Afghanistan: Mehrere Tote nach Anschlag in Kabul – Politik


Nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan haben die islamistischen Taliban die Macht im Land übernommen – und gestalten es nach ihren Vorstellungen um. Die wichtigsten Entwicklungen im Newsblog.

Pentagon: Explosion am Flughafen Kabul

Außerhalb des Flughafens der afghanischen Hauptstadt Kabul ist es zu zwei Explosionen gekommen. Das schreibt der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, auf Twitter. Es habe mehrere Opfer gegeben, sowohl Angehörige des US-Militärs als auch Zivilisten, aber zur Zahl könne man noch nichts sagen, so Kirby. Eine der Explosionen habe sich am Abbey Gate, einem der Tore des Flughafens von Kabul, ereignet. Eine weitere Detonation sei unweit des Tores nahe des Baron-Hotels erfolgt, schreibt Kirby. Er sprach von einem “komplexen Anschlag”.

Die Angaben über die Zahl der Opfer sind ungenau und gehen je nach Quelle auseinander. Der amerikanische Sender CNN berichtet unter Berufung auf mehrere Beamte, dass auch US-Personal verletzt worden sei. Die Nichtregierungsorganisation Emergency, die am Flughafen ein Krankenhaus betreibt, spricht von mindestens sechs Menschen, die getötet worden seien und mehr als 60 Verletzten. Ein Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, der Hauptstadt von Katar, sagte, bei dem Anschlag seien mindestens 13 Menschen getötet und mindestens 52 weitere verletzt worden.

Die US-Regierung geht ersten Erkenntnissen nach davon aus, dass die beiden Detonationen auf Selbstmordanschläge zurückzuführen sind. Der Agentur Reuters zufolge soll die Extremisten-Gruppe IS-Chorassan hinter dem Angriff stecken. Das sagt ein Insider, der mit Unterrichtungen des Kongresses vertraut ist. Außerdem gibt es die Befürchtung, dass es in Kabul zu weiteren Anschlägen kommen könnte. In den vergangenen Tagen hatte es zunehmend Warnungen vor Terrorangriffen rund um den Flughafen gegeben. (26.08.2021)

Merkel: “niederträchtiger Anschlag”

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprich angesichts der Anschläge vor dem Flughafen Kabul von einer “bedrückenden Nachricht”. Die Terroristen hätten auf Menschen gezielt, die vor dem Flughafen auf ihre Rettung gewartet hätten. “Dies ist ein absolut niederträchtiger Anschlag in einer sehr bedrückenden Situation”, so die Kanzlerin. Merkel bekräftigte, dass man auch nach dem Ende der militärischen Evakuierungsmission sich darum bemühen wolle, Ortskräfte und andere Schutzbedürftige aus dem Land zu holen. “Diejenigen, die mit der Luftbrücke nicht mehr in Sicherheit gebracht werden können, werden wir nicht vergessen”, sagte sie. Über mögliche zivile Ausreisen nach dem endgültigen Abzug der internationalen Streitkräfte gibt es derzeit Gespräche mit den Taliban, die die Macht in Afghanistan wieder übernommen haben.

Alle deutschen Angehörigen der Evakuierungsmission in Kabul sind nach Angaben von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mittlerweile ausgeflogen und befinden sich in Taschkent. Dies gelte auch für zwei Bundeswehrsoldaten, die zunächst hätten zurückgelassen werden müssen. Sie seien mit dem Krankenhaus-Airbus am Abend evakuiert worden. Der Anschlag, so die Verteidigungsministerin “hat gezeigt, dass eine Verlängerung der Mission in Kabul nicht möglich war”. Die Bundesregierung setze aber dennoch alles daran, dass auch in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin Ortskräfte aus Afghanistan herausgeholt werden können. (26.08.2021)

Deutsche Soldaten nicht betroffen

Deutsche Soldaten sind von den Explosionen vor dem Flughafen von Kabul nicht betroffen, wie die Bundeswehr auf Twitter mitteilte. Man habe das für die Versorgung von Verletzten ausgerüstete Transportflugzeug A400M-MedEvac zurück zum Flughafen der afghanischen Hauptstadt geschickt. Die Maschine landete am Abend nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur außerplanmäßig und bot den US-Amerikanern Hilfe bei der Versorgung an. Zudem wurden zwei deutsche Soldaten aufgenommen, die während des Chaos nach der Explosion vor dem Flughafen noch am Boden geblieben waren. (26.08.2021)

Letzte Bundeswehr-Maschinen aus Kabul gestartet

Die letzten Maschinen der Bundeswehr zur Rettung von Deutschen und einheimischen Mitarbeitern aus Afghanistan sind am Donnerstag abgehoben. Die letzten drei Flugzeuge starteten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am frühen Abend (Ortszeit) vom Flughafen Kabul aus mit dem Ziel Taschkent in Usbekistan.

