Regierungsbildung: Grüne: Keine Mehrheit für Tempolimit – Politik

Für ein generelles Tempolimit hat es laut Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock in den Ampel-Sondierungen mit SPD und FDP keine Mehrheit gegeben. “Das hat uns geschmerzt”, sagte sie im Deutschlandfunk. Dies wäre allerdings nur eine kleine Maßnahme für das Klima gewesen, eigentlich wichtiger für die Verkehrssicherheit. Ansonsten hätten die Grünen im Klimabereich viel erreicht, beteuerte Baerbock – einen wohl vorgezogenen Kohleausstieg, einen Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Solardächerpflicht und klare Leitplanken für die Industrie. Damit gebe es künftig die Chance, die Klimaziele einzuhalten. Die Sondierungen hätten zunächst die Eckpfeiler festgelegt. “Natürlich muss das alles unterfüttert werden.”

Insbesondere was das Geld betrifft: “Die genaue Finanzierungsberechnung, die wird dann in den Koalitionsverhandlungen folgen”, sagte Baerbock. Zuletzt gab es Kritik am Sondierungspapier der Ampel-Partner, weil es bei der konkreten Finanzierung von Projekten noch ungenau ist. “Das war eines der härtesten Themen”, sagte Baerbock. Hier hätten Grüne und FDP weit auseinander gelegen. Allein für die Modernisierung der Infrastruktur seien aber 50 Milliarden Euro pro Jahr notwendig – zu stemmen “über Gesellschaften”. Details zu dieser Form von Nebenhaushalten nennt Baerbock nicht.

Zur Kritik der fehlenden Finanzierung sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ZDF, es gebe schon Geld in den Haushalten. Außerdem werde Wachstum zu mehr Steuereinnahmen führen. “Wir sehen ja gerade, dass die Wirtschaft anläuft.” Und schließlich werde die vereinbarte globale Mindeststeuer Deutschland knapp sechs Milliarden Euro in die Kassen spülen. (18.10.2021)

FDP entscheidet über Koalitionsverhandlungen

Drei Wochen nach der Bundestagswahl rüsten sich SPD, Grüne und Liberale für Koalitionsverhandlungen. Als letzte der drei Parteien will an diesem Montag die FDP über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen für eine neue deutsche Regierung entscheiden. Parteichef Christian Lindner rechnet fest mit Zustimmung – und mit der Bildung der ersten Ampelkoalition auf Bundesebene. “Scheitern ist hier keine Option”, sagte Lindner am Sonntagabend im ZDF. “Wir brauchen eine stabile Regierung in Deutschland. Sie sollte auch schnell gebildet werden.”

Stimmen die Spitzengremien der FDP zu, ist der Weg für Koalitionsverhandlungen frei. Nachdem der SPD-Vorstand am Freitag einstimmig für formelle Gespräche über eine Ampel-Koalition votiert hatte, stimmte am Sonntag auch ein kleiner Parteitag der Grünen bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung zu. Die Verhandlungen könnten schon in wenigen Tagen beginnen.

Lindner äußerte die Erwartung, dass in der neuen Bundesregierung ein Ministerium geschaffen wird, das sich federführend um den Klimaschutz kümmert. “Das ist aber keine bereits bestehende Verabredung”, betonte er im ZDF. Zuvor hatte er in der ARD gesagt: “Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium. Und ich bin der Meinung, jeder der Partner muss eine Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken.” (18.10.2021)

Lindner signalisiert Anspruch aufs Finanzministerium

Zwischen FDP und Grünen verschärft sich der Konflikt über die Besetzung des Finanzministeriums in der angestrebten Ampelkoalition. FDP-Chef Christian Lindner sprach sich zwar gegen öffentliche Debatten über Ministerposten aus, signalisierte aber zugleich sehr deutlich sein Interesse an dem Schlüsselressort. Grünen-Co-Chef Robert Habeck kritisierte Personalspekulationen als “nicht hilfreich”.

Lindner machte am Sonntagabend deutlich, welche Rollenverteilung er in einer künftigen Ampel-Regierung sieht. “Wichtig ist mir nur eins, jeder der drei Partner muss wirken können, muss Einfluss nehmen können”, sagte er in der ARD. “Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium. Und ich bin der Meinung, jeder der Partner muss eine Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken.”

Habeck reagierte verärgert auf solche Personalspekulationen. “Es gehört zur Fairness, zum guten Ton und auch zur politischen Klugheit, das jetzt nicht zu tun. Man erhöht im Zweifelsfall nur die eigene Fallhöhe”, sagte er in der ARD. “Wir haben sehr unterschiedliche finanzpolitische Vorstellungen. Die Konkurrenz ist da, ohne Frage. Das Vertrauen, dass das dann passiert, wie es verabredet ist, muss sich erst noch beweisen, auch in den Koalitionsgesprächen.”

