Hochwasser aktuell: Hohe Schäden für Betriebe im Ahrtal – Panorama


Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat bei den dortigen Unternehmen laut einer Schätzung Sachschäden von mehr als einer halben Milliarde Euro angerichtet. Ein großer Anteil der geschätzten Schadenssumme von etwa 560 Millionen Euro entfalle auf Gebäude, aber auch Maschinen, Werkzeug und zerstörte Ware seien bei der Schätzung berücksichtigt, teilten die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HwK) Koblenz am Montag mit. Besonders schwer seien Gastgewerbe und die Hotellerie mit rund 11 000 Betten im Kreisgebiet getroffen worden. “Die Region lebt stark vom Tourismus”, sagte Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz. “Erst die Schließungen durch die Corona-Pandemie und nun diese Naturkatastrophe: Für die Wirtschaft, und insbesondere die Händler, Hoteliers und Gastronomen entlang der Ahr, ist dieses Unwetter verheerend.” Die finanzielle Situation sei angespannt, denn viele Betriebe hätten keine Elementarversicherung, und Reserven seien vorher schon aufgebraucht gewesen, sagte er weiter.Die IHK stehe im engen Austausch mit dem Wirtschaftsministerium, denn nun sei eine schnelle und unbürokratische Unterstützung der betroffenen Unternehmen nötig. Die Soforthilfe von 5000 Euro sei dabei ein erster wichtiger Schritt. Aber auch Zuschüsse und Förderprogramme müssten schnell zur Verfügung gestellt werden. “Ganz zu schweigen von der Wiederherstellung der Infrastruktur, ohne die die Unternehmen ihre Tätigkeiten nur teilweise oder überhaupt noch nicht wieder aufnehmen können”, betonte er.

HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich erklärte: “Es kommt jetzt sehr darauf an, die überwältigende Hilfsbereitschaft der Handwerkerinnen und Handwerker aus ganz Deutschland sinnvoll zu koordinieren”, sagte er. Dringend gebraucht würden finanzielle Unterstützung und logistische Kapazitäten, um die Helfer vor Ort mit den notwendigen Materialien zu versorgen. (27.07.2021)

Baerbock pocht auf stärkere Beteiligung des Bundes beim Katastrophenschutz

Die Grünen fordern mehr Kompetenzen für den Bund beim Katastrophenschutz. Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe müsse eine Zentralstelle geschaffen werden, um in akuten Fällen das Handeln der Kommunen und Länder zu koordinieren und zu unterstützen, sagte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Für Katastrophenschutz in Nichtkriegszeiten sind in Deutschland die Länder zuständig. Diese Dezentralität solle erhalten bleiben, sagte Baerbock, “wir müssen aber bei der Koordinierung besser werden”. Dafür müsse auch das Grundgesetz geändert werden: Die Kompetenzen, die der Bund bei Katastrophen im Verteidigungsfall habe, müsse er auch in Friedenszeiten bekommen.

Zugleich forderte Baerbock eine “nationale Resilienzstrategie”, um sich für die Folgen von Katastrophen besser zu wappnen, etwa um Lieferketten zu schützen. Schließlich müssten die bestehenden Warnsysteme verbessert, etwa um das sogenannte Cell Broadcast ergänzt werden. Die Grünen legten am Montag ein Konzept zur Reform des Katastrophenschutzes vor.

Dabei verlangte die Kanzlerkandidatin auch mehr Anstrengungen beim Klimaschutz, um die Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen zu senken. Die Grünen würden kommende Woche aktualisierte Vorschläge für ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen. CSU und CDU warf sie “Klima-Wirrwarr” vor. Dass sich die Union nicht auf eine Linie einigen könne, sei eine “Gefahr für die Sicherheit der Menschen”, für den Industriestandort und die Versorgungssicherheit. Die “Zeit von Herumlavieren, Abwiegeln, Beschönigen” müsse vorbei sein.