Schon in den Tagen zuvor hatte sich abgezeichnet, dass die militärische Rettungsmission auf ein Ende zusteuert. Bis Freitag sollen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch militärische Kräfte weitgehend abgezogen sein.

Die aus mehreren Nationen stammenden Soldaten am Flughafen sind bei ihren Evakuierungsaktionen auf den Schutz durch US-Truppen angewiesen. US-Präsident Biden erklärte, dass er an dem Plan festhalte, die amerikanischen Truppen bis zum 31. August aus Kabul abzuziehen.

“Insgesamt 5193 Personen konnten seit Beginn der Evakuierungsmission durch die Bundeswehr in Sicherheit gebracht werden – allein gestern waren es 539 zu Schützende. Wir evakuieren bis zur letzten Sekunde”, schriebt das Verteidigungsministerium am Donnerstagvormittag auf Twitter.

Die Bundesregierung hatte bisher stets betont, weiter mit Vertretern der Taliban verhandeln zu wollen, um auch nach dem 31. August Menschen außer Landes bringen zu können. Das Ende der Luftbrücke sei nicht gleichbedeutend mit einem Ende dieser Bemühungen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Möglich sei demnach etwa eine Evakuierung mit zivilen Flügen oder auch ein Transport von Menschen auf dem Landweg in die Nachbarländer Afghanistans. (26.08.2021)

Macron – Menschen in 20 Bussen warten auf Evakuierung

Nach Angaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stehen in Afghanistan noch 20 Busse mit französischen Staatsbürgern und anderen Personen, die geschützt werden sollen. Einige dieser Busse befänden sich am Tor des Flughafens. Eine erfolgreiche Evakuierung könne jedoch nicht garantiert werden, sagt er weiter. Darüber liefen gegenwärtig Diskussionen mit den Taliban.

Die Lage rund um den Flughafen in Kabul sei weiterhin “extrem gefährlich”. Die Umstände der Explosionen dort seien noch sehr unklar, sagte Macron. Es sei aber klar, dass es ein erhöhtes Niveau an Spannungen dort gebe. Man sei sich von Anfang an über die Risiken im Klaren gewesen, so der französische Präsident weiter. (26.08.2021)

Merkel sagt Israel-Reise wegen Lage in Afghanistan ab

Kanzlerin Angela Merkel hat die für den 28. bis 30. August geplante Reise nach Israel wegen der dramatischen Entwicklung in Afghanistan abgesagt. Beide Seiten seien sich einig, dass der Besuch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden solle, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag mit. (26.08.2021)

Merkel im Bundestag: Eine missglückte Rede (SZ Plus)

Türkei: Gespräche zur Sicherung des Flughafens in Kabul laufen weiter

Trotz des Abzugs der türkischen Streitkräfte aus Afghanistan ist die Sicherung des Flughafens in Kabul durch die Türkei noch nicht vom Tisch. “Nachdem unsere Soldaten abgezogen sind, können wir den Betrieb des Flughafens fortsetzen. Die Gespräche laufen weiter”, sagte Präsidentensprecher İbrahim Kalın dem türkischen Sender NTV. Der Abzug, der am Mittwoch begonnen hatte, werde 36 Stunden dauern. Die ersten Soldaten kamen am Donnerstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara an.

Der Flughafen in Kabul wurde bisher unter anderem von türkischen Soldaten gesichert, teils wurde auch der Service für den Flugbetrieb bereitgestellt. Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren unter anderem mit den USA Gespräche darüber geführt worden, ob die Türkei den Flughafen weiter sichern und betreiben könnte. Die Türkei hatte sich mehrmals dazu bereit erklärt, die Taliban hatten das jedoch abgelehnt.

