vorgeschlagen. Daneben werden wohl drei bekannte Gesichter erneut Stellvertreter beziehungsweise Stellvertreterinnen werden: Claudia Roth von den Grünen*, Petra Pau von der Linken* und Wolfgang Kubicki von der FDP*. Die AfD*-Fraktion schickt zudem Michael Kaufmann als möglichen Stellvertreter des neuen Bundestagspräsidenten oder der neuen Bundestagspräsidentin ins Rennen. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, dass es unter den Fraktionen ein breites Bündnis gegen den AfD-Kandidaten geben soll. Ein Sprecher der Linksfraktion sagte dazu: „Wir unterstützen keine Faschisten.“

Am Dienstag (26.10.2021) kommt der 20. Deutsche Bundestag erstmals zusammen. (Archivfoto)

© Stefan Boness/IPON/Imago Images

Gegen 11.00 Uhr soll die Sitzung des Bundestages beginnen. (tu/kke mit dpa/AFP) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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