Anhaltender Starkregen hatte am 14. Juli zu Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern geführt. Mindestens 180 Menschen kamen ums Leben. Nach der Unwetterkatastrophe hatte es Vorwürfe gegeben, die Menschen in den betroffenen Gebieten seien nicht schnell genug gewarnt worden. (26.07.2021)

Seehofer: Warnung per SMS könnte bald kommen

Bundesinnenminister Horst Seehofer äußert sich zuversichtlich, dass das sogenannte Cell Broadcast – also Warnmeldungen an die Bevölkerung via Mobilfunk – rasch eingeführt werden könne. “Ich glaube, man kann das in diesem Jahr hinbringen”, sagt Seehofer vor einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages in Berlin. Er wisse um die Bedenken, etwa der Netzbetreiber. “Wenn man will, kann man Berge versetzen – nur nicht die Zuständigkeiten der Länder”, fügt der CSU-Politiker hinzu.

Wie die Grünen wirbt auch die SPD für eine Verfassungsänderung, um dem Bund mehr Kompetenzen beim Katastrophenschutz auch in Friedenszeiten zu geben. Die strikte Trennung zwischen Katastrophenschutz bei den Ländern und Zuständigkeit des Bundes für Zivilschutz im Verteidigungsfall ist nach Einschätzung des SPD-Innenpolitikers Sebastian Hartmann nicht mehr zeitgemäß. “Heutige Bedrohungslagen – gerade das Stichwort Cyberangriffe auf Krankenhäuser, Wasserver- und -entsorgung – haben schnell auch in Friedenszeiten Situationen, wo Länder überfordert sind”, sagte Hartmann bei Welt-TV. “Deshalb muss der Bund bei Lagen, die das gesamte Bundesgebiet betreffen oder die Länder überfordern würden alleine, auch eingreifen können. Da werden wir um eine Diskussion über eine Verfassungsänderung nicht herumkommen”, sagt Hartmann.

Bundesinnenminister Seehofer hatte zuletzt für mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern geworben, sagte aber, an den Zuständigkeiten solle sich nichts ändern. (26.07.2021)

Nur noch 74 Vermisste im Ahrtal

Die Zahl der Vermissten nach der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal ist von 149 auf 74 Fälle reduziert worden. Gelungen sei dies nach Untersuchungen der Polizei teils in Zusammenarbeit mit Kollegen in anderen Bundesländern und in Nachbarstaaten, teilte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) mit. Von den noch vermissten Menschen hätten 59 ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz, 15 seien in anderen Bundesländern gemeldet.

Die Zahl der Todesopfer blieb mit 132 konstant. 68 Personen seien inzwischen eindeutig identifiziert worden, sagte Lewentz. Dies sei teils eine große Herausforderung, da sie nicht mit bloßer Inaugenscheinnahme möglich sei. In vielen Fällen seien ein Zahn- und ein DNA-Abgleich notwendig. “Wir werden weiter alles dafür tun, dass wir diese Identitäten zweifelsfrei klären können”, sagte Lewentz. Die Staatsanwaltschaften würden dann die Leichname freigeben, damit eine Bestattung erfolgen könne. (26.07.2021)

Kreis Euskirchen: Noch immer muss das Wasser abgekocht werden

Die Versorgung mit Strom und Trinkwasser ist im nordrhein-westfälischen Kreis Euskirchen auch mehr als zehn Tage nach der Flutkatastrophe nicht wieder vollständig hergestellt. “Wir sind immer noch nicht bei hundert Prozent”, sagte ein Sprecher des Kreises. In weiten Teilen von Bad Münstereifel und im Stadtgebiet von Euskirchen müsse das Wasser weiterhin abgekocht werden. Zudem seien noch nicht alle Gebiete wieder komplett mit Strom versorgt. Währenddessen schreiten die Aufräumarbeiten weiter voran. “Die Müllberge verschwinden langsam”, sagte der Sprecher. “Aber es ist auch noch jede Menge zu tun.” Zudem seien die Bachläufe und Abflüsse in den vergangenen Tagen auf Treibgut kontrolliert worden, um für eventuelle neue Regenfälle gewappnet zu sein. (26.07.2021)

Hochwasserschutzanlage in Grimma mutwillig beschädigt

Die Hochwasserschutzanlage im sächsischen Grimma ist von unbekannten Tätern schwer beschädigt worden. Wie die Stadtverwaltung mitteilte, ist unter anderem ein größeres Fluttor betroffen. Eisenteile, die für die Bedienung nötig seien, seien verbogen worden. Nun lasse sich das Tor nicht mehr schließen. Die ganze Anlage sei nicht funktionsfähig, sagte der Grimmaer Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos). Käme ein Hochwasser, wäre die Stadt “völlig schutzlos”.