Angesichts einer möglichen Zunahme von Migration aus Afghanistan betonte Kalın, dass die Türkei nicht bereit sei, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Man sei “niemandes Flüchtlings-Lagerhalle”, sagte er. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte bereits vergangene Woche gesagt, die Türkei sei nicht das Flüchtlingslager Europas. Das Land schottet sich ab und baut zurzeit eine Mauer an der Grenze zu Iran. Über das Nachbarland kommen immer wieder Migranten aus Afghanistan illegal ins Land. Die Türkei hat so viele Flüchtlinge aufgenommen wie kein anderes Land der Welt. Neben etwa 3,6 Millionen Menschen aus Syrien leben dort Hunderttausende weiterer Migranten, darunter auch Menschen aus Afghanistan. (26.08.2021)

EU-Nachbarländer ziehen sich zurück

Belgien und Dänemark haben ihre Rettungsflüge bereits eingestellt. In der Nacht auf Donnerstag sei der letzte belgische Flug in Islamabad angekommen, sagte Ministerpräsident Alexander De Croo. Grund für den Abbruch der Transporte seien Warnungen vor drohenden Anschlägen. Man habe rund 1400 Menschen evakuieren können, sagt De Croo. Auch Dänemarks Verteidigungsministerin Trine Bramsen hatte am Mittwochabend bereits erklärt, dass die Rettungsaktion ihres Landes beendet sei: “Es ist nicht mehr sicher, vom Flughafen Kabul zu fliegen”, sagte sie der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau.

Die niederländische Regierung rechnet damit, dass am Donnerstag die letzte ihrer Maschinen in Kabul abheben wird. “Die Niederlande sind von den USA informiert worden, dass sie heute abziehen müssen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass der letzte Flug später am Tag durchgeführt wird”, heißt es in einer Unterrichtung des Parlaments in Den Haag.

Frankreich kündigte am Donnerstag an, ab Freitagnachmittag würden keine Schutzsuchenden mehr aus dem Kabuler Flughafen ausgeflogen. “Wir werden bis morgen Nachmittag weitermachen”, sagte Ministerpräsident Jean Castex im Sender RTL Radio. (26.08.2021)

US-Botschaft warnt vor Terrorgefahr am Flughafen

Die Sicherheitslage rund um den Flughafen von Kabul spitzt sich wenige Tage vor dem mutmaßlichen Ende der militärisch gesicherten Rettungsmission erheblich zu. Die deutsche Botschaft in Afghanistan und andere Stellen warnen vor Terrorgefahr rund um den Airport der afghanischen Hauptstadt. “Aufgrund der Sicherheitsbedrohungen vor den Toren des Flughafens Kabul raten wir US-Bürgern, derzeit nicht zum Flughafen zu reisen und die Tore des Flughafens zu meiden”, teilte die US-Botschaft mit – ohne die Bedrohungslage genauer zu benennen. Gleichzeitig schwindet die Zeit, um Menschen aus Afghanistan herauszuholen.

US-Bürger, die sich derzeit am Abbey Gate, East Gate oder North Gate aufhielten, sollten das Gebiet “sofort verlassen”, warnte die US-Vertretung in Kabul. Die britische Regierung forderte Bürgerinnen und Bürger in der Nähe des Flughafens auf, sich an einen sicheren Ort zu begeben und auf weitere Anweisungen zu warten. Sie sprach in ihren Reisehinweisen von einer “weiterhin hohen Bedrohung durch Terroranschläge”. Die deutsche Botschaft warnte in einem Schreiben an deutsche Staatsbürger vor Schießereien und Terroranschlägen.

Die Bundeswehr hatte bereits am Dienstag berichtet, dass zunehmend potenzielle Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat in Kabul unterwegs seien. Ähnlich hatte sich US-Präsident Joe Biden geäußert. Praktisch täglich versuche ein örtlicher Ableger des IS, den Flughafen anzugreifen, hatte er erklärt. Die Terrormiliz sei auch ein “erklärter Feind” der militant-islamistischen Taliban.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wies auf den steigenden Zeitdruck hin. Das – von ihr nicht näher definierte – Zeitfenster für Rettungen werde auch deshalb kleiner, “weil die Bedrohungslage sehr konkret mit Blick auf terroristische Anschläge auf die, die evakuiert werden sollen, aber auch auf die Soldatinnen und Soldaten, größer wird”, sagte die CDU-Politikerin im ZDF-“heute journal”. (26.08.2021)