Der Grünen-Chef versicherte, er selbst stelle “alle persönlichen Ambitionen von Menschen inklusive meiner Person” immer zurück. “Ich klopfe allen auf die Finger, die zucken. Deshalb kann ich für meinen Laden sagen, wir werden das nicht tun.”

Bei den Grünen mehren sich die Stimmen, in der angestrebten Ampelkoalition selbst das Finanzministerium zu besetzen. Es spiele eine zentrale Rolle etwa bei Entscheidungen über Zukunftsinvestitionen, sagte etwa die stellvertretende Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Noch deutlicher wurde der grüne Finanzminister aus Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, auf Twitter. Grünen-Co-Chef Robert Habeck sei die Idealbesetzung für das Finanzministerium im Bund, das de facto ein Veto-Recht hat. “Er hat sich nicht erst seit gestern gründlich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet.”

Es müsse jetzt darum gehen, Spielräume innerhalb der Schuldenbremse zu nutzen und mit der Bekämpfung von Geldwäsche sowie Steuerhinterziehung und Steuervermeidung neue Spielräume zu schaffen, sagte Sven Giegold. Der Grünen-Politiker war Mitglied des Sondierungsteams seiner Partei zur Bildung einer Regierung mit SPD und FDP. “Die Finanzquellen werden wir nur erschließen, wenn wir die Umsetzung dieser Maßnahmen selbst in die Hand nehmen. Wir dürfen nach schweren Kompromissen in der Steuerpolitik nicht auch noch die Umsetzung der vereinbarten Finanzpolitik opfern”, so der Finanzpolitiker.

Die Grünen sind in der Ampel-Konstellation gemessen an der Größe ihrer Fraktion im Bundestag der zweitstärkste Partner. Weil die SPD als größte Fraktion das Kanzleramt bekäme, hätten die Grünen eigentlich die zweite Wahl. Zuletzt hatten viele Insider aber gesagt, die FDP solle mit dem Finanzministerium in die Ampel-Regierung gelockt werden. Die Grünen könnten dafür ein deutlich aufgewertetes Klimaministerium bekommen. (18.10.2021)

Union und Verdi: Rentenbeiträge werden steigen

Die Union hält die Rentenpläne der möglichen künftigen Ampelkoalition für nicht finanzierbar. “Ich habe den Eindruck, dass die Leute nicht eins und eins zusammen zählen können. Wenn man sagt, wir halten das Rentenniveau bei 48 Prozent, dann ist zum Ende der Legislaturperiode 2024 oder 2025 die Rentenkasse leer”, sagt CDU-Rentenexperte Peter Weiß der Zeitung Rheinische Post. “Die Ampel muss den Bürgern reinen Wein einschenken und zugeben: Die Rentenbeiträge werden deutlich steigen müssen.”

Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke, prognostiziert angesichts der Rentenpläne der möglichen Ampelkoalition steigende Rentenbeitragssätze. “Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung wird erhöht werden müssen, gar keine Frage. Das ist im Bundeshaushalt auch darstellbar. Und es wird steigende Beiträge zur Rentenversicherung geben müssen”, sagte er der Zeitung. “Das ist vertretbar, denn der Beitragssatz liegt mit 18,6 Prozent unterhalb des Niveaus in der Regierungszeit von Helmut Kohl.” (18.10.2021)

Grüne stimmen für Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP

Die Grünen haben sich für Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP ausgesprochen. Bei einem kleinen Parteitag votierte eine große Mehrheit an diesem Sonntag in Berlin für die Aufnahme der Gespräche zur Bildung einer gemeinsamen Regierung. Von nach Parteiangaben 70 stimmberechtigten Delegierten stimmten zwei mit Nein, es gab eine Enthaltung. Bereits am Freitag hatte der SPD-Vorstand einstimmig für Koalitionsverhandlungen votiert, womit nur noch die Zustimmung der FDP-Führung aussteht.

Vor dem Grünen-Votum hatte Partei-Co-Chef Robert Habeck dafür geworben, in Koalitionsgespräche mit SPD und FDP einzutreten. “Was wir heute hier beschließen können, ist eine Zäsur für den Wandel in Deutschland”, so Habeck in seiner Rede. Die Grünen hätten in einer künftigen Regierung die Chance, Papiere nicht mehr nur für Parteitage zu schreiben, sondern sie umzusetzen.