Die komplexe Hochwasserschutzanlage war erst 2019 nach elf Jahren Bauzeit fertiggestellt worden. Die Kosten wurden damals auf 57 Millionen Euro beziffert. In das zwei Kilometer lange Schutzbauwerk sind 78 Tore unterschiedlicher Größe eingebaut, die innerhalb von zwei Stunden geschlossen werden können. Mit der Mauer soll Grimma im Landkreis Leipzig einem Hochwasser wie 2013 standhalten. (26.07.2021)

Bis zu 50 Liter Regen pro Quadratmeter in Berlin

In Berlin und Brandenburg sind am frühen Sonntagabend heftige Gewitter niedergegangen. Die Berliner Feuerwehr teilte auf Twitter mit, sie befinde sich im “Ausnahmezustand Wetter”. Einsätze würden priorisiert abgearbeitet, es könne beim Notruf 112 zu Wartezeiten kommen. Eine Sprecherin beim Deutschen Wetterdienst (DWD) sagte, um 19 Uhr habe es in Berlin-Buch 50 Liter Regen pro Quadratmeter gegeben, in Berlin-Marzahn etwa 40 Liter. Am Berliner Flughafen (BER) kam es zu zahlreichen Verspätungen, die Abflüge stauten sich.

Der Deutsche Wetterdienst hatte auch für Brandenburg gewarnt, etwa für die Landkreise Märkisch-Oderland, Oberhavel, Oder-Spree und Spree-Neiße, die Kreise Ostprignitz-Ruppin, Barnim, Dahme-Spreewald sowie die Stadt Cottbus. Vereinzelt könnten Bäume entwurzelt und Dächer beschädigt werden, Überflutungen von Kellern und Straßen sowie über die Ufer tretende Bäche und Flüsse seien möglich.

Auch in Teilen Bayerns tobten am Sonntag heftige Unwetter – insbesondere in den Landreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Weilheim-Schongau war die Feuerwehr im Einsatz, um Schäden zu beseitigen. Unter einem umgeworfenen Hochstand wurde ein toter Jäger gefunden.

In den Hochwassergebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist es hingegen nahezu trocken geblieben. Auch dort war vor heftigen Unwettern am Wochenende gewarnt worden, es wurde angeboten, Ortschaften zu evakuieren. Nach einigen Niederschlägen am Samstagnachmittag habe es in der Nacht in den Regionen kaum noch geregnet, sagte eine Sprecherin des Deutschen Wetterdiensts. (25.07.2021)

Regen löst in London Verkehrschaos aus

Heftige Regenfälle und Gewitter haben am Sonntag in London für Verkehrschaos gesorgt. Mehrere Straßen, U-Bahn-Stationen und ein Tunnel wurden wegen Überflutung geschlossen, wie unter anderem die BBC berichtete. Auf Bildern war zu sehen, wie Busse und Autos von Wassermassen ausgebremst wurden. In vielen Bereichen der Stadt führte das zu großen Verzögerungen im Verkehr.

Die Feuerwehr sprach bereits am frühen Abend von mehreren Hundert Anrufen wegen vollgelaufener Keller oder überfluteter Straßen. Die Behörden warnten für mehrere Regionen im Südosten Englands vor weiteren Überflutungen und rieten von unnötigen Fahrten ab. Ein 28-jähriger Radfahrer sagte der britischen Nachrichtenagentur PA, er sei in London geboren und aufgewachsen, habe aber so etwas noch nie in der Stadt gesehen. (25.07.2021)

Belgien erneut von Unwetter stark betroffen

In Belgien sind bei erneuten Unwettern zahlreiche Autos weggeschwemmt und Menschen in Sicherheit gebracht worden. In der Stadt Dinant blockierten die vom Wasser mitgerissenen Fahrzeuge einen Bahnübergang, wie die Nachrichtenagentur Belga am Samstagabend unter Berufung auf das Bahnunternehmen Infrabel berichtete. Der Bahnverkehr sei wegen des Hochwassers Mitte Juli aber bereits eingestellt gewesen. In der Stadt Namur in der gleichnamigen Provinz seien wegen des Wetters Häuser evakuiert worden. Die Stadt liegt nur etwa 100 Kilometer südwestlich von Aachen. “Es ist eine Katastrophe”, zitiert Belga die Feuerwehr.