Taliban sagen Ausreisemöglichkeit nach US-Truppenabzug zu

Die Taliban haben in den Verhandlungen mit der Bundesregierung zugesagt, dass Afghanen auch nach dem für den 31. August geplanten US-Truppenabzug das Land verlassen dürfen. Das twitterte der deutsche Verhandlungsführer Markus Potzel nach Gesprächen mit dem Vizechef des politischen Büros der Taliban in Katar, Schir Mohammed Abbas Staneksai.

Dieser habe ihm versichert, dass Afghanen mit gültigen Ausweisdokumenten nach dem 31. August weiterhin die Möglichkeit haben werden, mit kommerziellen Flügen auszureisen. Der Truppenabzug der USA bedeutet ein Ende der Evakuierungsflüge der Bundeswehr schon in den kommenden Tagen. Potzel verhandelt mit den Taliban darüber, wie es danach weitergehen kann. Die Bundesregierung will weiterhin deutsche Staatsbürger und schutzbedürftige Afghanen mit zivilen Flügen von Kabul aus außer Landes bringen. Es geht um mehrere tausend Menschen (25.08.2021)

US-Militär zieht “mehrere Hundert” Soldaten ab

Das US-Militär hat seine Truppenpräsenz am Flughafen Kabul nach eigenen Angaben um “mehrere Hundert” Soldatinnen und Soldaten reduziert. Dies sei bei einem laufenden Einsatz Teil der normalen Entscheidungsgewalt des örtlichen Kommandeurs, erklärte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Es handle sich dabei unter anderem um Beschäftigte der Zentrale, Spezialisten für Wartungsarbeiten und andere Soldaten, deren Mission am Flughafen abgeschlossen sei, erklärte er. Das US-Militär hatte dort zuletzt rund 5800 Soldaten im Einsatz.

Kirby betonte, der routinemäßige Abzug einiger Truppen stelle nicht den Beginn des Abzugs aller Soldaten aus Afghanistan dar. Dies sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht befohlen worden, erklärte er. US-Präsident Joe Biden hält vorerst an dem Plan fest, die Truppen bis 31. August, also kommenden Dienstag, abzuziehen. Er hat das Pentagon und das Außenministerium aber auch darum gebeten, Alternativpläne vorzuschlagen, falls diese nötig werden sollten. (25.08.2021)

Fristen für Aufnahme von Ortskräften ausgeweitet

Die Bundesregierung hat noch einmal die Bedingungen für die Aufnahme ihrer früheren afghanischen Ortskräfte gelockert. Ab sofort sollen alle nach Deutschland kommen können, die seit 2013 einmal bei Bundeswehr oder den Bundesministerien unter Vertrag waren. Einen entsprechenden Bericht der Welt bestätigten Entwicklungsministerium und Auswärtiges Amt. Frühere Mitarbeiter dieser beiden Ministerien konnten bisher nur einen Antrag stellen, wenn sie in den vergangenen zwei Jahren dort beschäftigt waren. Verteidigungsministeriums und Innenministerium hatten die Frist bereits im Juni auf 2013 ausgeweitet.

Wie viele Ortskräfte die Lockerung betrifft, bleibt unklar. Für das Entwicklungsministerium waren bis zur Machtübernahme der Taliban noch 1100 Afghanen tätig, für das Auswärtige Amt dagegen zuletzt nur eine “mittlere zweistellige Zahl”.

Das Patenschaftsnetzwerk für afghanische Ortskräfte der Bundeswehr hatte der Bundesregierung “unterlassene Hilfeleistung” im Umgang mit ehemaligen Mitarbeitern in dem Krisenstaat vorgeworfen. Man sei darüber erbittert in einem Maße, “dass wir es nicht in Worte fassen können”, sagte der Vorsitzende Marcus Grotian. Die Schuld gab er vor allem dem Bundeskanzleramt. Dort hätte man die Möglichkeit gehabt, die unterschiedlichen Interessen der Ministerien zusammenzubringen, sagte er. Auf fünf Briefe des Netzwerks im Juni und Juli habe die Regierungszentrale nicht reagiert. (24.08.2021)

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