Der Grünen-Vorsitzende räumte allerdings auch ein, dass seine Partei im Sondierungspapier Zugeständnisse an die anderen Partner hatte machen müssen. “Ja, wir haben nicht alles durchsetzen können. Wir haben Verluste in diesem Sondierungspapier zu verzeichnen.” Er verwies darauf, dass etwa ein generelles Tempolimit ebenso ausbleiben werde wie eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. “Wir muten uns mit dem Papier etwas zu – den anderen aber auch. Wir kommen aus der Defensive in die Gestaltung, in die Offensive”, sagte Habeck – und zählte anschließend all jene Punkte auf, in denen die Grünen in dem Sondierungspapier hätten Akzente setzen können. Dazu gehörten laut Habeck die Kindergrundsicherung, zwölf Euro Mindestlohn und ein modernes Einwanderungsrecht. Außerdem der frühere Kohleausstieg, die Förderung der Windenergie und die Verplichtung auf das 1,5-Grad-Ziel.

Wo es Kritik aus den Reihen der Delegierten gab, war die eher verhalten: “Wo steht in diesem Sondierungspapier die wahrhaftige Beseitigung der Armut in diesem Land?”, fragte etwa Cansin Köktürk aus Bochum. Andere hoben den Handlungsbedarf hervor, den es in einer künftigen Bundesregierung noch beim Klimaschutz und beim Kampf gegen Armut gebe. Mehrere Delegierte mahnten an, dass in den nun bevorstehenden Koalitionsverhandlungen noch wichtige Details zu klären seien. So müsse deutlich werden, woher das Geld für notwendige Investitionen kommen solle, betonte die Hamburger Delegierte Anja Hajduk. (17.10.2021)

Brinkhaus sieht Ampel auf strammem Linkskurs

CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat die Ampel-Sondierungen von SPD, Grünen und FDP kritsiert. “Das ist die strammste Linksagenda, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland gehabt haben. Es ist ein soziales Wünsch-dir-was. Allen wird alles gegeben, allen wird alles erfüllt”, sagte Brinkhaus beim Deutschlandtag der Jungen Union in Münster.

Das Sondierungspapier verspreche viel, etwa eine ewige Rentengarantie, mache aber keine Aussagen, wie die Projekte bezahlt werden sollen. Nichts sei gegenfinanziert. Ein solcher Ansatz traue den Menschen nichts und dem Staat viel zu.

“Diese Ampelkoalition ist nicht gut für unser Land. Deswegen muss es unser Anspruch sein, die wieder aus dem Bundeskanzleramt rauszuhauen”, sagte Brinkhaus. Der CDU-Politiker widersprach dem Eindruck, dass sich die FDP in den Sondierungen durchgesetzt habe. Bei einer Ampel gebe es lange rote und grüne Phasen – “gelb ist es immer nur drei bis fünf Sekunden”, sagt er. (17.10.2021)

SPD, Grüne und FDP verteidigen Sondierungszugeständnisse an die jeweils anderen Partner

Nach Kritik an dem Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP haben mehrere Politiker aus der möglichen neuen Koalition ihre Pläne verteidigt. Angesprochen auf die Erhöhung des Mindestlohnes, die der FDP-Programmatik eigentlich zuwiederläuft, sagte etwa der FDP-Vorsitzende Christian Lindner der Bild am Sonntag: “Die einmalige Ausnahme ist vertretbar und entspricht der Meinung der Bevölkerungsmehrheit”.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin rechtfertigt in derselben Zeitung den Verzicht seiner Partei auf Steuererhöhungen für Reiche bei den Ampel-Sondierungen. “Die Delegierten wissen, dass es keine Steuersenkungen für Besserverdienende gibt. Da haben sich Grüne durchgesetzt. Auf der anderen Seite gibt es keine stärkere Belastung der Topverdiener. Da hat sich die FDP durchgesetzt. Das ist, was es ist – ein ordentlicher Kompromiss”, so Trittin.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hält einen Mitgliederentscheid über einen Ampel-Koalitionsvertrag für unnötig, da es in der SPD dafür ohnehin “überwältigende” Zustimmung gebe. Die Zugeständnisse von seiner Partei und den Grünen an die FDP verteidigt der SPD-Chef in der Bild am Sonntag. Der Weg in die Ampel sei für die FDP der längste und dies hätten “alle am Verhandlungstisch anerkannt”. Er sei zuversichtlich, so Walter-Borjans, dass die Ampel trotz Einhaltung der Schuldenbremse die notwendigen Milliarden für Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz aufbringen werde: “Wir werden Steuerbetrug und Geldwäsche noch stärker bekämpfen, Steuerschlupflöcher schließen, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, aber auch die Möglichkeiten nutzen, die uns die Schuldenbremse lässt.” Diese Maßnahmen könnten mehr als zehn Milliarden Euro pro Jahr für den Staatshaushalt einbringen. (17.10.2021)

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