Auf Bildern in einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks RTBF ist zu sehen, wie sich Straßenzüge in reißende Flüsse verwandelt haben. Neben Namur und Dinant seien noch weitere Städte und Dörfer betroffen, berichtete Belga. Unter anderem wurde von Erdrutschen in Wallonisch-Brabant südlich von Brüssel berichtet. In der Provinz Antwerpen im Norden des Landes habe es wetterbedingte Einsätze der Feuerwehr gegeben. Es sei Wasser in Häuser geströmt, zudem habe ein Blitz ein Haus getroffen. Über Tote oder Verletzte wurde nichts bekannt.

Ähnlich wie in Deutschland war es auch in Belgien vor gut einer Woche zu heftigem Unwetter mit Todesopfern gekommen. Nach Angaben vom Freitag kamen 36 Menschen ums Leben. (25.07.2021)

EU-Hilfe: Angebot beim Wiederaufbau

Bei der Bewältigung der Folgen der Flutkatastrophe bietet die EU-Kommission Deutschland Hilfe an. “Mit Blick auf die Wiederaufbauphase nach dem Desaster hat die EU eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen”, sagt der zuständige EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič, der Welt am Sonntag. Mit Hilfe des EU-Solidaritätsfonds könne ein Teil der Kosten, die den Behörden bei Notfalleinsätzen und beim Wiederaufbau entstehen, übernommen werden.

Zusätzlich biete die EU-Kommission zahlreiche Informationen und Programme an, um die Mitgliedsländer bei einem besseren Katastrophenschutz zu unterstützen. Deutschland habe anders als Belgien bisher bei der Flutkatastrophe keine EU-Hilfe angefordert, erklärt der EU-Kommissar. “Vielmehr bot Deutschland entsprechend seinen Kapazitäten Hilfe für Belgien an.” (25.07.2021)

THW-Vizepräsidentin: Ehrenamtliche von “Querdenkern” beschimpft

Ehrenamtliche des Technischen Hilfswerks (THW) werden bei ihren Einsätzen in westdeutschen Flutgebieten teils gestört und verbal angegriffen. “Das geht dann so weit, dass unsere Helferinnen und Helfer beschimpft werden”, sagte die Vizepräsidentin des THW, Sabine Lackner, am Samstag in der Sendung “Frühstart” von RTL/NTV.

“Wenn sie mit Einsatzfahrzeugen unterwegs sind, werden sie mit Müll beschmissen”, fügte Lackner hinzu. Es handele sich bei den Angreifern vor allem um sogenannte “Querdenker” oder Menschen aus der Prepper-Szene, die sich als Betroffene der Flutkatastrophe ausgäben, sowie einige frustrierte Flutopfer.

Teils seien die Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit auch von Menschen gefilmt worden, die sich nicht als Pressevertreter erkenntlich gemacht hätten, sagte Lackner. Es seien noch keine Einsätze wegen der Vorfälle abgebrochen worden, doch die Situation sei für die ehrenamtlichen Helfer psychisch belastend. “Ich bin unseren Einsatzkräften unendlich dankbar, dass sie recht unerschrocken weitermachen”, so Lackner. Zum Schutz habe das THW veranlasst, dass die Kollegen ihr Namensschild von der Kleidung abnehmen durften.

Die Polizei Koblenz zeigte sich bestürzt über die Berichte. “Sollte die Polizei von einem solchen Vorfall Kenntnis erhalten, werden wir sofort und mit aller Entschiedenheit dagegen vorgehen”, schrieb sie auf Twitter. Derzeit könne die Polizei in Koblenz die Schilderungen aber “in keiner Weise” bestätigen. “Wir selbst haben erst aus den Medien von diesem angeblichen Vorfall erfahren und dies sofort beim THW und unseren Polizeikräften überprüft”, so die Polizei. (24.07.2021)

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